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14 Auswirkungen des Klimawandels auf die Schweiz

Wind power plants on Mont-Soleil mountain, Bernese Jura, canton of Berne, Switzerland, as seen from Chasseral mountain, pictured on August 12, 2013. (KEYSTONE/Christian Beutler)

Windkraftanlagen auf  ...
Ein Windpark im Berner Jura. Um die weltweite Klimaerwärmung unter 2 Grad zu halten, muss die Verbrennung fossiler Brennstoffe bis spätestens 2040 weltweit komplett eingestellt werden. Bild: KEYSTONE

14 Auswirkungen des Klimawandels auf die Schweiz

30.08.2016, 06:26
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Seit dem Beginn der systematischen Temperaturmessungen vor 136 Jahren war weltweit kein Monat wärmer als der Juli 2016. Die neun Monate zuvor stellten ebenfalls Hitzerekorde auf und 2016, das ist jetzt schon sicher, wird als wärmstes je gemessenes Jahr in die Geschichtsbücher eingehen. 

Die Rekordhalter zuvor? Die Jahre 2015 und 2014. Auch 2013 war ausserordentlich warm. Der Klimawandel ist real.

Die Klimaerwärmung als Zeitraffer

Doch was sind seine Auswirkungen? Worauf müssen wir uns in der Schweiz gefasst machen? Auf wenig Positives und viel Negatives. Denn die alte Mär, dass die Schweiz von der Klimaerwärmung profitieren werde, ist längst widerlegt.

Steigende Schneefallgrenze

Die Schneefallgrenze verschiebt sich pro Grad Temperaturerhöhung um etwa 150 Meter in höhere Regionen. Zwar sieht das Pariser Abkommen vor, die Klimaerwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf unter zwei Grad einzudämmen, in der Schweiz ist die Temperatur aber bereits um 1,5 Grad gestiegen. Es gilt zu bedenken, dass die Pariser Klimaziele nur erreicht werden, wenn bis 2040 weltweit die Verbrennung fossiler Brennstoffe eingestellt wird.

epa05080073 A Skier in action on a ski slope covered with artificial snow surrounded by green fields, in the Swiss Alps, during Christmas holydays, in Leysin, Switzerland, December 24, 2015. The snow  ...
24. Dezember 2015 in Leysin. Die milden Temperaturen haben den Schnee schmelzen lassen. Bild: EPA/KEYSTONE

Gletschersterben

Ende dieses Jahrhunderts werden 60–80 Prozent der Schweizer Gletscherflächen verschwunden und die Eisriesen nur noch in den hochgelegenen Gebieten der Berner und Walliser Alpen zu finden sein, schreibt das Bundesamt für Umwelt. Das Engadin und das Tessin sind bis Ende Jahrhundert vollständig eisfrei.

epa05431739 A general view over the Rhone Glacier covered in blankets above Gletsch near the Furkapass in Switzerland 19 July 2016. The Alps oldest glacier is protected by special white blankets to pr ...
Ein Blick auf den Rhonegletscher. Mit einer speziellen Abdeckung soll dem Abschmelzen entgegengewirkt werden.Bild: EPA/KEYSTONE

Nasse Winter – Hochwassergefahr

Die höhere Durchschnittstemperatur sorgt dafür, dass die Winter in der Schweiz niederschlagsreicher, allerdings nicht zwingend schneereicher werden. Der Anteil des Festniederschlags (Schnee) geht zurück. Deshalb wird die Gefahr von Hochwasser nicht wie bisher im Frühling, sondern im Herbst und Winter am grössten sein. Ob die Gefahr von Hochwasser generell zunimmt, kann aufgrund der kleinen Fallzahl nicht prognostiziert werden.

