Der Rechtspopulist Jair Bolsonaro hat die Präsidentenwahl in Brasilien gewonnen. Der Ex-Militär kam auf 55,14 Prozent der Stimmen, wie das Wahlamt am Sonntag nach der Auszählung fast aller Stimmen mitteilte. Sein Gegner Fernando Haddad von der linken Arbeiterpartei erhielt demnach 44,86 Prozent.
Erster Verlierer der Wahl dürfte jedoch der Regenwald sein. Und von dieser Niederlage sind wir alle betroffen.
Denn Jair Bolsonaro macht sich nicht viel aus dem Regenwald. Der Rechtsextreme findet Landwirtschaft wichtiger als Umweltschutz. Vor seinem Wahlsieg hat er angekündigt, das brasilianische Umweltministerium in ein Agrarministerium umwandeln zu wollen.
Die Agrarunternehmer, die im brasilianischen Kongress ohnehin eine starke Lobby haben, wird das freuen. Mehr Anbauflächen, mehr Profit. Dabei hat die Abholzung im Amazonas-Regenwald bereits jetzt deutlich zugenommen. Auf den gerodeten Arealen entstehen Wasserkraftwerke und gigantische Felder für Soja. Das dient der Futterproduktion für Masttiere, womit wiederum Nachschub für den global steigenden Fleischkonsum geliefert wird.
Brasilien ist weit weg. Schade, wenn wieder eine Regierung in die Hände eines Rechten fällt und wieder ein Staatsoberhaupt auf die Umwelt pfeift, aber interessiert uns das wirklich? Nun, das sollte es, denn wenn der Regenwald fällt, wird die ganze Welt das zu spüren bekommen. Und in Brasilien stehen immerhin 60 Prozent des Amazonas-Waldes, der der grösste Regenwald der Welt ist. Hier zeigen wir dir fünf Gründe auf, warum die Tropen extrem wichtig sind.
Ohne Pflanzen auf der Erde würden wir ersticken. Sie nehmen das Kohlenstoffdioxid auf, das wir ausatmen und über Fabriken und Autos in die Luft blasen. Kohlenstoffdioxid (CO2) besteht aus zwei Elementen: Kohlenstoff und Sauerstoff. Pflanzen speichern Kohlenstoff und benutzen ihn zum Wachsen. Sauerstoff geben sie an die Luft ab.
In den Regenwäldern geschieht das im besonders grossen Stil. Der Amazonas-Regenwald ist für Kohlenstoff eine gigantische Senke – so nennt man Orte in der Natur, in denen sich ein Stoff niederschlägt und verbleibt.
Was passiert, wenn Brasilien weiter abholzt:
Der Amazonas-Regenwald ist nicht der einzige auf der Welt. Auch in Afrika und Asien gibt es grosse Tropengebiete (die aber ebenfalls von Abholzung bedroht sind). Aber die Amazonas-Region ist die grösste und deshalb sehr bedeutend.
Allzu schnell wird uns der Sauerstoff auf der Erde nicht ausgehen, aber wir müssen mit einer anderen schwerwiegenden Folge zurechtkommen: Je weniger Bäume in unseren Wäldern, desto weniger CO2 wird der Luft entzogen. Staut sich immer mehr von dem Gas in der Atmosphäre, verschlimmert sich der Treibhauseffekt und die Erde wird wärmer und wärmer. Die Folgen: Das Polareis schmilzt, es kommt zu heftigen Überschwemmungen, tödlichen Dürren, katastrophalen Stürmen.
Nicht nur indem sie der Atmosphäre Kohlenstoffdioxid entziehen, regulieren die Wälder das Klima.
Erwärmt die Sonne den Amazonas-Regenwald, verdunsten riesige Mengen Feuchtigkeit über Flüssen und Bäumen. Ein einzelner «schwitzender» Baum kann täglich 1000 Liter Wasser abgeben. Die Dunstwolken werden auch «fliegende Flüsse» genannt (WWF).
Sie ziehen als grosse Wolken in höhere Lagen und kühlen die Atmosphäre. Später regnen sie südlich des Amazonas wieder ab und sorgen auf diese Weise dafür, dass Böden fruchtbar bleiben – in Paraguay, Argentinien und Brasilien!
