Es war der Traum jedes Alchemisten: aus etwas Wertlosem etwas Wertvolles machen. So gesehen sind die Mitarbeitenden der National Ignition Facility (NIF) des Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) in den USA moderne Alchemisten. Denn sie wollen aus wenig Energie viel Energie machen.
Und laut Medienberichten scheint ihnen dieses Zauberstück nun gelungen zu sein. Wobei dieser Meilenstein in der Forschung weniger dank Zauberei zustande kam, sondern mithilfe von Kernfusion. Und nicht zu vergessen: mithilfe von Forschenden, die während eines ganzen Jahrhunderts mit ihrer Arbeit den Weg ebneten.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in den USA ist ein historischer Durchbruch auf dem Feld der Kernfusion gelungen. Erstmals wurde beim Verschmelzen von Atomkernen mehr Energie gewonnen als verbraucht, wie US-Energieministerin Jennifer Granholm am Dienstag in Washington verkündete. «Einfach ausgedrückt ist dies eine der beeindruckendsten wissenschaftlichen Leistungen des 21. Jahrhunderts.»
Bei der Kernfusion verschmelzen zwei Atomkerne zu einem neuen Kern. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Atomkerne miteinander reagieren, ist meist nur dann ausreichend gross, wenn sie mit immenser Energie aufeinanderprallen.
Ist die Masse des bei der Fusion entstandenen neuen Kerns kleiner als die Summe der Masse der Ausgangskerne, wird die verlorene Masse als Energie freigesetzt. Die weltberühmte Formel von Albert Einstein – E0=mc2 – beschreibt dieses Prinzip, wobei E für die Energie und m für die verlorene Masse steht.
Grundsätzlich ist Kernfusion ein häufiger Prozess im Universum und verantwortlich dafür, dass Sterne Energie abstrahlen, die wir als Leuchten und Wärme wahrnehmen. Doch bis anhin gelang es den Menschen noch nicht, diese Kernfusion unter kontrollierten Bedingungen so nachzubauen, dass mehr Energie durch die Kernreaktion freigesetzt wird, als für das Verschmelzen der Kerne investiert wurde.
Die grosse Vision hinter den Bemühungen vieler Kernfusion-Forschenden: Stromproduktion (bzw. Energieproduktion) in sogenannten Kernfusionsreaktoren. Denn die Kernfusion hat das Potenzial, saubere und nahezu unbegrenzte Energie zu liefern. Theoretisch. Fusionsreaktionen setzen keinen Kohlenstoff frei, produzieren keinen radioaktiven Abfall und bereits kleinste Mengen könnten ein Haus jahrelang mit Strom versorgen.
Erstmalig wurde in den 1920er Jahren die These aufgestellt, dass Sterne Energie aus einer Fusion von Wasserstoffen und Helium freisetzen. Der Brite Arthur S. Eddington beschrieb das so in der Publikation «Der innere Aufbau der Sterne».
In den folgenden Jahren wurden erste Berechnungen über die Kernfusionsrate in Sternen aufgestellt.
Ernest Rutherford gelang es in einem Experiment, als Erster eine Kernfusion zu beobachten. Er schrieb, dass während des Prozesses «ein enormer Effekt» hervorgerufen werde. Rutherfords Forschung war übrigens bereits vor dieser Beobachtung für die Wissenschaftler elementar, denn sie bildete die Basis für jenes Atommodell, das Niels Bohr 1913 entwickelte – und das wir noch heute alle in der Schule lernen: ein kleiner Kern, umschwirrt von Elektronen.
Einem Schüler Rutherfods, Mark Oliphant, gelang es dann, das Fusionsexperiment zu verbessern und zum allerersten Mal einen Fusionsprozess im Labor zu demonstrieren. Die Ergebnisse des Experiments wurden 1934 publiziert.
Bald schwelte das Begehren, die Kernfusion zu nutzen, um Waffen zu entwickeln – zunächst aber gelang dies nur mithilfe der Kernspaltung. So besassen im Rahmen des Wettrüstens zwischen der Sowjetunion und den USA beide Blöcke ab den 1940er Jahren Atombomben, die auf der Kernspaltung basieren. Ab den 1950ern wurde die Technologie der Kernspaltung zudem in Kernkraftwerken zur Energiegewinnung genutzt.
1952 wurde dann im Rahmen der Waffenentwicklung der Beweis erbracht, dass nicht nur im Universum, sondern auch auf der Erde grosse Mengen an Energie dank Kernfusion freigesetzt werden können – und zwar mehr als bei Kernspaltung.
