Der Abschied war kurz und knapp. «Wir respektieren António Horta-Osórios Entscheidung und sind ihm für seine Führungsrolle bei der Festlegung der neuen Strategie, welche wir über die nächsten Monate und Jahre weiter umsetzen werden, zu Dank verpflichtet», heisst es in einer Mitteilung der Credit Suisse zum Rücktritt ihres Verwaltungsratspräsidenten.
Nur etwa acht Monate konnte sich der 58-jährige Portugiese auf dem Chefsessel der zweitgrössten Schweizer Bank halten. Ihm wurde zum Verhängnis, dass er zweimal gegen Quarantäne-Vorschriften verstossen hatte, in England und in der Schweiz. In erster Linie aber stolperte Horta-Osório über die Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität.
Der Quereinsteiger von der britischen Lloyds-Bank sollte die angeschlagene Credit Suisse neu aufstellen und den durch Skandale lädierten Ruf der Grossbank aufpolieren. In Interviews betonte er die persönliche Verantwortung, mit der er es selber offenbar nicht so genau genommen hat. Nun steht die CS erneut vor einem Scherbenhaufen.
Ein Nachfolger ist mit Axel Lehmann bereits ernannt. Er war zuvor beim Konkurrenten UBS tätig. Einmal mehr jedoch sorgt der Schweizer Finanzplatz für negative Schlagzeilen. «Die Credit Suisse hat die Deutsche Bank als jenes europäische Geldinstitut abgelöst, das nichts auf die Reihe kriegt», kommentierte die «Financial Times».
Die Schweizer Banken scheinen sich in einer Art Selbstzerstörungsmodus zu befinden. Seit einem Vierteljahrhundert werden sie durch Skandale und Turbulenzen erschüttert. In den meisten Fällen betraf es die beiden Grossen, doch selbst die biedere Raiffeisen, die Nummer 3 auf dem Bankenplatz Schweiz, blieb nicht verschont. Ein Überblick:
Die heutige UBS war 1997 durch die Fusion von Bankgesellschaft und Bankverein entstanden. Schon ein Jahr später «erwischte» es den ersten Verwaltungsratspräsidenten Mathis Cabiallavetta. Der Bündner stolperte über einen Verlust von fast einer Milliarde Franken, der durch das Engagement beim US-Hedgefonds LTCM entstanden war.
Sein Nachfolger Marcel Ospel bekam 2001 Ärger. Ihm und der UBS wurde vorgeworfen, das Grounding der Swissair verschuldet zu haben. Es war eine etwas simple und verkürzte Sicht auf die damaligen Vorgänge, doch die UBS galt als «Totengräberin» der nationalen Airline. Der eigentliche Tiefschlag aber erfolgte mit der Finanzkrise 2008.
Der ehrgeizige Basler Ospel hatte hohe Ziele. Er wollte die UBS zur weltgrössten Investmentbank machen. Entsprechend stark engagierte sich die Grossbank im Handel mit Ramschhypotheken in den USA. Als die Blase platzte, verlor Ospel seinen Job, und die UBS musste von Bund und Nationalbank vor dem Kollaps gerettet werden.
Der nächste Skandal folgte 2011, als der Trader Kweku Adoboli der UBS in London einen Verlust von rund zwei Milliarden Franken bescherte. Der damalige CEO Oswald Grübel (er war zuvor in gleicher Funktion bei der Credit Suisse tätig) trat zurück. Sein Nachfolger Sergio Ermotti machte die UBS zur weltgrössten Vermögensverwalterin für Privatpersonen.
Allerdings gilt die Grossbank als schwerfällig. Ermottis Nachfolger Ralph Hamers wurde deshalb vor allem engagiert, um die UBS zu «digitalisieren». Doch dem Niederländer droht ein Strafverfahren wegen Geldwäscherei bei seinem früheren Arbeitgeber ING. Eine erste Instanz hat ihn entlastet, doch ob er sich als UBS-CEO halten kann, ist ungewiss.
Die frühere Kreditanstalt ist so etwas wie die ewige Nummer zwei auf dem Schweizer Bankenplatz. Kritiker diagnostizieren bei ihr eine Art Minderwertigkeitskomplex. Durch die Finanzkrise kam sie einigermassen glimpflich, sie musste im Gegensatz zur UBS keine Staatshilfe in Anspruch nehmen. Seither allerdings häufen sich die Skandale.
