Vincent Kriechmayr vor Beat Feuz und Dominik Paris, Marco Odermatt als Vierter knapp neben dem Podest. Das war das Ergebnis der Lauberhorn-Abfahrt 2022 und es war eines mit einer brisanten Vorgeschichte. Im «Blick» erinnerte sich der Österreicher Kriechmayr nun an diesen Sieg und die grosse Debatte, die es um ihn gab.
Zur Erinnerung: Der Österreicher hatte die beiden offiziellen Trainings nach einem positiven Corona-Test verpasst. Er durfte dann trotzdem zum Rennen starten, weil der Weltverband ihm eine Ausnahmebewilligung erteilte. Es reiche, wenn Kriechmayr am Tag des Rennens eine Art Training mache, sagte FIS-Renndirektor Markus Waldner. Er solle einfach starten und dann gleich wieder abschwingen. Das zähle dann wie eine reguläre Trainingsfahrt, die Bedingung ist für einen Start im Rennen.
«Jeder andere wäre in meiner Situation auch gefahren, wenn er diese Erlaubnis erhalten hätte», kommentierte Kriechmayr.
Es folgten in der verkürzten Abfahrt in Wengen Rang 12 – und tags darauf auf der Originalstrecke der Sieg. Aber es war ein Erfolg, über den sich Kriechmayr nur eingeschränkt freuen konnte, wie er nun bei der Rückkehr ins Berner Oberland sagte.
«Das war vermutlich mein traurigster Sieg», so der 31-jährige Kriechmayr im «Blick». «Das Glücksgefühl, das man nach einem solchen Erfolg im Normalfall hat, wurde mir an diesem Tag genommen, weil die Verantwortlichen vom Schweizer Ski-Verband richtig schlechte Stimmung gegen mich gemacht haben.»
Dass ausgerechnet ein Fahrer aus dem Land des Ski-Erzrivalen von einer Ausnahmeregelung profitierte und die einheimischen Asse schlug, kam nicht überall gleich gut an. Während Kriechmayrs Fahrt waren ebenso Buhrufe zu vernehmen wie bei der Siegerehrung.
Marco Odermatt, der einen Podestplatz um zwei Hundertstel verpasste, sprach damals von einer «Grauzone» und dem «Worst-Case-Szenario», das mit dem Sieg des Österreichers eingetroffen sei. Mit diesem verhinderte er einen Triumph von Beat Feuz. Der zweitplatzierte Emmentaler hingegen meinte, Kriechmayrs Sieg habe für ihn «absolut keinen faulen Nachgeschmack».
Für Kriechmayr, den amtierenden Abfahrts- und Super-G-Weltmeister, hatte ohnehin alles seine Ordnung. «Gemäss meinen Informationen hat bei der offiziellen Mannschaftsführersitzung kein Schweizer Funktionär protestiert, als ich diese Sondererlaubnis von der Rennleitung der FIS erhalten habe.»
Auch nach seinem 12. Rang in der verkürzten Abfahrt habe niemand etwas einzuwenden gehabt. «Aber mein Sieg in der Originalabfahrt wurde dann als einer der grössten Skandale der Ski-Geschichte bezeichnet. Das hat mir richtig wehgetan.»
Für ihn sei ein «Skandal» etwas von anderer Kragenweite. Kriechmayr erinnerte an zwei schwere Unfälle. 2001 war der Bündner Silvano Beltrametti in Val d'Isère gestürzt, seither ist er an den Rollstuhl gefesselt, weil ihn das Fangnetz nicht aufgehalten hatte. «Zwanzig Jahre später ist meine Landsfrau Nicole Schmidhofer am selben Standort wieder im Wald gelandet. Dass solche traurigen Vorfälle mit meinem Sieg gleichgesetzt wurden, finde ich richtig schlimm und unfair.» (ram)