Sport
Olympia 2022

Olympia 2022: Das skurrile Schauspiel der «Fans» auf der Tribüne

Fans cheers for Jin Boyang, of China, in the men's free skate program during the figure skating event at the 2022 Winter Olympics, Thursday, Feb. 10, 2022, in Beijing. (AP Photo/Jae C. Hong)
Beim Eiskunstlauf sind die Plätze relativ gut besetzt.Bild: keystone

Chinesische «Fans» auf der Tribüne: Das skurrile Schauspiel am Rande von Olympia

Wegen Corona wurde der Ticketverkauf gestoppt. Nun sind plötzlich doch Zuschauer auf den Tribünen und die verhalten sich äusserst sonderbar. Doch wo kommen die eigentlich her?
10.02.2022, 12:5010.02.2022, 13:18
Alexander Kohne, Zhangjiakou / t-online
Mehr «Sport»
Ein Artikel von
t-online

Zwei Schritte nach rechts, Hände hoch, zwei Schritte nach links, Hände hoch – dieses Bewegungsschema wiederholt die junge Frau immer wieder. Ohne Pause. Stundenlang.

In Deutschland würde das wohl als eine Art besonderes «Workout» durchgehen. Auf den Rängen des olympischen Skistadions in Zhanjiakou rund 200 Kilometer nördlich von Peking ist es dagegen Standard. Zumindest für einige junge Menschen in weiss-blauen Skianzügen. Ihre Mission: Dem Publikum den Takt vorgeben, damit alles möglichst synchron aussieht. Synchron gut gelaunt.

Gut gelauntes Fahnenschwenken 

Einige Hundert Menschen sind an diesem Samstag beim Skispringen der Damen von der Normalschanze dabei. Sie sind gut verteilt auf den Rängen, sodass die Arena besser gefüllt aussieht, als sie es in Wirklichkeit ist.

Die Stimmung ist untypisch für einen solchen Wettbewerb. Freudig hin und her wippend schwenken die Zuschauerinnen und Zuschauer kleine blaue Fähnchen. Durchgehend. Fast ohne Pause – und ohne Bezug zum Geschehen auf der Schanze. Kein «Ziiieeeh», kein «Ohhh», kein «Neeeiiin».

epa09742492 A general view of the award ceremony for the Women's Snowboard Halfpipe final at the Zhangjiakou Genting Snow Park at the Beijing 2022 Olympic Games, Zhangjiakou, China, 10 February 2 ...
Bei der Snowboard-Halfpipe bleiben die Tribünen eher leer.Bild: keystone

Dann naht der grosse Showdown: Katharina Althaus kann im allerletzten Sprung Gold perfekt machen. Sie landet fast genau auf der eingeblendeten Linie, die die dazu nötige Weite anzeigt.

Die Stimmung in einem europäischen Skisprungstadion wäre spätestens jetzt förmlich explodiert. Und im «National Ski Jumping Center» von Zhanjiakou? Geht es weiter, als ob nichts gewesen wäre. Das Publikum schwenkt seine Minifähnchen stoisch weiter – ohne übermässige emotionale Regungen.

Gespräche mit dem Publikum sind nicht vorgesehen

Man möchte den Menschen auf den Rängen die Frage zurufen: Warum reagiert ihr so? Seht ihr nicht, was hier gerade passiert? Doch Gespräche mit dem Publikum sind vom Veranstalter nicht vorgesehen. Wichtiger sind offenbar nur die Fernsehbilder von einem gefüllten Stadion und guter Stimmung.

Die Austragungsstätte der Olympischen Spiele 2022 in Peking

1 / 29
Die Austragungsstätten der Olympischen Spiele 2022 in Peking
Nationalstadion, Peking – Eröffnungs- und Schlussfeier (Kapazität: 80'000).
quelle: keystone / roman pilipey
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Doch woher kommt dieses Publikum überhaupt? Erst Mitte Januar hatte die chinesische Regierung den Vorverkauf der Tickets gestoppt, aufgrund der komplizierten Pandemielage. Ausländische Besucher wurden wegen der Corona-Situation bereits mehrere Monate zuvor verboten.

Ausschliesslich Angehörige der «olympischen Blase», in der Sportler, Offizielle und auch Journalisten komplett von der Aussenwelt abgeschottet sind, sollten die Spiele verfolgen dürfen.

Pünktlich zur Eröffnungsfeier Anfang Februar wurden dann doch 150'000 Zuschauer ausserhalb dieser «Bubble» zugelassen. «An jedem Austragungsort wird die Hälfte der Zuschauer innerhalb des geschlossenen Kreises und die andere Hälfte ausserhalb des geschlossenen Kreises anwesend sein», hiess es einer Präsentation des Organisationskomitees.

Keine Tickets im öffentlichen Verkauf

Diese seien allerdings nicht öffentlich verkauft, sondern amtlich vergeben worden, berichtete das Nachrichtenportal «Inside The Games». Wie diese Vergabe genau gelaufen sei, ist nicht bekannt.