Was passiert, wenn Brasilien weiter abholzt:
Sie roden die Bäume, um mehr Landwirtschaft zu betreiben, dabei gefährden sie damit Landwirtschaft an anderer Stelle – unter anderem ihre eigene. Weniger Regen und Phasen extremer Trockenheit drohen. Nicht nur in Südamerika, manche Modelle sagen auch für Indien und die USA mehr Dürre- und Trockenperioden voraus.
Der Regenwald gilt als ein Kippelement für das sich ohnehin aufheizende Weltklima. Durch die Abholzung kann weniger CO2 aufgenommen werden. 2015/2016 wurde zum Beispiel durch den Waldverlust eine zusätzliche Kohlendioxidmenge freigesetzt, die dem Doppelten der jährlichen Emissionen von ganz Portugal entsprach. Zudem werden indigene Völker vertrieben.
Im Amazonas-Urwald leben schätzungsweise 2,5 Millionen Arten Insekten, Tausende Pflanzen, Vögel und Säugetiere. Die Anzahl an Arten, die dort allein bis 2005 mindestens klassifiziert wurden (Conservation Biology):
Was passiert, wenn Brasilien weiter abholzt:
All diese Arten, von denen viele nur im Amazonas-Gebiet leben, sind in Gefahr. Es würden Pflanzen und Tiere von der Erdoberfläche verschwinden, von denen uns nicht einmal klar war, dass sie existieren.
Die alten Völker im Amazonas-Gebiet kennen den Wald so gut wie niemand sonst. Im gesamten Urwald leben etwa drei Millionen Indigene aus über 340 verschiedenen Ethnien (WWF). Sie wissen zu schätzen, was der Wald ihnen gibt.
So mag es sich auch erklären, dass in den indigenen Territorien der Wald deutlich besser geschützt ist als ausserhalb. Die Artenvielfalt ist reicher. Indigene Völker könnten ein Schlüsselelement sein im Kampf gegen den Klimawandel (Environmental Defense Fund).
Was passiert, wenn Brasilien weiter abholzt:
Den Indigenen geht ihr ganzer Lebensraum verloren. Ihnen liefert der Wald Baumaterial, Nahrung und Medizin. Ganze Brauchtümer und Riten könnten verloren gehen. Bereits jetzt beobachten indigene Völker, dass sich der Wald aufgrund des Klimas verändert.
Jair Bolsonaro hat schon angekündigt, dass niemand damit rechnen müsse, dass er auch nur einen Quadratzentimeter abzwacken würde für die Indigenen (New York Times).
Es existieren noch andere Regenwälder, doch all die übrigen würden die Auswirkungen der brasilianischen Amazonas-Rodung nicht auffangen können. Man spricht in diesem Fall von «Kippelementen».
Dazu zählen beispielsweise das Abschmelzen des arktischen und antarktischen Eises sowie des grönländischen Eisschildes, Veränderungen in Monsunsystemen oder eben die Abholzung des Regenwaldes. Forscher gehen davon aus, dass das globale Klimasystem diese Veränderungen bis zu einem bestimmten Grad aushalten und ausgleichen kann.
Was passiert, wenn Brasilien weiter abholzt:
Kippt aber ein Element über eine kritische Grenze (etwa wenn zu viel Wald gerodet wird), folgen die anderen schnell und das weltweite Klimasystem bricht zusammen. Voraussichtlich können diese Umschläge plötzlich stattfinden und viele sind wahrscheinlich nicht mehr umkehrbar, wenn sie sich einmal ereignet haben (PiK-Potsdam).
Um dem klimatischen Teufelskreis zu entkommen, muss die Menschheit sofort aktiv werden. Nach Ansicht des Weltklimarates IPCC lassen sich die Risiken der Erderwärmung durch die Begrenzung auf 1,5 Grad einigermassen einschränken. Dieses Ziel könne aber nur durch einen raschen Wandel auf allen Feldern erreicht werden.
Die Politik bewegt sich derzeit nur schleppend. Aber du selbst kannst auch schon etwas bewirken.
(watson.de)