Die Schweiz hat in diesem Winter sehr oft Grund zum Jubeln. In 20 von 32 Weltcuprennen stand ein/e oder mehrere Vertreter/innen von Swiss-Ski auf dem Podest. Bei den Männern gab es in 15 Rennen nur zwei ohne einen Schweizer Fahrer unter den ersten drei.
Während hierzulande also die aktuelle Generation mit der legendärsten um Pirmin Zurbriggen in den 80er-Jahren verglichen werden kann, ist Ski-Erzrivale Österreich in ein tiefes Loch gefallen. Das sind ihre besten Athlet/innen nach dem ersten Drittel der Saison:
So richtig dramatisch sieht das auf den ersten Blick nicht aus. Das Problem ist, dass es sich um Ausreisser nach oben handelt: Sieben Schweizer liegen vor dem zweitbesten Österreicher im Gesamtweltcup. In erster Linie betrifft die Krise die Männer.
Die fehlende «Masse» sorgt auch für den jetzt schon riesigen Rückstand des ÖSV auf die Schweiz in der prestigeträchtigen Nationenwertung:
Vor den Saison-Highlights in Adelboden, am Lauberhorn und in Kitzbühel, vor allem aber vor der nahenden Heim-WM in Saalbach, liegen die Nerven da und dort blank. An hoch dekorierten Alt-Stars, die glauben, es besser zu wissen, fehlt es schliesslich nicht. «Die Strukturen sind wie bei mir vor 40 Jahren», sagte beispielsweise ORF-Experte Hans Knauss bei «Heute». «Die Strukturen reichten für mich aus, an die Weltspitze zu kommen. Wir sind aber stehen geblieben.»
Auch die Presse ist angesichts ausbleibender Resultate angesäuert. «Die selbst ernannte Skination Nummer 1 versinkt im Mittelmass und gibt im WM-Winter ein jämmerliches Bild ab», lautet das knallharte Fazit vom «Kurier». Dessen Analyse: «Es tummeln sich schlicht zu viele Platzfahrer und Mitläufer, die irgendwie immer dabei, aber nie mittendrin sind.» Die Rede ist von Fahrern, «die gefühlt seit Jahren auf der Stelle treten, aber trotzdem eine Startnummer bekommen, weil von hinten niemand nachdrängt.»
Da liegt der Hund (auch) begraben: Es fehlt an kompetitivem Nachwuchs. Sorgen Schweizer wie Franjo von Allmen (23) oder Alexis Monney (24) für frischen Wind auf den Siegerpodesten, herrscht jenseits des Rheins Flaute.
Derzeit ist niemand auszumachen, der in die Fussstapfen der Etablierten treten kann, wenn diese zurücktreten. Und das könnte schon bald der Fall sein: Vincent Kriechmayr ist 33 Jahre alt, Manuel Feller 32, andere derzeitige Aushängeschilder wie die 33-jährigen Stefan Brennsteiner und Daniel Hemetsberger haben ihre Zukunft ebenfalls schon hinter sich. Beinahe der einzige Lichtblick ist der 23-jährige Lukas Feurstein, Dritter im Super-G von Beaver Creek.
«Wir können die Läufer nicht herbeizaubern», machte ÖSV-Herren-Cheftrainer Marko Pfeifer klar. Das Fehlen von Nachwuchskräften ist einerseits dem Zeitgeist geschuldet – an Kinder- und Jugendrennen gehen die Teilnehmerzahlen zurück –, es wirft aber auch ein schlechtes Licht auf den Verband, der so viel Geld in den Skisport investiert wie sonst nur die Schweiz. Offenbar wird aus den zur Verfügung gestellten Mitteln zu wenig herausgeholt. Experte Hans Knauss wünscht sich für die Zeit nach der WM «den Mut, dass wir die Strukturen verändern».
Skiverbandspräsidentin Roswitha Stadlober gab zum Jahreswechsel im ORF zu, dass man womöglich nicht alles richtig gemacht habe in der Vergangenheit. Die Schweizer hätten es wahrscheinlich besser gemacht, damals, als die Österreicher ihnen um die Ohren gefahren seien. «In diesem Prozess sind wir jetzt drinnen.» Tatsächlich durchschritt auch die Schweiz einst eine tiefe Talsohle, weil Nachfolgeprozesse verschlafen wurden. Tiefpunkt war der Winter 2004/05 ohne einen einzigen Weltcupsieg und ohne Medaille an der WM in Bormio.
Wobei die österreichische Krise von den Verantwortlichen natürlich relativiert wird. Ein Aushängeschild wie Marco Schwarz beklagt Probleme damit, nach einer schweren Verletzung wieder fit zu werden. Manuel Feller, im letzten Winter der Gewinner der Slalom-Kugel, ist das Wettkampfglück nicht hold: In acht Rennen schied er fünf Mal aus und punktete bloss zwei Mal.
Der Wind kann schnell drehen, aber gerade im Slalom sorgt das Selbstvertrauen im Erfolgsfall für einen «Flow», und bleibt der Erfolg aus, fädelt man bei zu viel Risiko ein oder verpasst bei zu wenig Risiko den 2. Lauf. Ein Teufelskreis. Besonders gross wird Fellers Selbstvertrauen nicht sein.
«Der Slalom kann sehr schön sein, aber er kann auch brutal sein. Momentan ist er für unsere Mannschaft brutal», sagte ÖSV-Techniktrainer Martin Kroisleitner im ORF. «Wir brauchen Geduld, wir haben Topathleten.» Der öffentlich-rechtliche Sender schrieb von «Durchhalteparolen».
ÖSV-Alpinchef Herbert Mandl glaubt allen Unkenrufen zum Trotz, dass Österreich an der WM eine gute Figur abgeben wird. «Bis zur WM wird's wieder», machte er dem Land im Boulevardblatt «Kronen-Zeitung» Mut. Und auch Präsidentin Stadlober zeigte sich zuversichtlich: «Wir sind in Schlagdistanz und die Richtung stimmt.»
Derweil übt sich der «Kurier» bereits in einer österreichischen Kerntugend, der Selbstironie. Die Vorzeichen stünden vielleicht wirklich gar nicht so schlecht vor der Heim-WM: Österreichs Skifahrer hätten «mit ihren Un-Leistungen» die Erwartungshaltung dermassen weit nach unten geschraubt, dass sie eigentlich nur mehr positiv überraschen könnten.
Marco Schwarz wird sich erholen, Manuel Feller gewinnt wieder Selbstvertrauen und zieht die anderen mit. Felix Hacker und Vincent Wieser (einzige bisherige Sieger der schnellen Disziplinen im EC) etablieren sich erstaunlich schnell im WC.. und die Ösi-Welt ist wieder in Ordnung 🙂
Es kann sich so schnell alles ändern. Auch bei uns (sieht man z.B. bei den meisten unserer Slalom-Herren). Ich für meinen Teil geniesse es aktuell ganz einfach.
Merci Schweizer Ski-Cracks!