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Matthias Simmen ist die populäre Stimme des Biathlons in der Schweiz

Matthias Simmen, expert for Swiss tv SRF, pictured at the IBU Biathlon World Championships, on Tuesday, February 11, 2025, in Lenzerheide, Switzerland. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Urchiger Dialekt, ansteckende Begeisterung: Matthias Simmen in Lenzerheide.Bild: keystone

Matthias Simmen ist die Stimme des Biathlons in der Schweiz

Matthias Simmen ist der Mann, der hierzulande Biathlon erklärt. Zufällig zum Sport gekommen, war der Urner der erste Schweizer auf einem Weltcup-Podest. Als TV-Experte vom SRF ist er noch immer mit der gleichen Leidenschaft dabei.
18.02.2025, 11:4918.02.2025, 11:49
Marcel Hauck, lenzerheide / Keystone-SDA
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Eine so grosse Bühne, wie aktuell mit der ersten Weltmeisterschaft in der Schweiz, hatte Matthias Simmen noch nie. Nicht einmal, oder erst recht nicht, als er 2002 erstmals an Olympischen Spielen teilnahm. 23 Jahre später begeistert der Mann mit dem markanten Kinn und dem urchigen Urner Dialekt mit seinem Enthusiasmus und Fachwissen das TV-Publikum.

«Ich bin eigentlich immer wieder erstaunt, wie es mich nach wie vor bewegt, wenn ich so ein Rennen schaue», schwärmt Simmen gegenüber Keystone-SDA. «Und das nicht nur, wenn die Schweizer gut sind. Ich empfinde eine extreme Faszination.»

Quereinsteiger per Zufall

Das ist umso erstaunlicher, als der 52-Jährige aus Realp erst als Mittzwanziger mit dem Biathlon in Berührung kam. Sein Werdegang ist verblüffend – und wäre in der heutigen Zeit, da der Sport auch in der Schweiz viel professioneller betrieben wird, nicht mehr denkbar.

Wie fast alle Kinder in der Region Andermatt war auch Simmen Mitglied eines Skiklubs, eine Karriere als Sportler war aber nie ein Thema. Nach einer Schreiner-Lehre meldete er sich bei der Grenzwacht-Schule an. «Ich wusste gar nicht genau, was die machten», sagt Simmen. «Ich bin einfach per se ein sehr neugieriger Mensch.»

Heute das Einzel der Frauen
Nach einem Ruhetag geht es heute in Lenzerheide weiter mit der WM. Ab 15.05 Uhr steht der Einzel-Wettkampf der Frauen auf dem Programm. Es werden 15 Kilometer gelaufen und je zwei Mal liegend und stehend geschossen. Ein Fehlschuss wird nicht mit einer Strafrunde, sondern mit einer Strafminute sanktioniert.

Dort zeigte sich dann allerdings sein ausgeprägtes Talent. Bei Geländeläufen liess er regelmässig alle hinter sich, selbst die, welche die Schule als Spitzensportler absolvierten. Da kam die Idee, aus Simmen einen Langläufer zu machen, auch wenn er damit bis dahin nur wenig Erfahrung hatte.

Matthias Simmen aus Realp faehrt am 18. Februar 2001 in Realp dem Ziel und dem Schweizermeistertitel im Biathlon entgegen. (KEYSTONE/Sigi Tischler) === ELECTRONIC IMAGE ===
Simmen im Jahr 2001 beim Gewinn des Schweizer Meistertitels.Bild: KEYSTONE

«Ich hatte sicher aussergewöhnlich gute körperliche Voraussetzungen», erinnert sich der Modellathlet. «Ich habe eine sehr grosse Lunge. Das habe ich von meinen Eltern.» Er gibt aber zu, dass es schon ein wenig verrückt sei, erst mit mehr als 20 Jahren mit dem Langlaufen anzufangen.

«Langläufer haben Biathleten immer ein wenig belächelt»

Aber eben, Simmen ist bekanntlich auch aussergewöhnlich neugierig und dazu ehrgeizig. Im Langlauf schaffte er es bis ins B-Kader von Swiss-Ski, ehe er von einem Mittelfussbruch und dann vom Pfeifferschen Drüsenfieber ausgebremst wurde.

