Wenn Lara Gut-Behrami einmal zurückgetreten ist, drohen den Schweizer Ski-Fahrerinnen dunkle Zeiten – befürchten zumindest viele Schweizer Ski-Fans. Besonders in den Speedrennen. Das hätte auch nach der Abfahrt in St. Anton das Fazit sein können. Als Zwölfte war die 33-jährige Gut-Behrami lange auf Kurs, erneut die beste Athletin von Swiss-Ski zu sein. Dann kam Malorie Blanc.
Am Start nahm sie sich vor, so wenig wie möglich nachzudenken. «Einfach mit Lockerheit und Spass Ski zu fahren.» Dies gelang ihr überragend. Auf der schwierigen Abfahrt in St. Anton, mit der gar erfahrene Stars wie Lara Gut-Behrami oder die ausgeschiedene Sofia Goggia Probleme hatten, zeigte sie eine fehlerlose Fahrt. Zwischenzeitlich führte die 21-jährige Walliserin mit der Startnummer 46 gar und liess die Führende Federica Brignone ordentlich zittern. Am Ende fehlten Blanc lediglich sieben Hundertstelsekunden auf die Italienerin, die ihren Premierensieg in der Abfahrt feierte.
«Ich weiss nicht, wieso es geklappt hat, aber es ist unglaublich und ich geniesse es einfach voll», staunte Blanc nach dem Rennen über sich selbst. So richtig verstehen, was gerade passiert ist, konnte sie aber noch nicht, als sie am Mikrofon des SRF stand. Wie auch? Schliesslich war Blanc erstmals überhaupt am Start einer Weltcup-Abfahrt gestanden. Natürlich hatte sie im Training bereits mit Platz 4 überzeugt, doch das Rennen ist dann nochmal eine ganz andere Sache. Überhaupt war es erst ihr zweiter Auftritt im Weltcup – in St. Moritz war Blanc im Super-G noch ausgeschieden.
Noch verrückter macht die Geschichte von Malorie Blanc, dass sie sich vor knapp einem Jahr noch das Kreuzband gerissen hatte. Ausgerechnet in Crans-Montana, nahe der Heimat ihres Skiklubs in Anzère, war Blanc gestürzt und hatte sich dabei die schwere Verletzung zugezogen – dadurch verschob sich auch ihr wenige Tage später geplantes Weltcup-Debüt. Es war ein bitterer Abschluss für einen eigentlich sehr erfolgreichen Winter des Schweizer Ski-Talents.
Schliesslich hatte sie Ende Januar 2024 an der Junioren-Weltmeisterschaft grosse Erfolge gefeiert. Im Super-G und in der Team-Kombination gemeinsam mit Anuk Brändli triumphierte Blanc, in der Abfahrt verpasste sie den Sieg um eine Hundertstelsekunde und errang WM-Silber. Eigentlich wäre sie dank des Erfolgs berechtigt gewesen, beim Weltcup-Final in Saalbach im Super-G an den Start zu gehen. Aufgrund ihrer Verletzung wurde daraus nichts.
Stattdessen begann nun der lange und harte Weg zurück. Wie sie so schnell zurück zu ihrer Topform gefunden habe, sei schwierig zu erklären, sagte sie nach ihrem grossen Erfolg in den Tiroler Alpen. «Ich habe alles gut gemacht, glaube ich», mutmasste Blanc und fügte an: «Und ich hatte gute Leute um mich. Ich bin ihnen so dankbar, weil das wirklich wichtig für mich ist. Jetzt bin ich da.»
Dass sie jetzt im Weltcup angekommen ist, kann Malorie Blanc gleich am morgigen Sonntag unter Beweis stellen. Dann steht in St. Anton der Super-G an – es ist die Paradedisziplin der 21-jährigen Walliserin. Schliesslich holte sie in der technischeren Speed-Disziplin nicht nur Junioren-WM-Gold, sondern in der letzten Saison auch drei Europacup-Podestplätze.
Mit Blick auf ihr drittes Rennen im Weltcup sagte Blanc mit einem breiten Lachen und funkelnden Augen: «Natürlich freue ich mich auf morgen.»