Bei Tom Neuwirth ist der Gegensatz Programm, und das durchaus gewollt. Oder wie es die Kollegin Simone Meier formuliert hat: Mit der «Frau mit Bart» hält die Philosophie Einzug am ESC. Das manifestiert sich augenscheinlich nicht nur in der Gesichtsbehaarung, sondern auch in der Namenswahl.
Conchita Wurst. Klingt erst nach Kolumbien, trifft dann aber im Kern Kärnten. Österreichs ESC-Hoffnung hätte auch Hans Seniora heissen können. Dieser Künstlername bleibt hängen, lädt zum Hinterfragen ein, polarisiert. Er ist aber auch ein Fettnäpfchen. Für Journalisten.
Wie, Journalisten? Die Unfehlbaren? Beliebt wie sie sind? Ja, selbst diese Gattung ist am Ende nur menschlich, macht Fehler, mitunter gar viele. Hier auch. Mir wird das in jeder Konferenz mit unserem Chefredaktor bewusst, glauben Sie mir.
Manchmal sitzt also so eine arme Wurst wie ich vor dem Computer und muss gute Nachricht von der ESC-Front unters Volk bringen – Österreich und die Schweiz sind ins eurovisionäre Festland vorgedrungen, wobei ein transsexuelles Wesen die Speerspitze bildet.
Und was titelt der Wiener Kurier?
Gut, dass bei diesem Künstlernamen Schindluder getrieben wird, war klar. Nur hat der Titel einfach kein Fleisch am Knochen – es geht aber auch trivialer, wie ein deutsche Vertreter unter Beweis stellt.
Österreicher, Deutsche – was für Barbaren! Und wozu in die Ferne schweifen, wenn auch der helvetische Berichterstatter frohe Kunde zu vermelden hat? Hier in der Schweiz singt für Sie das Niveau, wie jedermann weiss.
Wie Sie sehen, sehen Sie nichts! Hier singt nicht das Niveau, hier sinkt es. Tröstlich fast schon der «Blick», der trotzig titelt, wir wären Europa doch nicht Wurst und per Bildmontage den versöhnlichen Schulterschluss mit dem neu gekürten Final-Favoriten aus dem Nachbarland sucht.
Beim Boulevard rechnet allerdings ja auch niemand mit einem Gedicht als Überschrift. Bei der NZZ schon. Manchmal haftet ihr der Geruch einer lebenserfahrenen Studienrätin an, die altväterliche Witze macht.
Aber wer das behauptet, ist wohl nur neidisch. Und was weiss ich schon, ich bin doch bloss die arme Wurst von watson. Sie mögen mir Unzulänglichkeiten bitte nachsehen.
Nachtrag: Online setzt der Tagi noch einen drauf. Faszinierend, um es mit Spock zu sagen. Werden wir Samstagmorgen lesen müssen: «Heute geht es um die Wurst?» In irgendeiner deutschsprachigen Publikation bestimmt, vielleicht ja sogar hier.