Eine Tafel mit der Aufschrift "Hochwasser-Gefahr" steht am Rhein, aufgenommen am Freitag, 17. Juni 2016 in Diepoldsau. Aufgrund des starken Regens in vielen Teilen der Schweiz besteht an div ...
Hochwassergefahr im Juni 2016 am Rhein. Ein Phänomen, das sich in Zukunft mehrheitlich im Herbst und Winter abspielen wird.Bild: KEYSTONE

Weniger Ski-Tourismus

Die Punkte 1 bis 3 haben Einfluss auf den Winter-Tourismus. Rund die Hälfte aller Skigebiete wird keinen Schnee mehr halten können. Bis zur Mitte des Jahrhunderts kann dies noch mit Schneekanonen kompensiert werden, die Saison wird allerdings deutlich kürzer ausfallen. Einige wenige Gemeinden wie Laax oder Saas Fee dürften aufgrund ihrer Höhenlage allerdings sogar profitieren. Sie werden die Übernachtungen der weniger schneesicheren Gemeinden abschöpfen.

Braune und gruene Weisen und nur wenig Schnee beim Skilift im Skigebiet von Airolo aufgenommen am Sonntag 4. Januar 2015, in Lueina bei Airolo im Tessin. Viele Skigebiete in der Schweiz leiden unter d ...
Airolo, 1175 Meter über Meer, am 4. Januar 2015. Ein Bild, an das wir uns gewöhnen sollten.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

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Viele neue Seen

In den freigelegten Mulden der Gletscher werden sich in den nächsten Jahrzehnten bis zu 600 neue Seen mit einer Gesamtfläche von ca. 60 Quadratkilometern bilden – mehr als der Thunersee. Das tönt zwar romantisch, die Wassermassen bedeuten aufgrund ihrer Lage allerdings eine Gefahr für die Zivilisation: Fällt Geröll in diese Seen oder kommt es zu Erdrutschen, drohen Sturzfluten. Konkret bedroht ist zum Beispiel das Dorf Naters unterhalb des grossen Aletschgletschers.

epa05431984 A general view over the newly formed glacial lake underneath the Rhone Glacier, above Gletsch near the Furkapass in Switzerland 19 July 2016. The Alps oldest glacier is protected by specia ...
Ein neu entstandener See beim Rhonegletscher.Bild: EPA/KEYSTONE

Heissere, tödliche Sommer

Im Rekordsommer 2003 gab es in der Schweiz Regionen mit 42 Hitzetagen (über 30 Grad). Damals starben in der Schweiz rund 1000 Menschen an den Folgen der Hitze und die Sterblichkeit stieg um 7 ProzentIm Jahre 2085 wird dies die Normalität. Für das Tessin und den Genfersee werden 50 oder mehr Tropennächte (Temperatur fällt nicht unter 20 Grad) pro Jahr prognostiziert. Besonders für ältere Menschen können Hitzetage gefährlich sein. Eine Gruppe Klimaseniorinnen droht deshalb nun, die Schweiz zu verklagen

Menschen sonnen sich an der Limmat, aufgenommen am Pfingst-Montag, 9. Juni 2014 am Letten in Zuerich. Das hochsommerliche Wetter am Pfingstwochenende hat den Schweizer Freibaedern einen Besucheranstur ...
Wird es am Letten in Zürich in Zukunft noch enger?Bild: KEYSTONE

Auftauender Permafrost

5 Prozent der Schweizer Fläche besteht aus Permafrostböden. Bei mehr als der Hälfte dieser Fläche bewegt sich die Temperatur zwischen 0 und -3 Grad. Nur schon ein kleiner Temperaturanstieg reicht aus, um zu einem Auftauen und damit zu einer Destabilisierung zu führen. Die Gefahr von Erdrutschen und Felsstürzen nimmt damit zu.

QUALITY REPEAT --- HANDOUT --- Am Mittwochmittag, 13. August 2014, ist ein Zug der Rhaetischen Bahn, RhB, zwischen Tiefencastel und Solis auf einen Erdrutsch aufgefahren. Drei Personenwagen sind entgl ...
Am 13. August fuhr die Rhätische Bahn zwischen Tiefencastel und Solis auf einen Erdrutsch auf und entgleiste.Bild: KANTONSPOLIZEI GRAUBUENDEN

Wärmere Gewässer – Gefahr für unsere Fische

Die Klimaerwärmung äussert sich nicht nur zu Land, auch die durchschnittliche Wassertemperatur wird zum Leidwesen unserer Kaltwasserfische zunehmen. Diese verenden bei Temperaturen ab 25 Grad, welche gerade in seichten Gewässern erreicht werden können.

