Die Warnungen vor künstlicher Intelligenz sind zahlreich, und ihre Absender tragen schillernde Namen. Elon Musk zum Beispiel. Der Tech-Milliardär ist überzeugt, dass die künstliche Intelligenz (KI) die Menschheit dereinst auslöschen könnte, wenn sie nicht richtig reguliert werde. So weit gehen die beiden bekannten Ökonomen Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee nicht, sie prophezeien aber in ihrem Buch «The Second Machine Age» erhebliche Arbeitsplatzverluste.
Überflüssig zu werden – dies ist eine Angst, die auch viele Schweizer Arbeitnehmende plagt. In einer Studie des Beratungsunternehmens Deloitte gaben letztes Jahr 43 Prozent aller Befragten an, sie fürchteten, in den nächsten fünf Jahren ihren Job wegen des Einsatzes von KI zu verlieren. Über die Hälfte der Befragten blicken der KI-Revolution mit Angst oder einer Mischung aus Angst und Begeisterung entgegen.
Ist diese pessimistische Haltung angebracht? Eher nicht. Das geht aus einer Studie des skandinavischen Beratungsunternehmens Implement hervor, die der «Schweiz am Wochenende» exklusiv vorliegt. Die Forscher zeigen auf, dass die Gesellschaft wirtschaftlich von künstlicher Intelligenz profitiert, sofern man diese nicht überreguliert.
Die Studie wurde von Google in Auftrag gegeben und ist die erste, die sich vertieft mit dem Einfluss von KI auf die Schweizer Wirtschaft auseinandersetzt. Das Fazit: Die Einführung generativer KI wie ChatGPT und Co. kann innerhalb von zehn Jahren das Bruttoinlandprodukt um 80 bis 85 Milliarden Franken steigern. Das ist ein Zuwachs von stolzen 11 Prozent.
Der Mehrwert von 85 Milliarden Franken kommt durch die Produktivitätssteigerung der Arbeitnehmenden zustande. Der Betrag ist gewaltig, er entspricht dem 15-fachen des jährlichen Armeebudgets. Mit diesem Betrag könnte nicht nur eine 13. AHV-Rente finanziert, sondern die AHV aller Pensionäre mehr als verdoppelt werden. Hat die Schweiz in früheren Jahren von der sogenannten «Friedensdividende» profitiert, könnte sie künftig von der «KI-Dividende» noch mehr profitieren.
Im europäischen Vergleich schneidet die Schweiz besonders gut ab. Kein anderes Land hat ein so grosses Potenzial wie die Schweiz. Studienleiter Martin Thelle erklärt das mit der spezifischen Struktur der Schweizer Wirtschaft: «Die Finanzwirtschaft und die Pharmabranche machen einen grossen Anteil an der Wertschöpfung der Schweiz aus. Diese profitieren überproportional von den Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz.»
Vergangene industrielle Revolutionen wirkten sich vorwiegend auf tiefe Lohnklassen aus, auf Menschen, die mit Händen und Muskelkraft arbeiten. So veränderte die Einführung der Fliessbänder und Roboter den Arbeitsprozess in Fabriken. Künstliche Intelligenz hingegen automatisiert Denkprozesse und entfaltet damit ihren grössten Einfluss auf akademische Jobs in höheren Lohnklassen. Allerdings sind davon nicht alle Sektoren gleichermassen betroffen (siehe Grafik).
Die Informatik beispielsweise profitiert über die ganze Branche hinweg von generativer KI, da diese unter anderem auch selbstständig programmieren kann. Arbeitsplätze gehen hier aber nicht verloren, da Prozesse kaum gänzlich automatisiert werden können. In der Medien- und Unterhaltungsbranche hingegen gehen einige Arbeitsplätze verloren, ein Grossteil profitiert von der KI-Revolution und wird produktiver. Für ungefähr 20 Prozent hingegen verändert sich der Job durch generative KI aber nicht.
Noch einmal anders sieht es in Rechtsberufen aus. Während sich der Job von ungefähr 70 Prozent der Arbeitnehmenden verändert, lässt sich ein Grossteil der Arbeit der restlichen 30 Prozent automatisieren. Ihre Jobs sind gefährdet.
Ist also die Angst doch real, dass es zu Massenarbeitslosigkeit kommen könnte? Die Studie kommt zum Schluss, dass in den nächsten Jahren 8 Prozent aller Jobs wegfallen könnten, was ungefähr 400'000 Arbeitsplätzen entspräche. Das sei alles andere als dramatisch, findet Martin Thelle. In den vergangenen zehn Jahren habe die Schweizer Wirtschaft eine halbe Million neue Arbeitnehmenden beschäftigt. «Die Schweiz kann jene Leute, deren Jobs wegen KI verloren gehen, in neuen Funktionen in den Arbeitsmarkt integrieren», ist der Wirtschaftsforscher überzeugt.