Damals wurde die Wasserstoffbombe Ivy Mike im Eniwetok-Atoll im Pazifik gezündet. Wasserstoffbomben beruhen auf dem Prinzip der Kernfusion. Bei Wasserstoffbomben wird durch die freigesetzte Energie bei der Explosion eines Atomsprengsatzes eine Kernfusion von Deuterium und Tritium herbeigeführt.
Ab den 1950er Jahren wurden auf beiden Seiten des eisernen Vorhangs unabhängig voneinander die ersten Fusionsreaktoren konstruiert – mit dem Ziel, eine Kernfusion kontrolliert vonstattengehen zu lassen. Das sogenannte Tokamak-Design von Andrei Sacharow und Igor Tamm aus der Sowjetunion setzte sich schliesslich durch, da es effizienter als die im Westen entwickelten Reaktoren war.
In einem Tokamak wird Wasserstoff mittels Heizung in extrem hochtemperiertes Plasma umgewandelt. Darin bewegen sich Teilchen entsprechend mit sehr hoher Geschwindigkeit. Anhand von supraleitenden Magnetspulen wird das Plasma in Form gebracht. So kann unter anderem die Teilchendichte bestimmt werden. Ab einer bestimmten Temperatur und Teilchendichte kann dann eine kontrollierte, kettenreaktionsartig ablaufende Kernfusion auftreten.
Ab den 1970ern reifte die Erkenntnis, dass die Erzeugung von Fusionsenergie nur gelingen wird, wenn Wissenschaftler mit vereinten Kräften arbeiten können. Darum schlossen sich 1973 europäische Länder zusammen und begannen mit der Entwicklung des Joint European Torus (JET). 1983 wurde in Grossbritannien eine Versuchsanlage geöffnet, in der nach dem Tokamak-Prinzip gearbeitet wird.
1991 gelang es im JET, die erste kontrollierte Kernfusion der Geschichte herzustellen. Seitdem ist es mehrfach gelungen, eine solche kontrollierte Kernfusion durchzuführen. Allerdings wurde dabei immer mehr Energie eingesetzt als erzeugt.
Nun vermelden die Forschenden des LLNL also, den wissenschaftlichen Durchbruch geschafft zu haben: Sie hätten mehr Energie erzeugt als eingesetzt. Am LLNL wird allerdings nicht mit dem Tokamak-Prinzip gearbeitet, sondern mit der Trägheitsfusion – wie sie auch bei der Wasserstoffbombe zum Einsatz kommt.
Dabei wird eine winzige Wasserstoffkapsel mit sehr schneller, oberflächlicher Energie beschossen, um das Plasma aufzuheizen, die Wasserstoffkapsel zu verformen und implodieren zu lassen. Am LLNL wird dazu Laserenergie eingesetzt. Auf diese Weisen hätten die Wissenschafter laut der Financial Times jeweils zwei Kerne von Wasserstoffatomen dazu gebracht, zu verschmelzen.
Das «Science Media Centre» hat Wissenschafter bereits am Montag gefragt, wie die Meldung einzuordnen sei. Tony Roulstone von der University of Cambridge relativiert das Resultat etwas: Es sei zwar so, dass die Energiemenge, welche mit den Lasern auf die Wasserstoffkerne gelenkt wurde, kleiner sei als die freigewordene Energie. «Was beweist, dass Energie erfolgreich freigesetzt und gewonnen werden kann.» Aber der Energieaufwand für den Betrieb des Lasers sei in diesem Ergebnis nicht mit einberechnet. Denn: Es seien 500 Megajoule Energie in den Laser investiert worden, um 2,5 Megajoule via Kernfusion herauszubekommen, wie Roulstone erklärt. Der Energieoutput betrage also immer noch nur 0,5 % des Inputs.
Somit ist das Experiment der LLNL durchaus ein wissenschaftlicher Durchbruch, denn es beweist, dass es möglich ist, mit dem Einsatz von Energie mittels Kernfusion noch mehr Energie zu erzeugen. Aber bis zur Produktion von sauberer Energie dank Kernfusion werden noch viele Atomkerne «zusammentütschen» müssen.
Klar, benötigt noch weitere 50 Jahre bis diese Technologie am Markt ist, aber irgendwo muss man ja anfangen. Hut ab.
Na dann tut mal schön weiter zämentütschen