Ein Zivilschutzteam mit einem Elektroabfischgeraet, rechts, und einem Netz, links, fischt wegen der anhaltenden Hitze Fische aus dem Homburger Bach in Thuernen, am Montag, 20. Juli 2015. (KEYSTONE/Geo ...
Ein Zivilschutzteam fischt im Sommer 2015 wegen anhaltender Hitze Fische aus dem Homburger Bach in Thürnen. Bild: KEYSTONE

Schlechteres Wasser – besserer Wein

Eine höhere Durchschnittstemperatur des Wassers befeuert die Verunreinigung durch Parasiten. Ausserdem wird von einer zukünftig rückläufigen Abflussmenge und einer schlechteren Durchmischung unserer Seen im Sommer ausgegangen, was sich auf die Wasserqualität auswirkt. Frohlocken dürfen aber die Winzer und Liebhaber hiesiger Weine: Höhere Temperaturen ermöglichen einen breiteren Rebsortenanbau.

The Lavaux region's vineyards on the northern shore of Lake Geneva near Epesses in the canton of Vaud, Switzerland, pictured on October 15, 2009. The Lavaux Vineyard Terraces have been included i ...
Die Lavaux-Region an der Nordküste des Genfersees. Produziert die Schweiz bald noch besseren Wein?Bild: KEYSTONE

Mehr Schädlinge – Gefahr für unsere Flora

In einem wärmeren Klima können sich diverse Schädlinge wie der Maiszünsler, 
der Maiswurzelbohrer, die Blattlaus, der Kartoffelkäfer, der Borkenkäfer und der Apfelwickler besser vermehren, was eine Bedrohung für unsere Fauna darstellt.

Borkenkäfer AZ
Die Rinde eines vom Borkenkäfer befallenen Baumes.  Bild: Aargauer Zeitung

Probleme bei der Milchwirtschaft

Steigende Temperaturen bei hoher Luftfeuchtigkeit führen zu einer Abnahme der Milchleistung und Veränderungen der Milchqualität, schreiben die Forscher Jürg Fuhrer und Pierluigi Calanca von der Forschungsanstalt Agroscope in der Zeitschrift Agrarforschung Schweiz. Dem könnte mit einer Weidehaltung in höheren Gebieten entgegengewirkt werden.

ZUR UNESCO BIOSPHAERE ENTLEBUCH STELLEN WIR IHNEN HEUTE, DONNERSTAG, 18. AUGUST 2016, FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG --- Posterior view of a cow, amidst a green, hilly landscape in Silwaengen,  ...
Kühe leiden unter Hitzestress und produzieren deshalb weniger Milch. Einen Ausweg bietet die Alp.Bild: KEYSTONE

Keine Einsparungen beim Energieverbrauch

Was im Winter an Heizenergie eingespart werden kann, wird im Sommer durch Kühlung und den Konsum anderer Güter wieder verbraucht. In der Wissenschaft wird dies Rebound-Effekt genannt. Pessimisten gehen davon aus, dass der Energieverbrauch in Zukunft sogar noch steigen wird.

