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Nationalbank senkt Zinsen noch schneller – was das für die Miete heisst

epa11692064 Chairman of the Governing Board of the Swiss National Bank (SNB), Martin Schlegel, addresses the media at a press conference regarding a new series of banknotes, in Bern, Switzerland, 30 O ...
Hält Rückkehr zu einem negativen Leitzins nicht für ausgeschlossen: Nationalbank-Chef Martin Schlegel.Bild: keystone

Nationalbank senkt Zinsen noch schneller – was das für deine Miete bedeutet

Die Zinsen sinken stärker als bislang gedacht – und sogar Negativzinsen sind wahrscheinlich, wenn dieses Szenario eintrifft.
10.12.2024, 07:36
Niklaus Vontobel / ch media
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Die Zinsen fallen und fallen. Die grosse Frage ist nun, wie schnell und wie tief die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Leitzins noch senken wird. An welchem Punkt beendet der neue SNB-Chef Martin Schlegel die laufende Zinswende nach unten?

Die Banken wissen es auch nicht, müssen aber dennoch handeln und zum Beispiel neue Hypotheken vergeben. Also wetten sie an den Zinsmärkten ständig darauf, wo dieser Tiefpunkt erreicht sein wird. Und da zeigt sich: In letzter Zeit sind die Banken immer weiter nach unten gegangen.

Heute tippen sie darauf, dass Schlegel den Leitzins viel tiefer senkt, als sie dies vor wenigen Wochen für möglich gehalten hätten. Und was die Banken über die Zinswelt von morgen denken, hat schon heute Folgen für ihre Kunden, vor allem für Hypothekarschuldner.

Der Reihe nach. Laut den Ökonomen der Raiffeisenbank ist eines so gut wie sicher: Am Donnerstag, wenn Schlegel zum letzten Mal in diesem Jahr zu einer Lagebeurteilung lädt, wird die SNB den Leitzins herabsetzen. Raiffeisen rechnet mit einer Senkung von aktuell 1 Prozent auf noch 0,75 Prozent. An den Zinsmärkten erwarten jedoch viele, dass Schlegel gleich auf 0,5 Prozent hinuntergeht.

Noch wichtiger ist jedoch: Mittlerweile glauben viele Banken, dass der Leitzins nächstes Jahr sogar auf null Prozent fällt. Das ist neu. Noch vor wenigen Monaten glaubten die wenigsten Banken, dass Schlegel so tief hinabgehen könnte. Nun glauben viele, dass er es tun muss. Nur mit einem Leitzins von null Prozent kann er verhindern, dass die Inflation negativ wird und die Preise ständig weiter sinken. Darüber würden sich zwar die Konsumenten freuen, aber für die Unternehmen wäre es eine schwere Last und könnte sie zu Entlassungen zwingen.

«Das bringt schon dieses Jahr eine schnelle Entlastung für die Hypothekarnehmer.»
Raiffeisen-Ökonom Alexander Koch.

Und diese neue Wette darauf, dass der Leitzins im Jahr 2025 auf null Prozent fällt, hat schon jetzt Folgen, wie der Raiffeisen-Ökonom Alexander Koch schreibt. «Die Zinsen von Festhypotheken purzeln.» So seien 5-jährige Festhypotheken im Frühjahr 2023 noch für leicht über 3,0 Prozent angeboten worden, zuletzt wieder für unter 1,5 Prozent. «Das bringt schon dieses Jahr eine schnelle Entlastung für die Hypothekarnehmer.»

Mietende könnten sogar zweimal einen Anspruch auf Senkung bekommen

Das bleibt nicht die einzige Folge. Der Kauf von Immobilien wird wieder lohnender – und die Preise steigen, also jene von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen. So gewinnt der Boom wieder an Wucht, nachdem ihn die höheren Zinsen zwar nicht gestoppt, aber doch geschwächt hatten. Nun könnten die Schweizer Immobilienpreise im internationalen Vergleich besonders stark steigen. Koch: «Die Attraktivität von Immobilien nimmt schneller zu als in den meisten anderen Ländern.»

