Wissenschaft ohne Experimente ist kaum denkbar. Die methodisch angelegten Untersuchungen, die der empirischen Gewinnung von Informationen dienen, haben das menschliche Wissen enorm erweitert. Das berühmte Experiment, mit dem Otto Hahn und Fritz Strassmann am 17. Dezember 1938 die Kernspaltung nachwiesen, kann als Beispiel dafür dienen, wie dieses wissenschaftliche Vorgehen unsere Welt grundlegend verändern kann.
In ihrem Drang nach Wissen lassen sich Forscher zuweilen auch bizarr anmutende Experimente einfallen. Manche von ihnen gehen dabei erstaunlich weit. Eine kleine Auswahl präsentieren wir hier.
Kann ein sinnvoller Text rein zufällig entstehen? Diese Frage steckt hinter dem sogenannten Infinite-Monkey-Theorem. Es besagt, dass ein Affe, der unendlich lange zufällig auf einer Schreibmaschine herumtippt, fast sicher irgendwann fehlerfrei das Gesamtwerk William Shakespeares – etwas bescheidener gefasst auch nur den «Hamlet» – schreiben wird.
Dies trifft zu, wenn der Affe in der Tat unendlich lange tippt. Die Wahrscheinlichkeit, dass der «Hamlet» in der verbleibenden Zeit bis zum Kältetod des Universums – in geschätzt einer Quindezillion (eine 1 mit 90 Nullen) Jahren – getippt wird, ist allerdings so gering, dass sie gleich null ist. Dies gilt selbst für den Fall, dass nicht nur ein einziger Affe tippen würde, sondern so viele, wie es Protonen im sichtbaren Universum gibt.
Von diesen niederschmetternden Zahlen liess sich 2003 ein britisches Forschungsteam der Universität von Plymouth nicht abhalten, ein entsprechendes Experiment durchzuführen. Die Forscher verfügten allerdings weder über unendlich viele Affen noch über unendlich viele Schreibmaschinen und schon gar nicht über unendlich viel Zeit: Sie begnügten sich mit sechs Schopfaffen (Macaca nigra), einem Computer und vier Wochen.
Das Resultat fiel denn auch eher mager aus: Zu Beginn bearbeitete das Alpha-Männchen den Computer mit einem Stein, dann urinierten und defäkierten die Primaten Elmo, Gum, Heather, Holly, Mistletoe und Rowan auf die Tastatur. Allerdings tippten sie auch, und zwar anfänglich vorzugsweise den Buchstaben S, später auch A, J, L und M. Mehr kam nicht dazu, und in den insgesamt fünf produzierten Seiten Text war nicht einmal der Ansatz eines Wortes zu finden. Immerhin stellte Studienleiter Mike Philipps fest:
Kayt Sukel sagt, sie sei wegen der Wissenschaft gekommen. 2011 stieg Sukel, damals 37 und Forschungsassistentin in einem neurowissenschaftlichen Labor an der Harvard University, in ein MRI-Gerät, liess ihren Kopf fixieren und stimulierte sich selbst zweimal zum sexuellen Höhepunkt. Währenddessen zeichnete der Kernspintomograph ihre Gehirnaktivität auf. Denn Sukel ist überzeugt: «Sex findet zwischen deinen Ohren statt.»
Sukel fungierte als Testperson, weil sie zum wissenschaftlichen Verständnis der Vorgänge im Gehirn während des Orgasmus beitragen wollte. Und die ungewöhnliche Erfahrung diente ihr nicht nur als Stoff für ihr Buch, sondern auch für den Small Talk, wie sie einräumte:
Ohne Vorbereitung wäre das schwierig geworden. Immerhin darf man sich während eines Gehirnscans im MRT-Gerät nicht zu sehr bewegen, sonst beeinträchtigt das die Daten. So übte Sukel zwei Wochen lang zu Hause: Sie befestigte mit Klebeband eine kleine Glocke an ihrer Stirn, wenn sie sich selbst befriedigte. Mit der Zeit gelang es ihr, das Klimpern auf ein Mindestmass zu reduzieren – «egal, wie laut ich mich innerlich fühlte». Während des Scans wurde ihr dann eine Art atmungsaktiver Helm aus Kunststoffgewebe aufgesetzt, der mit dem Scannerbett verschraubt wurde, um Kopfbewegungen zu verhindern.
Und was passiert nun während des Orgasmus im Gehirn? Während der sexuellen Stimulation steigt die Aktivität zunächst im Genitalbereich des sensorischen Kortex an und breitet sich dann auf das limbische System aus, eine Ansammlung von Gehirnstrukturen, die an Emotionen und Langzeitgedächtnis beteiligt sind. Kurz vor dem Orgasmus steigt die Aktivität im Kleinhirn und dem frontalen Kortex an; während des Orgasmus selbst erreicht die Aktivität im Hypothalamus ihren Höhepunkt.
