Seit Wimbledon 2016 hat Roger Federer kein Spiel mehr bestritten, vor dem Australian Open im Jahr 2017. Federer hat sich damals einen Tag nach der Niederlage im Halbfinal gegen Novak Djokovic verletzt. Als der Maestro ein Bad für seine Zwillingsmädchen einlässt, zieht sich der Schweizer ein Meniskusriss im linken Knie zu.
An den Australian Open ist Federer nur als Nummer 17 gesetzt. Vor dem Turnier spricht wenig bis gar nichts für den damals 17-fachen Grand-Slam-Sieger. Bis zum Halbfinal muss Fedi einmal über fünf Sätze gehen. Im Achtelfinale gegen Kei Nishikori. Nach einem klaren Sieg im Viertelfinal gegen Mischa Zverev kommt es im Halbfinal zum Schweizer Aufeinandertreffen gegen Stan Wawrinka.
Bereits dieses Spiel ist eines für die Geschichtsbücher. Nach einem 2:0 Vorsprung in den Sätzen gibt Federer zwei Sätze in Folge ab, bevor er den fünften Satz mit 6:3 für sich entscheidet.
Im Final kommt es nun zum grossen Duell mit Rafael Nadal. Gegen den Spanier konnte Federer seit zehn Jahren keinen Grand-Slam-Final gewinnen. Auch Nadal ist aufgrund verschiedener Verletzungen beim Turnier nur als Nummer neun gesetzt. Die Nervosität ist schon vor dem Spiel von Melbourne bis in die Schweizer Stuben spürbar. Ob jung oder alt, ob Frühaufsteher oder Langschläfer, für den Sonntagmorgen werden in der ganzen Schweiz die Wecker auf allerspätestens 09.25 Uhr gestellt, denn jeder möchte bereits dabei sein, wenn die beiden Titanen in die Rod Laver Arena einlaufen. Insgesamt 1,5 Millionen Zuschauer vermeldet das Schweizer Fernsehen.
Und so marschieren um ungefähr 09.30 Uhr die vielleicht besten Tennisspieler der Geschichte in die Arena ein und sorgen ein erstes Mal für Gänsehaut. Rafael Nadal stellt wie gewohnt jedes Fläschchen, das er dabeihat, schön hin und bereitet sich auf das Spiel vor.
Der erste Satz beginnt ganz nach dem Gusto von Roger Federer, bereits früh gelingt ihm ein Break und schon von Anfang an liefern sich beide Spieler einen harten Kampf mit spektakulären Ballwechseln. Nach dem frühen Break lässt Federer nichts mehr anbrennen und sichert sich den ersten Satz in souveräner Art und Weise mit 6:4.
Im zweiten Satz zeigt sich ein umgekehrtes Bild, und Rafa nimmt Federer gleich zweimal den Aufschlag ab. Zwar schafft auch der Basler ein Break, doch Nadal sichert sich den zweiten Durchgang mit 6:3. Die Stimmung in den Schweizer Stuben noch angespannter. Wie reagiert Federer auf diesen Rückschlag?
Bestmöglich: Ohne Probleme sichert sich Federer den dritten Umgang mit 6:1 und plötzlich steht der damals 17-fache-Grand-Slam-Sieger nur noch wenig entfernt vom nächsten grossen Titel, mit dem niemand, wirklich niemand gerechnet hat.
Doch so weit ist es noch lange nicht. Vierter Satz und auf den Bildschirmen zeigt ein ähnliches Bild wie im zweiten Abschnitt, Nadal gewinnt seinen zweiten Satz mit 6:3. Somit steht erneut ein Entscheidungssatz an und dieser liefert alles, was das Tennisherz begehrt.
Zunächst bange Minuten für die Sympathisanten des Schweizers. Federer muss ein Medical Timeout nehmen. Lassen die Kräfte bald nach beim Maestro?