Nach dem Kauf einer Steuer-CD durch das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen stand die CS im Fokus der Ermittlungen. Kritisiert wurde auch das zu starke Engagement im umstrittenen Investmentbanking, weshalb CEO Brady Dougan durch Tidjane Thiam abgelöst wurde. Dem Ivorer wiederum wurde eine Bespitzelungsaffäre zum Verhängnis.
Letztes Jahr folgten milliardenschwere Verluste durch die Engagements der CS beim US-Investmentfonds Archegos und beim australischen Finanzjongleur Lex Greensill. In beiden Fällen hatte die Risikokontrolle versagt. Verwaltungsratspräsident Urs Rohner übergab sein Amt im letzten April an António Horta-Osório, der nun gehen musste.
Die Raiffeisen-Gruppe hat sich zur Nummer 3 auf dem Schweizer Finanzplatz entwickelt. Sie profitierte vom Vertrauensverlust in die beiden Grossen und vom Bauboom in der Schweiz. Hinzu kamen die forschen Pläne von CEO Pierin Vincenz, der einen Teil der von der US-Justiz in die Mangel genommenen St.Galler Privatbank Wegelin aufkaufte.
Glücklich wurde Raiffeisen mit diesem Engagement nicht. 2018 wurde die neue Bank Notenstein an Vontobel verkauft. Zu jenem Zeitpunkt war Vincenz selbst ins Zwielicht geraten. Nächste Woche steht der Bündner in Zürich wegen gewerbsmässigem Betrug und anderen Anklagepunkten vor Gericht. Ihm droht eine mehrjährige Haftstrafe.
Ein Teil des Verfahrens betrifft seine privaten Eskapaden. Andere Raiffeisen-Manager stehen in dieser Hinsicht nicht besser da. Vincenz’ Nachfolger Patrik Gisel hatte ein Verhältnis mit Verwaltungsrätin Laurence de la Serna, und VR-Präsident Guy Lachappelle, der als «Aufräumer» angetreten war, stolperte über eine aus dem Ruder gelaufene Liebesaffäre.
Solche Zustände ausgerechnet bei der «Volksbank» Raiffeisen wirken irritierend. Doch auch andere Finanzinstitute sorgten in den letzten Jahren für Wirbel, etwa die Banca della Svizzera Italiana (BSI) in der Korruptionsaffäre um den malaysischen Staatsfonds 1MDB. Auch gibt es immer wieder Verdachtsfälle wegen Geldwäscherei.
Seit dem Vergleich mit Nachkommen von Holocaust-Opfern über 1,25 Milliarden Dollar 1998 in den USA haben sich zudem die Bussgelder summiert. UBS und CS haben allein in den USA Milliarden bezahlt, als Folge der Finanzkrise und Steuerstreits. In anderen Ländern gibt es ebenfalls Ärger. Zuletzt stand die UBS etwa in Frankreich vor Gericht.
Darunter hat nicht nur das Ansehen der Banker gelitten. Bis heute haben sich die beiden Grossen von der Finanzkrise und vor allem dem Ende des Bankgeheimnisses nicht erholt. Der Anteil der Banken am Bruttoinlandsprodukt sank in den letzten zehn Jahren von über acht auf rund 4,5 Prozent. Das entspricht ziemlich genau dem Anteil der Versicherer.
«Den Banken stehen herausfordernde Zeiten bevor», urteilte die NZZ vor bald drei Jahren. Daran hat sich nichts geändert, wie die jüngsten Turbulenzen am Paradeplatz zeigen.
DichterLenz
Rethinking
Solange das System nicht ändert, folgt einer auf den anderen…
Sherlock_Holmes
Die einzigen Reformationen beruhen auf regulatorischen Begrenzungen und einer unabhängigen, staatlichen Finanzkontrolle. Diese ist jedoch nur soweit wirksam, wie dies Gesetze und politische Interessen zulassen, bzw. durch äusseren Druck erzwungen wird.
Solange die Schweiz in gleichem Masse vom Finanzplatz abhängig ist, wird sich nichts daran ändern.
Die «im Innern morschen Goldzähne» werden nicht ausgerissen, sondern nur immer wieder saniert.