Der Hypothalamus setzt dabei den Stoff Oxytocin frei, der angenehme Empfindungen hervorruft und die Gebärmutter zum Zusammenziehen anregt. Auch im Nucleus accumbens, einem Bereich, der mit Belohnung und Vergnügen zu tun hat, ist die Aktivität am höchsten. Nach dem Orgasmus beruhigt sich die Aktivität in all diesen Regionen allmählich.
Selbstbefriedigung in einem Kernspintomografen als Selbstversuch klingt nicht extrem unangenehm. Ganz im Gegensatz zu den Experimenten, die Nicolae Minovici an sich selbst durchgeführt hat. Der rumänische Forensiker und Kriminologe war ein Pionier bei der Erkennung von Straftätern anhand von Fingerabdrücken. Er initiierte auch den ersten Rettungsdienst in Südeuropa und zahlreiche humanitäre Projekte. Sein Nachruhm gründet indes hauptsächlich auf seinen waghalsigen Selbstversuchen, die er und seine Assistenten durchführten, um herauszufinden, was beim Erhängen geschieht. Minovici interessierte sich dafür, weil er als Gerichtsmediziner häufig mit Suiziden durch Erhängen zu tun hatte.
In der 1905 publizierten Studie Etude sur la pendaison («Studie über das Erhängen») entkräftete er beispielweise die damals herrschende Annahme, die Todesursache beim Erhängen sei der Verschluss der Atemwege. Der Tod sei vielmehr auf die unterbrochene Blutzufuhr zum Gehirn zurückzuführen, schrieb er in seinem Bericht.
Ein erster Test bestand darin, dass Minovici und seine Assistenten mit zwei Fingern auf die Halsschlagader drückten, bis ihnen schwarz vor den Augen wurde. Danach gingen sie dazu über, das Erhängen selbst zu simulieren, wobei sie stufenweise vorgingen. Zuerst liess sich Minovici in liegender Position eine Schlinge um den Hals legen, sodass nicht sein gesamtes Körpergewicht den Hals belastete. Das Seil, das über eine Rolle an der Decke lief, nahm er in die Hand und zog daran, bis sein Kopf sich anhob. Nach sechs Sekunden verlor er das Bewusstsein.
Trotz der Schmerzen, die diese Experimente verursachten, ging Minovici weiter und liess sich vollständig hängen, sodass die Füsse den Boden nicht mehr berührten. Dabei verwendete er eine Schlaufe aus Stoff, die sich im Gegensatz zu einer Schlinge nicht zuzog. Minovici notierte:
Schliesslich liess er sich sogar in einer Schlinge vom Boden hochziehen. Diese Tortur hielt er nicht länger als drei bis vier Sekunden aus. Er habe danach einen Monat Schmerzen verspürt, schrieb er in seinem Bericht. Mit diesen Ergebnissen seiner Selbstversuche widerlegte er auch die damals gängige Vorstellung, das Erhängen sei eine weitgehend schmerzfreie Todesart.
Der Riesenspulwurm Ascaris lumbricoides ist etwa zehn bis vierzig Zentimeter lang und gehört zu den Fadenwürmern (Nematoden). Er ist ein Parasit, der Menschen und Säugetiere befällt, vor allem Affen und Bären. So sieht er aus:
Dieser Parasit ist weltweit, besonders aber in tropischen und subtropischen Gebieten verbreitet; bis zu etwa einem Fünftel der Weltbevölkerung könnte laut Schätzungen von ihm befallen sein. Die Übertragung erfolgt durch orale Aufnahme von Wurmeiern durch kontaminiertes Wasser, Eier, Obst oder Gemüse, wenn zuvor mit Fäkalien gedüngt wurde. Infektionen verlaufen oft asymptomatisch. Es können Husten, Fieber, Engegefühl in der Brust und die Zunahme von bestimmten weissen Blutkörperchen im Blutbild auftreten. Im weiteren Verlauf kann die Infektion Appetitlosigkeit oder Übelkeit verursachen.
Man könnte also meinen, dass niemand auf die Idee kommt, Eier dieses unappetitlichen Wurms absichtlich einzunehmen. Genau dies aber hat der italienische Zoologe und Parasitologe Giovanni Battista Grassi getan. Der Wissenschaftler, der unter anderem auch als erster den Lebenszyklus des menschlichen Malariaparasiten Plasmodium falciparum beschrieb, wies den direkten Lebenszyklus von Ascaris lumbricoides nach – im Selbstversuch.
Am 10. Oktober 1878 nahm Grassi eine Autopsie an einer Leiche vor, die stark mit dem Spulwurm befallen war. Er beschloss, die Gelegenheit zu nutzen und einige der Eier oral einzunehmen, um auf diese Weise zu beweisen, dass der Parasit ohne Zwischenwirt direkt von einem Wirt auf einen anderen übertragen werden kann. Zuvor musste er aber sicherstellen, dass er selbst nicht infiziert war. Er bewahrte also infizierte Fäkalien des Verstorbenen auf und begann damit, seinen eigenen Stuhl täglich mit einem Mikroskop auf das Vorhandensein von Würmern oder Eiern zu untersuchen.
