Der gestrige Slalom am Gudiberg im bayrischen Garmisch-Partenkirchen war in jeder Hinsicht speziell. Nicht nur, dass aufgrund der warmen Temperaturen die Piste extrem weich war und deshalb rasch fast gletscherspaltentiefe Gräben entstanden. Nein, gestern wurde auch ein kleines Stück Skigeschichte geschrieben.
Henrik Kristoffersen gewann das Rennen überlegen. Es war der erste Weltcupsieg in der Geschichte der neuen Skimarke Van Deer, die vom früheren Weltcup-Dominator Marcel Hirscher entwickelt wurde. Über das Projekt sind allerdings nicht alle erfreut – insbesondere in Österreich. Das steckt dahinter.
Van Deer ist der Name der Skimarke, die vom früheren österreichischen Spitzenfahrer Marcel Hirscher gegründet wurde. Im September 2021 stellte er die Skis erstmals vor. Ein Jahr später startete erstmals ein kleines Racing-Team mit der Marke in den Skiweltcup. Das «Van» im Namen ist eine Anlehnung an die niederländische Herkunft von Hirschers Mutter. «Deer» steht für Hirsch.
Das bekannteste Gesicht im Ski-Weltcup ist natürlich Henrik Kristoffersen. Der Norweger durfte im vergangenen Frühling die Hirscher-Ski testen und war nach zwei Tagen sofort überzeugt. Neben Kristoffersen fahren auch Landsmann Timon Haugan, der Brite Charlie Raposo und der österreichische Freerider Tobi Tritscher auf diesen.
Zum Team der Skiherstellung gehören auch Hirschers Vater Ferdinand, der als Berater amtet, und Bruder Leon, der ausgebildeter Skibauer ist.
Weltcup-taugliches Skimaterial zu entwickeln, ist natürlich nicht ganz günstig. Dafür hat Marcel Hirscher einen zahlungskräftigen Sponsor gefunden. Im Sommer stieg der Salzburger Getränkehersteller Red Bull bei der Mannschaft ein. Das erleichterte nicht nur den Aufbau des Racing-Teams, sondern sorgte auch dafür, dass Van Deer die Produktion ausbauen konnte. So heisst die Marke neu «Van Deer Red Bull Sports».
Wer die bisherigen technischen Weltcup-Rennen geschaut hat, dem dürfte aufgefallen sein, dass auf den Van-Deer-Skis keine Logos zu sehen sind. Dieses muss nämlich während der Rennen abgeklebt sein. Der Grund: Neben Hirschers eigenem Logo ist darauf auch der Red-Bull-Stier zu sehen, und das taxiert der Internationale Skiverband (FIS) als unerlaubte Werbung.
«Da gibt es Diskussionen, es ist Politik», zeigte sich Hirscher beim Saisonauftakt in Sölden etwas verärgert. Gleichzeitig blieb er optimistisch, dass man sich mit der FIS bald einigen könnte, und die Skis nicht mehr abkleben müsse. Doch bis heute wurde keine Einigung gefunden.
Die Hirscher-Familie verfügt schon über sehr viel Wissen, doch das reicht nicht, um im Weltcup als Racing-Team zu bestehen. Mit dem Geld von Red Bull im Rücken kaufte sich der achtfache Gesamtweltcupsieger das nötige Know-how zusammen.
Der langjährige Sportdirektor des Österreichischen Skiverbands (ÖSV) Toni Giger ist Teil des Van-Deer-Teams. Zudem wurde Niki Hackl, der als Mastermind der Forschungs- und Entwicklungsabteilung beim ÖSV galt, abgeworben. Daneben hat Hirscher seinen früheren Servicemann Edi Unterberger ins Team geholt und bei den Landsfrauen Katharina Liensberger und Nicole Schmidhofer die Servicemänner Raphael Hudler und Bernhard Arnitz abgeworben.
«Es war sicher nicht die feine Art, gewisse Leute abzuwerben», sagte etwa der ÖSV-Slalomspezialist Marco Schwarz. «Wir haben niemanden abgeworben. Jeder kam aus freien Stücken zu uns. Wir tragen Positives bei, nehmen einen Haufen Kohle in die Hand und machen den Skisport interessant», konterte Van-Deer-Geschäftsführer Dominic Tritscher.
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Die Athleten in Hirschers Team schwärmen natürlich von ihrem neuen Material. Salomon-Rennsportleiter Matthias Lanzinger meint jedoch, dass damit kaum grosse Vorteile geschaffen werden: «Alle Marken sind auf hohem Niveau, es gibt keine, die sich weit abhebt wie in der Formel 1 oder MotoGP. Der Athlet macht den Unterschied.»
Der frühere Spitzenabfahrer Hannes Reichelt findet den Hype um den Hirscher-Ski etwas übertrieben: «Am Ende bauen Hirscher und Van Deer nur die Bretter. Die restlichen Teile wie Skischuhe oder Bindung kaufen sie zu. Das ist viel einfacher, als das ganze Paket zu produzieren.» Zudem sei es im technischen Bereich viel einfacher, einen schnellen Ski herzustellen. Bei den Speed-Disziplinen sei dies viel schwieriger.
Der Weltcup-Einstieg von Van Deer wird mehrheitlich positiv angesehen. «Es ist ein Verdrängungswettbewerb, der Kuchen wird nicht grösser. Es fordert die etablierten Hersteller, innovativ zu bleiben», erklärt Matthias Lanzinger. Davon profitiere der gesamte Sport. Hirschers Landsmann Stefan Brennsteiner, der auf Atomic unterwegs ist, scherzte zum Saisonstart: «Ich hoffe nicht, dass sie was finden, dass sie eineinhalb, zwei Sekunden schneller fahren. Aber für uns Athleten ist das natürlich auch interessant zu beobachten.»
Darauf deutet momentan wenig hin. Wie Matthias Lanzinger sagt, ist der Fahrer oder die Fahrerin am Ende wichtiger als das Material. So wird der Ski-Weltcup weiterhin von Head, Atomic und Rossignol dominiert. Van Deer bewegt sich dank Kristoffersen auf ähnlichem Niveau wie Fischer, Salomon oder Dynastar.
Am besten hat der Van-Deer-Ski bislang auf weichem, sulzigem Schnee funktioniert. Henrik Kristoffersen muss man also auch am Wochenende in Adelboden auf der Rechnung für einen Spitzenplatz haben.
Schlussendlich war Kristoffersen aber auch ohne Van Deer-Skis schon einer der Top-Fahrer. Dass er es mit der neuen Marke auch ist, verwundert mich nicht.
Mir nicht sonderlich sympathisch diese Marke. Das Getränk übeigens auch nicht, wääh...