Bild
Bild: IMAGO / ZUMA Wire

«Es werden wohl vor allem Staatsangestellte und Schulklassen zuschauen dürfen», vermutete die «Neue Zürcher Zeitung» zu Beginn der Spiele, also Personen, die der chinesischen Regierung genehm sind und für positive Fernsehbilder sorgen.

«Come on, China»

Emotionaler als beim Skispringen geht es im Biathlonstadion zu. Zumindest etwas. Zum Einzelrennen der Männer haben sich hier rund 500 Menschen auf der Haupttribüne eingefunden. Im Vergleich zum Skispringen wird gesessen – und zwar in relativer Ruhe. Und dann plötzlich – wie aus dem Nichts – steht die gesamte Tribüne auf, applaudiert und ruft etwas.

«They are saying: ‹Come on, China›», erklärt ein junger Mann am gegenüberliegenden Schiessstand. Das hört sich in etwa an wie «Tja ijo» (ausgeschrieben: «Zhōngguó jiāyóu») und ertönt immer, wenn ein chinesischer Biathlet ins Rennen geht – und die aus dem Skisprungstadion bekannten blau-weissen Vorsinger das Zeichen dazu geben. Nach etwa 15 bis 20 Sekunden ist dann aber wieder Ruhe.

«Fast wie ohne Zuschauer»

So ruhig, dass der deutsche Biathlet Roman Rees auf Nachfrage von t-online nach dem Rennen verdutzt antwortet: «Ich muss ehrlich sagen, dass ich nullkommanull mitbekommen habe, dass hier Zuschauer waren.» Er finde es zwar durchaus positiv, wenn die Chinesen ein paar Leute an die Strecke brächten, gehört habe er diese aber nicht.

Ähnlich erging es Rees' Teamkollegen Benedikt Doll. «Es ist fast wie ohne Zuschauer», sagt der Weltmeister von 2017. Weil es so ruhig war, habe sich das Ganze teilweise wie Training angefühlt.

Gross verwunderlich ist das nicht, denn auch die beim Biathlon sonst so typischen Jubelausrufe nach Treffern am Schiessstand fehlten. Ob fünf Fehler oder fünf Treffer – anhand der Regungen des Publikums war das nicht zu erahnen.

Lediglich beim Zieleinlauf gab es wieder Anfeuerung – diesmal sogar für alle Sportler. «Da habe ich das Publikum ein bisschen wahrgenommen, aber so wirklich habe ich die Audience noch nicht erlebt», erklärt Doll und fügt hinzu: «Das war schon eine etwas spezielle Atmosphäre heute.»

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Alle Medaillengewinner vom 10. Februar
1 / 10
Alle Medaillengewinner vom 10. Februar
Ski alpin, Männer, Kombination
Gold: Johannes Strolz (AUT)
Silber: Aleksander Aamodt Kilde (NOR)
Bronze: James Crawford (CAN)
quelle: keystone / luca bruno
Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Cool Runnings» wird wahr – 4er-Bob startet in Peking für Jamaika
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
39 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
c-bra
10.02.2022 13:12registriert April 2016
Diese ganze Olympia ist so was von absurd. Klar, freue ich mich für Wendy, Feuz und co, aber ich hatte bei einem derartigen Grossanlass noch nie weniger Interesse als in diesem Jahr. Wenn ich mich wenigstens auf eine tollte Fussball WM im Sommer freuen könnte, aber eben..
13710
Melden
Zum Kommentar
avatar
Massalia
10.02.2022 13:23registriert Juni 2021
Wer hätte DAS gedacht?!
Sorry, diese olympischen Spiele werden an Lächerlichkeit und Peinlichkeit nur noch von der chinesischen Diktatur und den Speichelleckern vom IPC überboten.
12410
Melden
Zum Kommentar
avatar
Barracuda
10.02.2022 14:54registriert April 2016
Ich frage mich immer wieder, warum man sich überhaupt die Mühe macht und so ein lächerliches Schauspiel abzieht. Die ganze Propaganda an den Olympischen Spielen ist ja dermassen durchschaubar, dass das höchstens ein paar verblendete China-Versteher nicht verstehen (wollen). Hat China echt das Gefühl, dass man mit solchen Bildern irgendwas am (zurecht) lausigen Bild von China etwas ändern könnte? Das ist ja peinlicher als die nordkoreanischen "Cheerleader" bei den letzten Spielen. Diese waren wenigstens noch auf eine komische Art unterhaltsam :-)
271
Melden
Zum Kommentar
39
Lugano schlägt Legia Warschau und überwintert im Europacup
Der FC Lugano feiert im fünften Ligaspiel der Conference League den vierten Sieg und steht mindestens in den Sechzehntelfinals. Bei Legia Warschau gewinnen die Tessiner mit 2:1.

Der Leader der Super League zeigte beim Vierten der polnischen Meisterschaft einen Steigerungslauf, der dank den Toren von Mattia Bottani (40.) und Albian Hajdari (74.) mit drei Punkten belohnt wurde. Damit ist das Team des Trainers Mattia Croci-Torti bereits nach dem vorletzten Match der Ligaphase nicht mehr aus den Top 24 der Conference League zu verdrängen.

Zur Story