Nach gut neun Monaten schritt er dann zur Tat: Er isolierte rund 100 Wurmeier aus dem aufbewahrten Stuhl des Toten und schluckte sie. Einen Monat später fand er in seinem Stuhl tatsächlich Eier des Riesenspulwurms. Damit war der ersehnte Beweis erbracht, dass dieser direkt von Wirt zu Wirt übertragen werden kann. Ein obskures Gerücht besagt übrigens, Grassi habe mit seinem Selbstversuch eine Art Initiationsritus unter angehenden Parasitologen begründet. Wohl bekomm’s!
Dieses Experiment war schmerzhaft – kein Wunder, denn es ging dabei um Schmerzen. Michael Smith, damals Biologie-Doktorand an der Cornell University in Ithaca im US-Staat New York, liess sich 2014 mehr als 75 Mal am ganzen Körper von Honigbienen stechen. Die Tortur nahm er auf sich, um herauszufinden, an welchen von insgesamt 25 Körperstellen die Stiche die stärksten Schmerzen verursachen.
Gegenüber dem Magazin «Geo» erklärte Smith, wie er auf die Idee für dieses masochistisch anmutende Experiment gekommen war:
Smith kennt sich aus mit Bienen: Vor seinem Studium hatte er sich am Atlantic College in der Nähe von Llantwit Major in Wales zum Imker ausbilden lassen. Und er bereitete seine Studie sorgfältig vor, indem er sich drei Monate lang vor Beginn des Experiments jeden Tag etwa fünfmal stechen liess, damit während des eigentlichen Versuchs keine Veränderungen in seinem Immunsystem zu erwarten waren.
Der Selbstversuch dauerte dann 38 Tage. Smith nahm gereizte Bienen mit der Pinzette und liess sie an den zuvor festgelegten Stellen zustechen. Jede Stelle wurde im Laufe des Experiments insgesamt dreimal «behandelt», wobei Smith darauf achtete, dass dies jeweils zur selben Tageszeit, im selben Raum und auf dieselbe Weise geschah. Zudem trug er dann dieselben Kleider. Den Schmerz bewertete er auf einer Skala von 0 bis 10. Als «Eichwert» diente ein Stich in den Unterarm, den er sich jedes Mal vor der eigentlichen Stichserie zufügen liess, um einen Vergleich zu haben. Diesem Kontrollschmerz wies er auf der Skala den Wert 5 zu.
Smith liess sich unter anderem in die Schädeldecke stechen, in den Nasenflügel, in die Oberlippe, in den Hodensack und in den Penis. Lediglich eine empfindliche Stelle liess er aus guten Gründen aus:
Wider Erwarten waren nicht die Stiche in die Genitalien am schmerzhaftesten, sondern jene in den Nasenflügel (9 auf der Skala) und die Oberlippe (8,7). Der Penisschaft (7,3) folgte erst an dritter Stelle. «Wenn man die Wahl zwischen der Nase und dem Penis hat, sollte man auf jeden Fall den Penis wählen», rät Smith. Am unteren Ende der Skala lagen der mittlere Zeh, der Oberarm und die Schädeldecke (alle 2,3). Der Stich in die Schädeldecke habe sich angefühlt, «als ob ob jemand ein elektrisch geladenes Ei auf dem Kopf zerschlägt».
In seiner Studie kommt Smith, der 2015 den Ig-Nobelpreis für seine Bienenstich-Untersuchung erhielt, zum Schluss, dass weder die Dicke der Haut noch die Dichte der Nerven an den gestochenen Stellen als Erklärung für die Intensität des Schmerzes ausreichen. Er geht davon aus, dass die unterschiedliche Schmerzempfindlichkeit das Ergebnis einer evolutionären Anpassung ist – je gefährlicher ein Stich sei, desto schmerzhafter sei er auch. Ein Stich in die Nase sei bedrohlicher als einer in den Arm. Bienen wiederum würden, wenn sie sich verteidigten, auf Stellen zielen, an denen viel Kohlendioxid freigesetzt wird.
Noch übler ist so schön von unten in den Nasensteg, wie er beschreibt läuft Rotz und Tränen.
Da geht man automatisch in die Knie und ist dann mal eine weile mit sich selbst und den Schmerzen beschäftigt🥴
Das andere mit „untenrum“ hab ich auch schon erlebt, allerdings unfreiwillig🙈
Man sagt auch man sollte nicht mit kurzen Hosen und Kurzärmlig, ohne Schleier einen Bienenlasten öffnen.🤔
Die Damen sind zwar meist friedlich aber auch die können (wie wir) mal einen sch…. Tag haben.🤷🏻♂️
Man hat s nicht immer leicht als Imker😜