Auch sein erstes Aufschlagspiel muss er abgeben. Ist es das nun gewesen? Bricht Rafael Nadal wieder unser und Federers Herz? Kann Fedi noch einmal antworten? Zunächst bringen beide Spieler ihre Aufschläge zweimal durch. Nadal führt mit 3:2 und ist noch drei Games von seinem 15. Grand-Slam-Titel entfernt.
Doch das sechste Game im Entscheidungssatz wird umkämpft wie zuvor keines im ganzen Spiel und Federer sichert sich den besten Ballwechsel des Turniers. Insgesamt 26 Mal geht der Ball über das Netz. Kurz darauf verwertet der Basler den zweiten Breakball des Games und gleicht wieder aus. Ekstase – in Melbourne und der Schweiz.
Das nächste Aufschlagspiel bringt Federer ohne Probleme über die Zeit und führt nun plötzlich mit 4:3. Nun liegt der Druck bei Rafa. Federer startet optimal in das Game, liegt 40:0 in Front. Drei Breakbälle für Fedi – aber Nadal wehrt alle ab. Nächster Ballwechsel, nächster Punkt für Federer, wieder kann der Spanier den Breakball abwehren. Das kann es doch nicht sein!
Doch dann: Federer sichert sich die nächste Gelegenheit, um dem Spanier den Aufschlag abzunehmen und dieses Mal holt er sich den Punkt, führt mit 5:3 und schlägt zum Titelgewinn auf.
Das wird er sich doch nicht mehr nehmen lassen. Das KANN er sich doch nicht mehr nehmen lassen! Doch mit dem Titel vor den Augen wird es nochmals brisant. Nadal geht mit 40:15 in Führung und hat nun selbst zwei Breakbälle. Doch auch Federer hält dem Druck stand und macht drei Punkte in Folge – und hat nun selbst Matchball. Den ersten kann Nadal abwehren.
Nummer 2: Federer schlägt stark auf, Nadal bringt den Ball zurück – doch der Schweizer versenkt den Ball direkt mit einem Volley.
Das ist es, denken alle, doch Nadal nimmt eine Challenge. Eine gesamte Nation hält in diesen Sekunden den Atem an. Auf den Bildschirmen erscheint das Hawk-Eye-Bild und auf diesem sieht man, der Ball hat die Linie berührt.
«Das meine Damen und Herren ist der füdliblutte Wahnsinn», schreit Kommentator Stefan Bürer in das Mikrofon und damit einer ganzen Nation aus der Seele. Roger Federer hat mit 36 Jahren endlich wieder einen Grand-Slam-Titel gewonnen. Überglücklich geht er zu Boden und läuft danach zum Shakehand.
Bei der Siegerehrung sind die beiden vollen Lobes füreinander, so sagt Federer: «Wenn es im Tennis Unentschieden gäbe, hätte ich dieses gerne angenommen und den Sieg mit Rafa geteilt», und richtet auch Worte direkt an Nadal welcher auch immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen hat: «Bleib auf der Tour. Das Tennis braucht dich. Danke für alles, was du für diesen Sport machst»
«Vielleicht hat es Roger ein wenig mehr verdient als ich, aber trotzdem war es ein grossartiges Finale», zeigte sich Nadal nach dem Spiel als fairer Verlierer. An der anschliessenden Pressekonferenz erzählte Federer, wie seine Pläne für die Party aussehen wird:
Nach seinem Titel in Australien gewann Federer auch noch das Turnier in Wimbledon und sicherte sich ein Jahr später an den Australian Open den zwanzigsten Grand-Slam-Titel. In beiden Finals setzte sich Federer gegen Marin Cilic durch.
Im Herbst 2022 beendet Federer am Laver Cup in einem Doppel mit Rafael Nadal seine Karriere. Der Spanier spielte noch bis Ende 2024 und sicherte sich noch insgesamt acht Grand Slams. So konnte Nadal in seiner Karriere insgesamt 22 Majorturniere für sich entscheiden.