Als Loïc Meillard durchs Ziel fuhr, zeigte die Uhr 20 Hundertstelsekunden Rückstand an. Eigentlich ein Grund zur Freude für Marco Odermatt, den alten und neuen Sieger des Riesenslaloms in Adelboden. Doch so richtig jubeln wollte der 27-Jährige nicht. Vielmehr wirkte es so, als hätte er gehofft, dass die Uhr bei seinem Teamkollegen grün anzeigt.
«Heute waren es etwas weniger Emotionen», erklärte der Führende im Gesamtweltcup sowie in den Disziplinenwertungen im Riesenslalom, der Abfahrt und dem Super-G danach beim SRF. Dies habe auch damit zu tun, dass oben eben Loïc Meillard stand. Odermatt hätte ihm den Erfolg gegönnt, das wird sofort klar. «Ich weiss, dass er es nicht immer einfach hat. Er fährt so schnell, holt so viele Podestplätze und hätte den Sieg heute sicher unbedingt gewollt», so Odermatt, der anfügte: «Ich habe mich schon mit Platz 2 abgefunden und dann reichte es dank des guten Schlusshangs doch.» Er habe fast ein bisschen ein schlechtes Gewissen gegenüber Meillard.
Am legendären Zielhang am Chuenisbärgli verlor Meillard 53 Hunderstelsekunden auf Odermatt und vergab seinen Vorsprung und die guten Siegaussichten damit noch. «Es regt mich schon auf», sagte der geschlagene Neuenburger danach. Nach der bisher enttäuschenden Riesenslalom-Saison und dem Ausscheiden im Slalom vom Samstag könne er dennoch zufrieden sein. «Es ist ein gutes Gefühl. Natürlich wären zwei Podestplätze besser gewesen als einer, aber es war trotzdem ein geniales Wochenende», so Meillard, der sich aber auch für seinen Kumpel freute: «Marco hat es heute verdient.»
Odermatt zeigte einmal mehr einen Ritt auf Messers Schneide. Im 2. Lauf ging der dreifache Gesamtweltcupsieger auf volles Risiko und erlebte eine grosse Schrecksekunde. «Vor dem Steilhang war es extrem knapp, da war sicher auch etwas Glück dabei», erklärte der Publikumsliebling danach. Dann hätte er sich aber schnell wieder konzentrieren können, «die Einfahrt in den Zielhang passte und so konnte ich das Tempo bis ins Ziel mitnehmen».
Ungewohnt war für Odermatt, dass er nach seiner Fahrt noch im Zielraum warten musste. Bei seinen bisherigen Siegen im Berner Oberland führte er bereits nach dem 1. Lauf. «Es ist nochmal ein anderes Gefühl, als letzter Fahrer ins Ziel zu kommen und grün zu sehen», so Odermatt, der aber betonte: «Es ist trotzdem wunderschön.»
Am Chuenisbärgli brillierten von den Schweizern nicht nur Odermatt und Meillard, sondern auch Luca Aerni als Siebter und Thomas Tumler, der sich im 2. Lauf noch um einen Platz auf den 4. Rang verbesserte. «Ein Dreifachsieg wäre natürlich schön gewesen, aber ich war ein wenig zu langsam», witzelte der 35-Jährige, der in diesem Winter seinen ersten Weltcupsieg feiern durfte. Überwältigt fügte er an: «Ich bin mega happy mit meiner Leistung. Es war nicht ganz einfach, nach den letzten beiden Rennen, vor dem Heimpublikum nochmal so zu liefern.»
Auf die Frage von SRF-Experte Marc Berthod, der Tumler schon aus gemeinsamen Zeiten im Weltcup kennt, wann es in seinem Kopf Klick gemacht habe, antwortete der Vierte von Adelboden: «Nach den Verletzungen merkt man, was wir für ein Privileg haben, hier herunterzufahren und das hier zu erleben. Zuvor sah ich das oft als selbstverständlich an, aber die harten Zeiten haben mich stärker gemacht und davon profitiere ich jetzt.»
Das, was heute leider oftmals fehlt 🙏❤️