Als der Portugiese Antonio Horta-Osorio im April das Verwaltungsratspräsidium der Credit Suisse übernahm, versprach er einen Kulturwandel. Dieser war bitter nötig, denn unter seinem Vorgänger Urs Rohner war die Schweizer Grossbank mit Skandalen ins Zwielicht geraten. Der Quereinsteiger von der britischen Lloyds-Gruppe sollte «aufräumen».
Horta-Osorio legte die Latte hoch. Die Credit Suisse müsse «eine Kultur der persönlichen Verantwortung entwickeln, in welcher die Mitarbeiter genau wissen, was sie zu tun haben – und verantwortlich für ihr Handeln sind», sagte er im Interview mit der NZZ. Nun zeigte sich, dass der CS-Präsident seinen hohen Ansprüchen nicht gerecht wurde.
Ende November hätte sich der Portugiese nach der Ankunft aus England gemäss den damals gültigen Schweizer Vorgaben in Quarantäne begeben müssen. Nur drei Tage später reiste er jedoch weiter, obwohl er sich offenbar über die Regeln informiert hatte. Horta-Osorio entschuldigte sich und reichte bei der Staatsanwaltschaft St.Gallen eine Selbstanzeige ein.
Der CS-Verwaltungsrat beauftragte die Rechtsabteilung der Bank mit einer Untersuchung. Diese ergab gemäss Reuters, dass der Präsident einen weiteren Quarantäne-Verstoss begangen hatte. Als er Anfang Juli zum Wimbledon-Final nach London reiste, hielt er sich demnach nicht an die damals in Grossbritannien geforderte zehntägige Selbstisolation.
Nun soll auch dieser Vorfall untersucht werden. Auf den ersten Blick ist der Fall klar: Bei Antonio Horta-Osorio handelt es sich um den typischen Fall eines arroganten Topmanagers, der das Gefühl hat, Regeln würden nur für das «gemeine Volk» gelten. Zumindest aber widersprechen diese Verstösse den von ihm gesetzten moralischen Standards.
Bereits nach dem ersten Vorfall wurden in Schweizer Medien mehr oder weniger offene Rücktrittsforderungen formuliert, etwa in «Blick» und «CH Media». Mit Wimbledon ist für die Tamedia-Zeitungen das Mass voll. Horta-Osorio habe «seine Glaubwürdigkeit verspielt», heisst es. Angesichts seiner hohen Ansprüche bleibe ihm «nur der Rücktritt».
Es wäre ein rasanter Absturz. Allerdings haben seine Fehlleistungen die Bank bislang keinen Rappen gekostet. Deshalb lohnt sich ein Vergleich mit der zehnjährigen Amtszeit seines Vorgängers Urs Rohner, ebenfalls gemäss Tamedia:
Ebenfalls auf Rohners «Konto» gehen die dubiosen Kredite an Mosambik oder die Milliardenverluste für die CS mit den Skandal-Fonds Archegos und Greensill. Oder die Beschattung von Geschäftsleitungs-Mitgliedern, die den Suizid eines Beteiligten zur Folge hatte. Allein wegen dieser Affäre hätte Rohner eigentlich zurücktreten müssen.
Der frühere VR-Präsident habe vor allem die beiden CEOs Brady Dougan und Tidjane Thiam viel zu lange gewähren lassen, kritisierte etwa die NZZ. Trotz des enormen Reputationsschadens, den die CS mit ihm als oberstem Verantwortlichen erlitt, hielt sich Rohner bis zuletzt auf seinem Sessel. Die Schweizer Medien behandelten ihn meist gnädig.
Umso härter gehen sie mit dem Nachfolger ins Gericht. Über die Gründe kann man nur spekulieren. So wird vermutet, dass der heutige CEO Thomas Gottstein und sein Umfeld hinter den Enthüllungen stecken. Gottstein wolle «mithilfe seiner Getreuen den umstrittenen Chairman loswerden», schreibt das oft gut informierte Portal «Inside Paradeplatz».
Über einen Machtkampf der Bankenchefs wird seit einiger Zeit gemunkelt. Es kann sein, dass Horta-Osorio nicht zu halten ist. Am Ende aber entscheiden die Aktionäre, und mit Harris Associates hat sich ein Grosser hinter den Präsidenten gestellt. Man betrachte «diese kleineren Verstösse als reine Ablenkungen», sagte Anlagechef David Herro zu Reuters.
Der Fokus müsse auf dem Hauptproblem liegen: «Der Turnaround der Credit Suisse.» Offenbar traut man Antonio Horta-Osorio zu, dass er ihn hinbekommt. Vielleicht wird er auch diesen «Sturm» überstehen. Aber weitere Schnitzer kann er sich nicht erlauben.
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