Damit war seine Sportler-Karriere im Prinzip bereits wieder vorüber – bis ihm vorgeschlagen wurde, es doch mal mit Biathlon zu versuchen. Die Faszination war in jener Zeit aber noch überhaupt nicht da. «Als Langläufer haben wir die Biathleten immer ein wenig belächelt», erinnert sich Simmen. Dazu kam, dass Biathlon damals in einem eigenen Verband organisiert war und in der Schweiz als absolute Randsportart konstant mit Geldproblemen kämpfte.

Olympia 2002 wird zum Desaster

Ohne grosse Erwartungen versuchte sich der Urner also im Biathlon, im stolzen Sportler-Alter von fast 28 Jahren. Dennoch schaffte er völlig überraschend bereits 2002 die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Salt Lake City.

Die Spiele im Bundesstaat Utah wurden allerdings mit den Plätzen 67 und 78 zum Desaster. «Es gab entsprechend mediale Haue. Das hat mich damals auch persönlich sehr getroffen», blickt Simmen zurück. «Die Kritik war sportlich berechtigt, aber auch unfair, wenn man unsere Umstände anschaut.»

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Das 2002 in Salt Lake City noch blonde Haar hat mittlerweile eine andere Farbe.Bild: EPA AFPI

In der Schweiz gab es keine Trainingsmöglichkeiten für die Biathleten. «Wenn ein Schwimmer in der Schweiz kein Schwimmbassin hat, kann man von ihm auch keine Weltklasse-Leistungen erwarten», vergleicht Simmen.

Anzug selber bezahlt

Er erinnert sich mit einem Lachen an diese Zeit. «Ich war mir vom Langlauf gewöhnt, mit einem ganzen Sack an Ausrüstung nach Hause zu gehen. Beim ersten Biathlon-Zusammenzug erhielten wir einen Plastiksack mit einem Dress und einer Brille – und mussten dafür noch hundert Franken bezahlen.» Die Rettung kam durch die Integration des Biathlons, der international nicht durch die FIS organisiert wird, beim Schweizer Skiverband Swiss-Ski, auch wenn die Begeisterung dort zunächst nicht gross war.

Ein Glücksfall war dann Simmens Podestplatz im Februar 2006 in Hochfilzen. Mit der hohen Startnummer 63 belegte er in einem Sprint hinter den Stars Ole Einar Björndalen und Michael Greis den 3. Platz – notabene nach einem am Vortag eingefangenen Hexenschuss. Erstmals stand ein Schweizer Biathlet im Weltcup auf dem Podest, in der Heimat gab es sogar einen Empfang für Simmen.

Winner Ole Einar Bjoerndalen from Norway, center, is flanked by runner-up Michael Greis from Germany, left, and Matthias Simmen from Switzerland who placed third as they stand on the podium after the  ...
Plötzlich auf dem Podest: Simmen (rechts) neben Björndalen (Mitte) und Greis.Bild: AP

Kein Bedauern

Auch mit den Olympischen Spielen sollte er sich noch versöhnen. Bei seiner dritten Teilnahme gab es 2010 in Vancouver den respektablen 9. Rang mit der Staffel.

Heute sind die Voraussetzungen für die Schweizer Biathleten ganz andere. «Amy Baserga oder Niklas Hartweg haben schon mit dem Luftgewehr angefangen zu schiessen und sind dann zum Kleinkaliber gekommen», erklärt Simmen. «Die haben schon als Kinder intuitiv Dinge aufgenommen.»

Bereut er, dass er seinen Sport nicht in professionelleren Strukturen ausüben konnte? Simmen überlegt kurz und sagt dann bestimmt: «Hey, das bringt ja nichts. Ich bin einfach froh, dass die Sportart da ist, wo sie jetzt ist, und ich ein bisschen dazu beitragen konnte.»

Matthias Simmen, expert for Swiss tv SRF, pictured at the IBU Biathlon World Championships, on Tuesday, February 11, 2025, in Lenzerheide, Switzerland. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Simmen an seinem temporären Arbeitsplatz im Bündnerland.Bild: keystone

Ferientage kein Opfer

So konnte auch er dem Sport verbunden bleiben. Simmen arbeitet mittlerweile bei der Bundeskriminalpolizei in Bern, für die Biathlon-Übertragungen muss er jeweils Ferien nehmen – und tut dies gerne. «Es ist diese Kombination aus der sehr physischen Komponente beim Langlaufen, der Technik, dem Talent und der mentalen Stärke, die du beim Schiessen brauchst, die die Faszination des Biathlon ausmacht.»

Dank Matthias Simmens Erklärungen im Fernsehen verstehen das auch mehr und mehr Schweizer. (ram/sda)

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