Das neusten Projekt der Umwelt Arena Spreitenbach ist das erste energieautarken Mehrfamilienhaus der Welt und wurde am Montag, 6. Juni 2016 in Bruetten vorgestellt. Das Mehrfamilienhaus kommt ohne ext ...
Ein Projekt, das Mut macht: Das erste energieautarke Mehrfamilienhaus der Welt steht in Brütten in der Nähe von Winterthur. Das Haus kommt ohne externen Anschluss für Strom, Öl und Erdgas aus. Die gesamte Energie wird von der Sonne bezogen und dank unterschiedlicher Speicherformen über das gesamte Jahr beziehbar gemacht.Bild: KEYSTONE

Effizientere Solarenergie – weniger Wasserkraft

Höhere Temperaturen sorgen für weniger Nebel und damit für mehr Sonneneinstrahlung. Gleichzeitig geht man davon aus, dass der Schweiz weniger Wasser zur Energienutzung zur Verfügung stehen wird. Es wird mit rund sechs Prozent weniger Strom durch Wasserkraft bis 2085 gerechnet

Une personne marche devant des panneaux solaires lors de la presentation a la presse de la nouvelle centrale solaire de Perrelet ce mardi 17 decembre 2013 sur le toit du depot des transports publics d ...
Solarzellen im Nebel: Ein Bild, das in der Zukunft weniger vorkommen wird.Bild: KEYSTONE

Bedrohung durch die Tigermücke

Bereits heute wurden im Tessin vereinzelte Exemplare der Asiatischen Tigermücke gesichtet. Dies wird mit höchster Wahrscheinlichkeit zunehmen. Die Asiatische Tigermücke kann Viren übertragen, die wiederum das Dengue- oder das Chikungunya-Fieber auslösen.

Wenn sie eine infizierte Person gestochen hat, kann die Asiatische Tigermücke Viren übertragen.
Die Asiatische Tigermücke: Sie kann nicht nur das Chikungunya-Virus übertragen, sondern auch das West-Nil-Virus oder das Dengue- oder Gelbfieber.Bild: Keystone

Und trotzdem: die Schweiz – der attraktivste Ort der Welt?

Aller Unkenrufe zum Trotz. Als James Hansen, der Direktor des Umweltinstituts der renommierten Columbia University gefragt wurde, wo man am sichersten sei vor den Auswirkungen des Klimawandels, antwortete er: «Nun, die Schweiz wäre wohl ein guter Tipp.» Er begründet seine Aussage damit, dass die Schweiz ein Binnenland sei und im Gegensatz zu vielen anderen Ländern die Klimaerwärmung ernst nehme. Hinzu kommt, dass die Schweiz trotz Veränderungen des Wasserhaushalts das Wasserschloss von Europa bleibt und die meisten Studien darauf schliessen lassen, dass die Schweiz nicht von grossen Wellen von Umweltflüchtlingen überrollt werden wird.

Nichtsdestotrotz wird man sich auch hierzulande auf Veränderungen einstellen müssen, denn wie das Bundesamt für Umwelt (BAFU) auf seiner Homepage schreibt, wird erwartet, dass die Schweiz «voraussichtlich überdurchschnittlich stark» von der Klimaerwärmung betroffen sein wird. 

Hier siehst du übrigens schon eindrücklich, wie der Klimawandel (und der Mensch) die Erde bereits verändert hat:

42 Vorher-nachher-Bilder, die zeigen, wie krass sich die Erde verändert hat

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43 Vorher-nachher-Bilder, die zeigen, wie krass sich die Erde verändert hat
Zwischen den beiden Aufnahmen vom Matterhorn liegen fast auf den Tag genau 45 Jahre. In diesem Zeitraum ist dramatisch viel Eis weggeschmolzen.
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[12.03.2018, dhr] Klimaerwärmung

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26 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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shaquille_oatmeal
30.08.2016 08:58registriert August 2016
Das tut im Herzen weh, vor allem die Bilder der abgeholzten Wälder...
Wir erschleichen uns mehr Lebensraum und grenzen ihn bewusst für andere ein... Für Geld und wieder ein bisschen Geld...
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mikel
30.08.2016 07:41registriert Februar 2014
Eines Tages, wenn es zu spät ist, werden dann alle erwachen. Schade für die schöne Erde. Schade für unsere Kinder. Ist wohl ein Teil der Evolution.
4929
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Lowend
30.08.2016 12:31registriert Februar 2014
Beim Lesen einiger Kommentare der alles besser als die Wissenschaft Wissenden, beginne ich echt an unserem Schulsystem zu zweifeln.
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