Auch für die Mietenden werden die Zinssenkungen spürbare Folgen haben. Tut Schlegel nächstes Jahr tatsächlich, worauf die Banken heute wetten, dann wird das durchschnittliche Zinsniveau aller laufenden Hypotheken sinken. Und zwar so sehr, dass der Referenzzinssatz für die Mieten in laufenden Verträgen nächstes Jahr sogar zweimal sinken könnte, wie Ökonom Koch schreibt. Ein Teil der Mieter hätte dann Anspruch auf eine Mietsenkung.

ARCHIV --- ZUM REFERENZZINSSATZ ALS BERECHNUNG DER MIETEN STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILD ZUR VERFUEGUNG --- Miethaus an der Scheuchzerstrasse im Zuercher Kreis 6 am Montag, 12. Dezember 2011. (KEYST ...
Miethaus in Zürich: Nächstes Jahr könnt ein Teil der Mieter Anspruch auf eine Mietsenkung haben.Bild: KEYSTONE

Das Bundesamt für Wohnungswesen hatte Anfang Dezember noch vermeldet, dass der Referenzzinssatz nicht gesunken sei. Es war aber sehr knapp. Anfang März dürfte es jedoch für eine erste Senkung reichen. Später im Jahr wäre laut Koch dann sogar eine zweite Senkung möglich.

Warum die Banken heute mit noch grösseren Zinssenkungen rechnen, zeigt sich an der Bank J. Safra Sarasin. Deren Ökonomen glauben, dass die SNB am Donnerstag gleich um einen halben Prozentpunkt senken wird, auf einen Leitzins von 0,5 Prozent. Und schon im Juni 2025 werde sie nochmals tiefer gehen, auf null Prozent.

Negativzinsen wären in einer Rezession sogar wahrscheinlich

Die SNB hat laut den Safra-Ökonomen keine Wahl. Die Inflation sei zu schwach, wie die neusten Zahlen wieder gezeigt hätten. Im November lag der Landesindex für Konsumentenpreise nur 0,7 Prozent höher als ein Jahr zuvor, schon zum dritten Mal in Folge unter 1 Prozent. Und der Trend zeigt klar nach unten.

Nächstes Jahr werden die Mieten nicht weiter steigen und mit dem sinkenden Referenzzinssatz später sogar sinken. Auch die Preise für Elektrizität sind gefallen. Im November sind die Konsumentenpreise schon gesunken. Geht es so weiter, hat die Schweiz bald wieder ein Jahr lang stagnierende Preise gehabt – und somit wieder eine Jahresinflation von null Prozent.

Zweitwohnungsbau in erhoeter Lage in Davos-Dorf, aufgenommen am Sonntag, 18. November 2007. (KEYSTONE/Arno Balzarini)
Wohnungen in Davos: Die Zinsen sinken – das heizt den Immobilienboom an.Bild: KEYSTONE

Auf die Inflation drückt auch der mässig gute Zustand der Wirtschaft. Diese könnte eigentlich mehr Waren und Dienstleistungen produzieren, doch die Nachfrage ist dafür zu schwach. Insbesondere die Industrie steckt seit Monaten in einer Rezession, unter anderem, weil mit Deutschland ein wichtiger Abnehmer kriselt.

Die SNB steht also unter Zugzwang. Sie muss der Wirtschaft nach Ansicht der Safra-Ökonomen rasch und mit Kraft unter die Arme greifen, ehe die Inflation allzu schwach wird. Darum müsse sie die Leitzinsen bis im Juni auf null Prozent senken. Danach sei auch ein negativer Leitzins nicht ausgeschlossen. Dies sei sogar wahrscheinlich, wenn die Schweiz in eine Rezession fallen sollte. Doch damit rechne man nicht, sondern mit einem moderaten Wachstum. Kürzlich hatte SNB-Chef Schlegel gesagt, eine Rückkehr zu Negativzinsen sei nicht ausgeschlossen.

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44 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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wurzeli
10.12.2024 07:49registriert April 2020
Fatale Entwicklung. Noch mehr Anlagegend drängt in den Immobilienmarkt, ergibt noch höhere m2-Preise, noch teureres Wohnen.
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44
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