Weltweit laufen die Impfkampagnen gegen das Coronavirus mehr oder weniger auf Hochtouren. Mit einer der höchsten Impfquoten zieht Israel die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich. Denn nirgends gibt es bis jetzt detailliertere Erkenntnisse über den Impfschutz als im «Testlabor» der Welt.
Forscherinnen und Forscher haben am Wochenende erste Erkenntnisse aus Israel zum Impfschutz nach einer und nach zwei Impfdosen publiziert.
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In anderen Ländern wie beispielsweise Grossbritannien wurden anfangs die meisten Personen nur einmalig geimpft, um schneller mehr Menschen einen Teilschutz zu gewähren. In den letzten Tagen wurde auch in der Schweiz vermehrt eine solche Impfstrategie gefordert. Die israelische Studie spricht nun eher gegen eine solche Vorgehensweise.
Forschende der Universität von Tel Aviv haben fast 400 Personen untersucht, die sich trotz mindestens einer Impfdosis noch mit Covid-19 angesteckt haben.
Den allergrössten Teil der Mutationen macht sowohl in der Impf- als auch in der Kontrollgruppe die britische Mutation B.1.1.7 aus, die auch in der Schweiz für inzwischen fast 100 % aller Infektionen verantwortlich ist.
Das Fazit der Forschenden: Der effektive Impfschutz tritt erst nach der zweiten Dosis ein. Laut der leitenden Virologin Adi Stern der Universität Tel Aviv könnte das erklären, warum es zu Beginn der Impfung eine Weile dauerte, bis die Fälle zu sinken begannen.
5. To summarize: we see evidence for reduced vaccine effectiveness against the British variant, but after two doses – extremely high effectiveness kicks in. We see evidence for reduced vaccine effectiveness against the S.A. variant, but it does not spread in Israel.
— SternLab (@SternLab) April 10, 2021
Die Forschenden waren ausserdem erstaunt, dass sich unter den doppelt Geimpften ganze acht Personen mit der südafrikanischen Virenmutation B.1.351 entdeckten, während es bei der Kontrollgruppe nur eine Infektion mit dieser Mutation gab.
Das Fazit der Forschergruppe: Die Pfizer-Impfung scheint nur beschränkt gegen die südafrikanische Variante zu helfen – allerdings ist diese in Israel nur sehr wenig verbreitet. Auch in der Schweiz ist diese Variante bisher selten. Sie wurde insgesamt 245 Mal nachgewiesen, davon 3 Mal in den letzten zwei Wochen.
Bei der Studie unterschied man zwischen Personen, die erst eine Impfung erhalten haben, und solchen, die bereits doppelt geimpft sind.
Bei den einfach Geimpften zeigten sich mehr Infektionen mit der britischen Mutation im Vergleich zur gleich grossen Kontrollgruppe. Die erste Impfdosis scheint also laut den Forschern keinen überdurchschnittlichen Schutz gegen B.1.1.7 zu bieten.
Anders sieht es bei den doppelt Geimpften aus. Dort zeigten sich weniger Infektionen mit B.1.1.7 als bei der verglichenen Kontrollgruppe. Die Forscher interpretieren das als Zeichen für einen starken Impfschutz nach zwei Dosen.
Der veröffentlichte Forschungsbericht wurde von Pfizer noch nicht kommentiert. Einige Experten bezeichnen die Erkenntnisse aus Israel als zu wenig aussagekräftig, weil nur je rund 400 Personen verglichen wurden. Es seien weitere Untersuchungen erforderlich, um genau festzustellen, wie stark der Impfschutz nach nur einer Dosis ist.
Gegen die These, dass eine einzige Dosis weniger effizient ist, sprechen die Fallzahlen aus Grossbritannien. Obwohl dort erst rund 10 Prozent der Bevölkerung einen vollständigen Impfschutz mit zwei Dosen geniesst, sind die Fallzahlen in den letzten zwei Monaten deutlich gesunken. Genau wie in Israel infizieren sich aktuell täglich rund 25 Personen pro Million Einwohner. In der Schweiz sind es noch rund 200 Personen.
Die in Grossbritannien erstmals gemeldete Mutation B.1.1.7 macht auch auf den britischen Inseln inzwischen den Grossteil aller Infektionen aus. Die sinkenden Fallzahlen lassen dort nicht auf einen verminderten Impfschutz nach nur einer Dosis schliessen. Allerdings arbeitet Grossbritannien im Vergleich zu Israel nicht nur mit dem Pfizer-Impfstoff, sondern auch den Produkten von AstraZeneca und Moderna.
Inzwischen werden auch in Grossbritannien vielerorts zweite Impfdosen verteilt. Der Anteil der vollständig Geimpften bewegt sich aber noch immer auf circa dem gleichen Niveau wie in der Schweiz.
Die Studie hat ausschliesslich die Verteilung der Mutationen in den positiven Tests untersucht. Wären die negativen Tests mit in die Test-/Kontrollgruppen aufgenommen worden, könnte man keine absoluten Zahlen vergleichen.