Nein, ein normaler oder sogar gewöhnlicher Torwart ist José Luis Chilavert sicher nicht. Das fängt schon bei seinem Äusseren an: Wie ein grimmiger Türsteher sieht der Paraguayer während seiner Karriere aus, einer, der die nächste Schlägerei schon herbeisehnt, um endlich seine Muskeln spielen lassen zu können.
Der 1,93 Meter grosse Brocken hat auch immer brav gefuttert für seine Figur. So soll die Waage im Jahre 2000 nach seinem Wechsel vom argentinischen Klub Velez Sarsfield zum französischen Verein Racing Strassburg bei seiner Ankunft 102 Kilogramm angegeben haben.
Luiz Felipe Scolari, damals Brasiliens Nationaltrainer, fordert aufgrund der rundlichen Figur von Chilavert seine Spieler im Vorfeld einer Partie deshalb auf, bei jeder Gelegenheit das paraguayische Tor ins Visier zu nehmen: «Schiesst, schiesst! Chilavert schleppt 400 Kilo reines Fett mit sich herum.»
Doch man würde dem Erbe Chilaverts Unrecht tun, wenn man sich nicht die tollen sportlichen Leistungen des Paraguayers ansehen würde. So wird der exzentrische Torhüter, der häufig wegen seiner cholerischen Art mit dem Gesetz in Konflikt kam und sogar mehrmals auf Bewährung verurteilt wurde, dreimal zum FIFA-Welttorhüter des Jahres (1995/1997/1998) gewählt.
Er besiegt mit Velez Sarsfield, wo Chilavert insgesamt neun Jahre (1991-2000) seiner Karriere verbringt und dort die grössten persönlichen Erfolge feiern darf, im Weltpokalfinal 1994 die grosse AC Milan, die im Finale der Champions League Barcelona 4:0 abfertigte. Ausserdem gewinnt er im selben Jahr die Copa Libertadores.
Doch berühmt machen ihn nicht seine Titel, sondern seine Tore. Mehr als 60 erzielt er insgesamt in seiner 23-jährigen Karriere, die meisten davon per Freistoss. Seine Lieblingsposition ist dabei die – aus der Sicht des Schützen – rechte Seite, wo er mit seinem linken Fuss platziert, aber dennoch mit Wucht draufhält. Die Technik hat Chilavert übrigens geübt, indem er Cola-Dosen von der Latte herunterballerte.
Genau aus seiner bevorzugten Zone darf der Nationalheld Paraguays beim WM-Gruppenspiel gegen Bulgarien 1998 denn auch zum Freistoss antreten, nachdem der Bulgare Trifon Ivanov – auf dessen Konto die wohl schlimmsten Panini-Bilder aller Zeiten gehen – sich nur noch mit einem Foul behelfen kann.
Chilavert sieht den Moment gekommen, um sich einen fixen Platz in der Fussballhistorie zu sichern, welchen er mit einem Tor auf sicher hätte. Noch nie hat nämlich ein Torwart bei einer WM ein Tor aus dem Spiel heraus erzielen können.
Der Paraguayer trifft zwar satt die Kugel, welche darauf schön auf die Torwartecke zusteuert, doch der bulgarische Berufskollege Zdravko Zdravkov lässt sich nicht überraschen und lenkt den Ball knapp über die Latte. Auch an der WM 2002 gelingt es Chilavert nicht, ein Tor zu erzielen.
Zwischenzeitlich hatte Chilavert andere Pläne. Er wollte nämlich Präsident seines Landes werden. Dabei ist er aber mehr als einmal gescheitert.