Die traditionsreiche Vierschanzentournee ist, von den Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften abgesehen, die prestigeträchtigste Veranstaltung im Skispringen. Das Schweizer Team hat bei der aktuellen Ausgabe, die vor Silvester in Oberstdorf begann und am Dreikönigstag in Bischofshofen endet, bloss eine Statistenrolle.
Mit Gregor Deschwanden ist nur ein einziger Schweizer dabei und auch das mehr schlecht als recht. Die Qualifikation für den Wettkampf schaffte der Luzerner zwar jedes Mal, aber lediglich beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen holte er mit Rang 21 Weltcup-Punkte. In Oberstdorf und Innsbruck verpasste Deschwanden den Finaldurchgang der besten 30, beide Male wurde er 37.
In diesen Regionen klassieren sich derzeit auch zwei Schweizerinnen im Weltcup. Kometenhaft ist ihr Aufstieg also nicht, aber der Blick auf ihre Jahrgänge lässt hoffen. Die Glarnerin Emely Torazza wurde im November erst 18 Jahre alt, Sina Arnet aus Engelberg wird in diesem Sommer volljährig.
Nach vier Saisons, in denen es überhaupt keine Schweizerin mehr im Weltcup gab, halten die beiden Talente das Fähnchen in diesem Winter hoch. Arnet hatte es bereits Ende der vergangenen Saison zwei Mal in die Punkte geschafft, heuer ist ein 21. Rang ihr Bestresultat. Torazza gewann am Neujahrstag im slowenischen Ljubno zum ersten Mal in ihrer Karriere Weltcuppunkte.
Auf der zweithöchsten Stufe, dem Continental Cup, deutete Arnet ihr Potenzial vor Weihnachten mit zwei zweiten Plätzen an, zudem gewann sie im letzten Winter die Bronze-Medaille beim Olympischen Festival der Europäischen Jugend (EYOF) in Finnland. Torazza nahm dort ebenfalls teil und stand bei Wettkämpfen unterhalb der Weltcup-Ebene schon mehrmals aufs Podest.
Als Kind habe sie in Engelberg stets die Schanze gesehen und deshalb schon als kleines Kind gesagt, sie wolle Skispringerin werden, sagte Arnet einst im SRF. Begonnen hatte sie als Achtjährige. Der ewige Traum der Menschheit vom Fliegen liess sie seither nicht mehr los. «Es macht fast schon süchtig», verriet sie in der Obwaldner Zeitung. Sie könne davon nicht genug bekommen.
Im Visier hat Sina Arnet die Olympischen Winterspiele 2026. Wenn in Predazzo um die Medaillen gesprungen wird, wird sie mit 20 Jahren zwar immer noch jung sein, aber auch bereits erfahren auf höchster Stufe.
Emely Torazza sorgte im Sommer unfreiwillig für Aufsehen, als sie in Klingenthal schwer stürzte. Sie prallte kopfvoran in den Hang und rutschte danach den Auslauf hinunter. Glück im Unglück: Die Athletin aus Schwanden zog sich dabei lediglich eine Hüftprellung zu.
Nur eine Woche nach dem Sturz wagte sich Torazza wieder über eine Schanze. Wie sagte ihre Kollegin? Das Fliegen sei wie eine Sucht.
Zuletzt war Frauen-Skispringen in der Schweiz eine Familien-Angelegenheit. Zwischen 2011 und 2017 nahmen die Schwestern Sabrina und Bigna Windmüller im Weltcup teil. Sabrina gewann sogar ein Weltcupspringen – wenngleich dies ein Ausreisser nach oben war – und Bigna wurde einmal Dritte. Seither gab es keine Schweizerinnen mehr, die sich mit den besten der Welt massen.
Die ganz grossen Schweizer Skisprung-Zeiten, als Simon Ammann den Gesamtweltcup gewann und gar einmal vor Andreas Küttel einen Swiss-Ski-Doppelsieg feierte, kehren womöglich nie wieder zurück. Es war eine wohl einmalige Situation, dass das Land gleich über zwei Weltklasse-Springer verfügte.
Ganz so weit sind Sina Arnet und Emely Torazza noch nicht. Aber ihre Leistungen lassen hoffen. Am Neujahrstag, als beide in den Weltcuppunkten landeten, konnte sich keine einzige Konkurrentin vor dem Duo klassieren, die jünger ist.
Und vielleicht stossen auch bei den Männern wieder neue Talente an die Spitze vor. An den EYOF in Lahti gewannen Arnet und Torazza mit Lean Niederberger (20) und Yanick Wasser (18) im Mixed-Team-Springen Bronze.