Unterschiede gibt es zwischen den Geschlechtern – es besteht ein KI-Gendergap. So sind die Frauen einerseits weniger stark, andererseits mehr betroffen. Während 30 Prozent aller Männer keine berufliche Veränderung aufgrund künstlicher Intelligenz erwarten müssen, ist das nur bei 22 Prozent der Frauen der Fall. Hingegen dürfte der Job von 9 Prozent aller Frauen gänzlich automatisiert werden, während das nur bei 6 Prozent der Männer der Fall ist.
Der Grund liegt darin, dass mehr Männer beispielsweise im Baugewerbe einer körperlichen Arbeit nachgehen, auf welche künstliche Intelligenz so gut wie keine Auswirkung hat. Wohingegen mehr Frauen relativ einfache Bürojobs in der Administration ausüben.
Für die Studie haben die Autoren ungefähr 900 Jobs untersucht und diese in 40 Tätigkeitsfelder unterteilt. Jedes davon wurde hinsichtlich des Automatisierungspotenzials auf einer Skala von 1 bis 7 bewertet. Die ersten vier Stufen bedeuten, dass künstliche Intelligenz die Aufgabe gänzlich übernehmen kann; Stufe fünf und sechs, dass KI die Arbeit teilweise erledigen kann; und Stufe sieben, dass die Arbeit dem Menschen vorbehalten bleibt. Darauf basieren die unterschiedlichen Schlüsse zu den verschiedenen Branchen.
Zugutekommen der Schweiz insgesamt ihre herausragenden technischen Hochschulen. Neben den beiden ETH wird in der Studie auch das CERN in Genf erwähnt sowie das Swiss Supercomputing Center in Lugano, wo der potenteste Rechner Europas steht.
Christine Antlanger-Winter, die Chefin von Google Schweiz, sagt: «Die Schweiz hat eine ideale Ausgangslage, um das Potenzial von KI für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum auszuschöpfen. Das ist aber kein Selbstläufer. Wir müssen weiterhin in Forschung und Entwicklung investieren.» Gleichzeitig sei es wichtig, Transparenz, Fairness und Datenschutz sicherzustellen, um das Vertrauen der Bevölkerung zur KI zu stärken.
Damit künstliche Intelligenz rasch in den Arbeitsalltag der Schweizerinnen und Schweizer integriert wird, darf der Staat gemäss Thelle künstliche Intelligenz nicht überregulieren. Er sollte aber für klare Leitplanken sorgen, damit die Firmen ihre KI-Strategie langfristig aufgleisen können.
Gemäss der Studie verfügt die Schweiz prozentual zur Bevölkerung über die höchste Anzahl an KI-Unternehmen. Dennoch befinden sich alle Firmen im Ausland, die über ein eigenes sogenanntes Large Language Model verfügen. Ein solches ist die Grundlage für generative KI. Neben amerikanischen Unternehmen wie OpenAI, dem Unternehmen hinter ChatGPT, und Google trifft dies auch auf europäische Firmen zu - wie Aleph Alpha aus Deutschland und Mistral aus Frankreich. Ein Nachteil? Nicht unbedingt, findet Thelle. «Man muss die Infrastruktur für künstliche Intelligenz nicht zwingend im eigenen Land haben.» Viel wichtiger sei es, die neuen technologischen Möglichkeiten rasch zu antizipieren.
Denn die KI-Revolution vollzieht sich nicht automatisch. Verzögert sich die Einführung einer flächendeckenden Nutzung um fünf Jahre, so reduziert sich der Zuwachs des Bruttoinlandprodukts von 11 auf 3 Prozent. Damit schrumpft die KI-Dividende von 85 Milliarden auf 11 Milliarden. Thelle sagt dazu, ein Land müsse früh dran sein, «um den vollen Profit einzufahren».
Für Monika Rühl, die Direktorin von Economiesuisse, bedeutet das: «Entweder sichern wir uns den Vorteil und machen unseren Standort fit für die Zukunft. Oder der Zug fährt an uns vorbei und mit ihm die Chance für unseren Wohlstand.» (aargauerzeitung.ch/lyn)
1. KI ist heute grösstenteils mehrbessere Wahrscheinlichkeitsberechnung mit teils echt mieser Datengrundlage.
2. Für viele KMU ist heute noch ein Webauftritt, ein nicht verknüpftes ERP und Excel peak Digitalisierung.
Aber klar sagen Google und Co, dass KI quasi schon gestern alles verändert. Die investierte Kohle muss schliesslich wieder reingeholt werden. Also los, kauft euch den Schrott.