Wer am späten Mittwochabend Dominic Lobalus EM-Goldrennen über 10'000 m gesehen hat, wird es lange in Erinnerung behalten.
Nichts konnte den 25-Jährigen bremsen, mit einem Schlusskilometer von waghalsigen 2:26 Minuten zog er am Ende an allen europäischen Grössen des Fachs vorbei. Europameister – dank taktischer Meisterleistung.
Das ist umso erstaunlicher, als der Läufer des LC Brühl bis vor kurzem taktische Medaillenrennen nicht gewohnt war. Langsames Rennen? Geplänkel im Feld? Lobalu reagierte auf alles wie ein Altmeister. Die Siegerehrung auf der Medal Plaza vor dem Stadio Olimpico von Rom kurz vor Mitternacht war ein Gänsehaut-Moment für ihn und die Schweiz.
Sehr wahrscheinlich haben sie auch beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) ganz genau hingeschaut, als Lobalu seine Machtdemonstration ablegte.
Keine 20 Stunden später jedenfalls verkündete das IOC einen lange erwarteten Entscheid auf die Frage: Würde Lobalu Ende Juli auch an den Olympischen Spielen in Paris starten dürfen? Die Antwort heisst zwar Ja – aber eben ganz anders, als man sich das in Lobalus Umfeld vorgestellt hatte.
Das IOC gibt dem Athleten grünes Licht für Paris als Mitglied des Olympischen Flüchtlingsteams, dem derzeit 36 Athletinnen und Athleten angehören. Nicht aber als Vertreter der Schweiz, wie dies an der EM noch der Fall gewesen war. Die Olympische Charta verlange die Staatsbürgerschaft zwingend, so die Begründung.
Der Entscheid ist für Lobalu ein Dämpfer, aber auch für Swiss Athletics, das sich in den vergangenen Monaten und Jahren stark für den Läufer eingesetzt hatte.
Aufgrund eines Antrags des nationalen Verbands hatte World Athletics vor wenigen Wochen entschieden, dass Lobalu ab sofort für den Schweizer Verband an der EM starten darf, obschon er den Schweizer Pass noch nicht besitzt. Dies aufgrund eines Passus im Reglement des Weltverbands.
Im Umfeld Lobalus war man davon ausgegangen, dass das IOC – wie es sonst meist die Regel ist – den Empfehlungen des Fachverbands folgt. Präsident Christoph Seiler hatte schon im Vorfeld des Entscheids angedeutet, dass er wenig Verständnis für einen ablehnenden Entscheid des IOCs hätte: «Es wäre eine seltsame Logik, die aus meiner Sicht nicht durchsetzbar ist. Der Fachverband hat die Startberechtigung für die Schweiz bestätigt. Wenn der Pass das einzige Kriterium dafür ist, ob jemand in einem Land daheim ist, dann würde mich das nachdenklich stimmen», sagte er.
Irritierend am IOC-Entscheid ist zudem, dass frühere Anfragen bezüglich einer Teilnahme Lobalus an Olympischen Spielen mit dem Refugee Team stets abgelehnt wurden oder unbeantwortet blieben. Nicht wenige vermuten, dass sich das IOC erst jetzt bewegt, da World Athletics einen Entscheid getroffen hat – und weil Lobalu seine Leistungsfähigkeit auf Weltniveau endgültig bewiesen hat.
Will das IOC mit dem Entscheid sein Refugee Team aufwerten? Oder Lobalu gar für PR-Zwecke nutzen? Kein anderer Athlet und keine Athletin aus dem Flüchtlingsteam hat so grosse Medaillenchancen an Olympia, wie sie der Abtwiler mitbringen würde.
Was ebenfalls für möglich gehalten wird: Das Verhältnis zwischen dem Leichtathletik-Weltverband und dem IOC ist nicht das beste, besonders seit die Leichtathleten mit Präsident Sebastian Coe sich gegen den IOC-Entscheid stellten, Russinnen und Russen in Paris starten zu lassen.
Geht es um einen neuerlichen Machtkampf im Weltsport, der um den Läufer aus Abtwil ausgetragen wird? Für Lobalu wäre es emotional nicht einfach, für ein Refugee Team zu starten. Nicht, nachdem er in Rom die Schweiz hat vertreten dürfen und stolz war, seiner neuen Heimat etwas zurückgeben zu können in Form von Edelmetall, so ist es aus seinem Umfeld zu hören.
Dazu kommen Lobalus schlechte Erfahrungen, die er seinerzeit im Refugee Team von World Athletics in Kenia machte. Wegen Missständen im Team und dem Gefühl, sportlich nicht weiterzukommen, hatte er es 2019 an einem Rennen in Genf auf eigene Faust verlassen und in der Schweiz Asyl beantragt.
Dazu kommt: Eine Olympiateilnahme mit dem Refugee Team würde Lobalu wohl auch aus dem gewohnten Umfeld bei Swiss Athletics herausreissen. Ein Umfeld um Trainer Markus Hagmann, das sehr eingespielt ist, wie sich in Rom nicht zum ersten Mal zeigte.
Noch sind die genauen Bedingungen für Lobalus allfällige Teilnahme mit dem Refugee nicht geklärt. Welche Verpflichtungen geht er in Sachen Training ein? Bliebe er danach im Flüchtlingsteam eingebunden und müsste er sein Umfeld verlassen?
Noch sind viele Fragen offen. Sicher ist: Der IOC-Entscheid würde Lobalu auf seinem schnellen Weg nach oben empfindlich bremsen.
Gut möglich aber, dass der Schweizer Verband diesen Entscheid nicht stehen lassen wird und rekurriert, wie er dies bereits im Verlauf des vergangenen Jahres gemacht hat, als es um Lobalus EM-Start gegangen war. In einer Stellungnahme am Donnerstagabend hielt sich der Schweizer Verband noch kurz: «Swiss Athletics hat diese Entscheidung mit Verwunderung und Unverständnis zur Kenntnis genommen. Das IOC Executive Board hätte die reglementarische Möglichkeit gehabt, Dominic Lobalu die Starterlaubnis für die Schweiz zu erteilen. Swiss Athletics wartet auf Informationen des IOC und wird nach deren Erhalt zusammen mit Dominic Lobalu und dessen Team das weitere Vorgehen besprechen. Ziel von Swiss Athletics ist es, Dominic Lobalu eine erfolgreiche Olympiateilnahme zu ermöglichen.» (aargauerzeitung.ch)
Ja er kam als Flüchtling hier hin, aber es ist eben wichtig, dass er das hinter sich liess, das betonte er auch selbst bereits.
Dass das IOC hier seinem Refugee-Team eine Medaille zuachanzen will, ist leider sehr wahrscheinlich.
Wie zu oft beim IOC alles zu politisch, zu intransparent und zu viel Geklüngel.
Die einen gewinnen Goldmedaillen für die Schweiz, die anderen prügeln sich im Bundeshaus.
PS: Die Meinungen von 1488er Eidgenossen sind mir egal