Titelverteidiger Novak Djokovic hat bei seiner Wimbledon-Vorbereitung ganz auf Ernstkämpfe auf Gras verzichtet. Statt in Halle, Queens oder 's-Hertogenbosch um ATP-Punkte zu kämpfen, zog es die serbische Weltnummer 1 vor, sich bei einem Showturnier in Londons Agglomeration an die schnelle Unterlage zu gewöhnen.
Die Bilanz: Ein Sieg gegen Richard Gasquet, eine Niederlage gegen Alexander Zverev und eine ganz gehörige Menge Spass. In der Partie gegen Gasquet zeigte Djokovic mal wieder seine Entertainer-Qualitäten. Der «Djoker» legte für die Damenwelt einen kleinen Striptease hin und holte sich für das verschenkte Trikot auch noch ein Küsschen ab. Später fing er einen Ball mit seiner Hose auf.
Alles paletti also in der Welt von Novak Djokovic? Denkste! Vor seinem tückischen Auftaktmatch gegen Philipp Kohlschreiber (um 14 Uhr Schweizer Zeit) musste sich der 28-Jährige plötzlich unangenehme Fragen stellen lassen. Zu verdanken hat er dies seinem Coach Boris Becker.
In einem Interview mit dem Radiosender «Radio Five Live» gestand der 47-jährige Deutsche, dass er seinem Schützling während Partien schon mal unerlaubte Tipps gebe. «Wir haben unsere Wege, ihm mitzuteilen, ob es gut ist oder schlecht. Danach liegt es an ihm, Änderungen an seinem Spiel vorzunehmen», so Becker.
Im Männer-Tennis ist Coaching während des Spiels allerdings strengstens verboten. Verstösse werden mit Verwarnungen, Punkt- oder sogar Spielabzügen bestraft. Die Grenze zwischen Anfeuerung und Coaching ist natürlich fliessend und ein Übertreten festzustellen, liegt im Ermessen des Schiedsrichters. Gerade Djokovic, aber auch Rafael Nadal, mussten sich schon öfters «illegales Coaching» vorwerfen lassen.
Beckers unbedachte Äusserungen schlugen in der Tennis-Szene deshalb schnell ziemlich hohe Wellen. Djokovic wies die aufgekommenen Vorwürfe wegen der offenkundig regelwidrigen Kommunikationspraxis mit seinem deutschen Trainer aber sofort zurück.
«Ich denke nicht, dass wir betrügen. Ich denke nicht, dass man es so nennen kann», erklärte der 28-Jährige. «Natürlich gibt es Situationen, in denen das vorkommt – und nicht nur bei Spitzenspielern, sondern bei jedem Spieler. Tennis ist ein sehr konkurrenzbetonter Sport. Dabei bist du am Ende ohnehin allein auf dem Platz.»
Es ist nicht das erste Mal, dass Djokovic nach einem medialen Becker-Alleingang blöd dasteht. Erst kürzlich posaunte sein Coach in einem Interview, das eigentlich nur zur Promotion seines neuen Buches diente, dass es ein offenes Geheimnis sei, dass sich Djokovic und Federer nicht besonders mögen. «Ach, Becker hat wirklich keine Ahnung», lautete Federers Kommentar.
Djokovic, der wohl ebenfalls «not amused» war, verkniff sich einen Kommentar. In seinen Interviews betont er lieber immer wieder, wie sehr Becker ihn zu einem besseren Spieler gemacht habe. Nichtsdestotrotz: Wenn Becker seinen Job behalten möchte, wäre er gut beraten, sich an einen Grundsatz zu halten, den er kürzlich in einem Interview mit dem «Esquire Magazine» von sich gab: «Wenn man älter wird, überlegt man sich weiser, welche Worte man benutzt.»