Das Penaltyschiessen wurde England zum Verhängnis, einmal mehr. Die «Three Lions» hatten den Sieg an der Fussball-EM 2020 vor Augen, doch am Ende verliessen sie das Wembley-Stadion geschlagen. Kein Grund zur Freude für die englischen Fans, die ihre Nationalmannschaft wie kaum eine andere Fan-Gemeinde unterstützen. Und ein ganz schlechter Ausgang für viele Frauen und Kinder im Land – denn sie bekamen die Niederlage brutal zu spüren.
So mancher frustrierte Fan liess seine Wut an Frau und Kind aus. Nach Fussballspielen nimmt die häusliche Gewalt nämlich jeweils zu, und zwar besonders nach Niederlagen, wie schon 2014 eine Studie zeigte, die sich auf die Fussball-WM 2010 bezog. Verlor die englische Mannschaft ein Spiel, nahmen Fälle von häuslicher Gewalt damals um 33,9 Prozent zu. Selbst nach gewonnenen Spielen stieg die Gewalt an, wenn auch mit 27,7 Prozent etwas weniger massiv.
Neuere Studien bestätigen diesen Sachverhalt zum Teil: Eine am 4. Juli veröffentlichte Studie des interdisziplinären Centre for Economic Performance (CEP) kommt zum Ergebnis, dass Fälle von häuslicher Gewalt in den ersten vier Stunden nach Spielende alle zwei Stunden um rund 5 Prozent zunehmen. Während des Matches selber nehmen sie allerdings um 5 Prozent ab, da potenzielle Täter dann vermutlich das Spiel verfolgen. Den höchsten Anstieg (8,5 %) verzeichnen die Forscher im Zeitraum von 10 bis 12 Stunden nach Anpfiff.
Für diesen Anstieg der häuslichen Gewalt sind nahezu ausschliesslich Männer verantwortlich, die alkoholisiert Frauen misshandeln.
Tom Kirchmeier, einer der Studienautoren, erklärt in einer Pressemitteilung des CEP:
Dass Alkoholkonsum der wichtigste einzelne Faktor beim Anstieg der häuslichen Gewalt nach Fussballspielen ist, bestätigt auch eine im Januar 2021 veröffentlichte Studie der London School of Economics (LSE). Während die Relation zwischen häuslicher Gewalt und Fussballfans komplex sei, würden Experten schon seit langem auf Alkohol als einen wichtigen Faktor in diesem Zusammenhang hinweisen, schreibt Studienautorin Anna Trendl im Blog der LSE.
Besonders bei den englischen Fans sei Alkoholkonsum untrennbar mit dem Konsum von Sportanlässen verbunden. So meldeten etwa Krankenhäuser in ganz England nach dem Viertelfinalsieg der englischen Mannschaft gegen Schweden an der WM 2018 eine Rekordzahl von Alkoholvergiftungen.
Die Wissenschaftler analysierten die Daten zur Kriminalität, die bei der zweitgrössten Polizeibehörde Englands, der West Midlands Police, in einem Zeitraum von zehn Jahren anfielen. Sie wurden in Beziehung gesetzt zu den Begegnungen der englischen Fussballnationalmannschaft (WM- und EM-Spiele) in derselben Zeitspanne. Während nicht-alkoholbedingte Misshandlungen an Spieltagen der englischen Mannschaft nicht zunahmen, war dies bei alkoholbedingten Fällen von häuslicher Gewalt deutlich anders: An Tagen, an denen das englische Team gewann, wurden 47 Prozent mehr Fälle gemeldet. An Tagen nach einem Spiel der «Three Lions» betrug die Zunahme 18 Prozent.
Im Gegensatz zur Studie aus dem Jahr 2014 konnten die Forscher aber keinen vergleichbaren Anstieg der häuslichen Gewalt nach verlorenen Spielen feststellen. Auch bei unentschiedenen Partien fand sich keine vergleichbare Zunahme. Die Studienautoren sehen den Grund dafür in deutlich höherem Alkoholkonsum bei gewonnenen Spielen.
Sie halten den Zusammenhang zwischen Fussballanlässen und häuslicher Gewalt überdies für «wahrscheinlich kausal», obwohl auch andere mögliche Faktoren wirksam sein könnten, etwa eine verstärkte Polizeipräsenz an Spieltagen. Solche Faktoren hätten sich jedoch nicht nachweisen lassen, während die deutliche zeitliche Korrelation zwischen den zufällig vorkommenden Tagen eines englischen Siegs und den spezifisch alkoholbedingten Fällen von häuslicher Gewalt kaum zufällig sein könne. Dies werde auch dadurch bestätigt, dass der zeitliche Verlauf der Zunahme von alkoholbedingten Misshandlungen nach einem Sieg des englischen Teams jeweils demselben Muster folge.
Für Rugby, den zweitbeliebtesten Sport in England, fand sich indes keine Korrelation zwischen Spielen der englischen Nationalmannschaft und der Zahl der gemeldeten Fälle von häuslicher Gewalt – unabhängig davon, ob das Team gewann, verlor oder unentschieden spielte. (dhr)
Schöne Umschreibung für: Hymne und Gegner bei jeder Gelegenheit auspfeifen, gegnerische Fans verprügeln, anspucken und beleidigen (auch Kinder), den gegnerischen Torwart mit Laser blenden (könnte dabei erblinden) und Nachts Feuerwerk vor dem Hotel der gegnerischen Mannschaft zünden. Die englischen Fans sind der Bodensatz der Fankultur.