Die WM in England 1966 ist für lange Zeit das letzte Turnier, für das sich die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft qualifizieren kann. Mit der nächsten Turnierteilnahme sollte es erst 1994 wieder klappen. Nahe dran ist die Nati aber bereits anfangs der 80er-Jahre, als unter Trainer Paul Wolfisberg eine neue Welle der Begeisterung durchs Land schwappt.
Wolfisberg, als Spieler und Trainer eine Legende des FC Luzern, übernimmt die Nati Ende März 1981 und führt sie gleich zu einem 1:0-Auswärtssieg über die Tschechoslowakei. Nach diesem Freundschaftsspiel holt die Nati einen Monat später in der WM-Qualifikation gegen Ungarn ein 2:2, um wiederum vier Wochen später in Basel das grosse England zu empfangen.
40'000 Fans strömen ins Joggeli und sie sehen eine Schweizer Mannschaft, die von Anfang an beherzt ans Werk geht. Von einem «zerhackten, rüden Kampf» berichtet die mittlerweile verschwundene Fachzeitung «Sport», wobei vor allem die Engländer «mit einer von ihnen schon lange nicht mehr gesehenen Entschlossenheit und unerbittlichen Härte im Tackling» in die Partie gingen.
Die Schweizer gehen – unschweizerisch effizient – nach einer halben Stunde in Führung. Nach dem Doppelschlag von Fredy Scheiwiler und Claudio Sulser innerhalb von 108 Sekunden steht es nach einer halben Stunde 2:0 für die Rot-Weissen. «Im Stile einer cleveren, kalten Profimannschaft», so der «Sport», hätten die Schweizer die Führung über die Zeit gerettet.
Das Blatt zählt die Gründe auf: «Starke Abwehr, Disziplin, Konterchancen nützen.» Noch selten habe eine Schweizer Abwehr gegen einen Gegner dieses Formats 90 Minuten lang so diszipliniert, entschlossen, hart, hartnäckig und vor allem so konzentriert gespielt.
So kommt es zum ersten Sieg gegen das Mutterland des Fussballs seit 1947. «Und das muss man klar herausstellen: Die Engländer waren keine Ferienfussballer, sie nahmen das Spiel keineswegs auf die leichte Schulter», betonte der legendäre Sportjournalist Walter Lutz in seinem Bericht.
Bundesrat Kurt Furgler stürmt von der Tribüne in die Garderobe, um dem Team und dem neuen Trainer zu gratulieren. «Ich musste einfach jedem einzelnen sagen, wie toll er gekämpft und gespielt hat. Welche Freude macht einem da das Zusehen», strahlte Furgler.
Während der Bundesrat begeistert war, hielt es SFV-Generalsekretär Edgar Obertüfer nicht mehr aus vor Spannung. «Bleich irrte er durch die Gänge des Stadions, verschwand zwischendurch in der Toilette, um Wasser in die ausgetrocknete Kehle zu giessen», heisst es im «Sport»-Artikel. Nach dem Spiel war Obertüfer klar: «Dieser Sieg heilt manche Wunde, die unserem Fussball in den letzten Jahren geschlagen wurde.»
Erfolgstrainer Wolfisberg genehmigt sich nach der Heimfahrt in einer Luzerner Bar noch einen «Schlummi», ist um 3 Uhr im Bett und gibt am Tag danach Auskunft. Dabei betont er, dass die Nati als verschworene Einheit aufgetreten sei; das sei einer der Schlüssel zum Erfolg gewesen.
In den künftigen Spielen wird die «Abbruch GmbH» immer mehr zum Synonym für die Nati, für das «Wolfsrudel» von Trainer Wolfisberg. Der im Hauptberuf als Architekt tätige Naticoach konstruiert ein Bollwerk um Andy Egli, Gianpietro Zappa, Heinz Lüdi, Charly In-Albon, Roger Wehrli und Herbert Hermann – knüppelharte Defensivspieler.
«Wolfisberg war für mich wie Wilhelm Tell», beschreibt Egli in der Biografie «Der Wolf». «Er verkörperte das Zuverlässige, Positive, aber auch das Mürrische und Verknorzte. Er strahlte eine grosse innere Kraft aus.» Wolfisberg wird nicht nur mit dem Schweizer Nationalhelden verglichen. Einmal erhält er in Thailand eine kostenlose Taxifahrt, weil ihm der Fahrer partout nicht glauben will, dass er nicht Schauspieler Bud Spencer ist.
Trotz der neu gewonnenen Stärke der Nati verpasst die Schweiz die Qualifikation für die WM 1982 ebenso wie jene für die EM 1984 und die WM 1986. Nebst dem Sieg gegen England ist ein 1:0-Auswärtssieg gegen den frischgebackenen Weltmeister Italien im Herbst 1982 der grösste Erfolg in der Ära Wolfisberg.
Paul Wolfisberg, dieser legendäre Schweizer Nationaltrainer, wird 87 Jahre alt. Er stirbt im Sommer 2020.