Kalt und fern stehen die Sterne am Nachthimmel. Wer zu ihnen aufblickt, mag einen Hauch von Ewigkeit erahnen. Doch auch sie sind vergänglich – und mit ihnen selbst Zeit und Raum. Seit Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie wissen wir, dass das Universum entsteht und vergeht. Wie es entstanden ist – oder genauer: wie es sich unmittelbar nach dem Urknall entwickelt hat –, beschreiben die Urknalltheorien.
Wie das Universum vergehen wird, ist hingegen weit weniger klar – die Antwort darauf hängt unter anderem davon ab, welche Form das Universum hat und welchen Einfluss bestimmte hypothetische Faktoren wie die sogenannte Dunkle Energie auf den Lauf der Dinge ausüben.
Wenden wir uns zuerst der Form des Weltalls zu. Unser vierdimensionales Universum hat drei Raumdimensionen. Es ist einfach, sich in diesem dreidimensionalen Raum alle möglichen Formen vorzustellen – nicht aber die Form dieses Raums selbst. Das geht nur, indem man sich mit Analogien behilft. Die Geometrie des Raums hängt von seinem Inhalt ab: Die allgemeine Relativitätstheorie besagt, dass der Raum durch Masse gekrümmt werden kann. Die Dichte des Universums bestimmt somit seine Gestalt – und seine Zukunft.
Die globale Krümmung des Raums kann positiv, negativ oder null sein. In den beiden letzteren Fällen spricht man von einem offenen Universum, bei positiver Krümmung von einem geschlossenen.
Will man die Zukunft verstehen, ist ein Blick in die Vergangenheit oft von Vorteil. Dies gilt auch für das Universum. Direkt nach dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren, bei dem Zeit und Raum entstanden, expandierte das junge All unfassbar schnell. Innerhalb eines winzigen Bruchteils einer Sekunde dehnte sich das Universum während der Phase der Inflation überlichtschnell aus. Danach verlangsamte sich die Expansion zunächst deutlich, nahm später aber wieder zu. Auch heute noch dehnt sich das All aus, und zwar seit etwa 7,5 Milliarden Jahren nach dem Urknall immer schneller.
Eigentlich hätte die Expansion des Alls sich jedoch verlangsamen müssen. Um die Beschleunigung der Ausdehnung zu erklären, ziehen die Astrophysiker die sogenannte Dunkle Energie heran. Dabei handelt es sich um eine hypothetische Form der Energie, die bisher experimentell nicht direkt nachgewiesen werden konnte und deren Eigenschaften Gegenstand der Spekulation sind. Dunkel ist sie, weil sie sich nicht durch elektromagnetische Strahlung bemerkbar macht.
Die mysteriöse Dunkle Energie, die als kosmische Abstossung das All auseinandertreibt, ist der Gegenspieler der Gravitation, die alle Massen zu vereinen sucht. Die Dunkle Energie wird allerdings immer grösser, je weiter sich der Raum ausdehnt, denn ihre Energiedichte – die Energie pro Raumvolumen – bleibt konstant. Das gegenwärtige Universum besteht zu 68,3 Prozent aus Dunkler Energie – die sichtbare, uns vertraute Materie macht nur gerade 4,9 Prozent aus, der Rest (26,8 %) besteht aus Dunkler Materie.
Da die Astrophysiker bei der Dunklen Energie derzeit weitgehend im Dunklen tappen, können sie keine sicheren Aussagen über die Zukunft des Universums treffen. Je nachdem, ob die Dunkle Energie oder die Gravitation die Oberhand behält, wird die Expansion des Alls sich weiter beschleunigen, gleich bleiben oder verlangsamen – möglicherweise wird sie sich sogar umkehren und in eine Kontraktion übergehen.
Wird die Dunkle Energie irgendwann doch wieder schwächer und obsiegt die Gravitation, leben wir in einem geschlossenen, endlichen Universum, das positiv gekrümmt ist. Die Energiedichte der Materie reicht in diesem Fall aus, um die Expansion des Alls aufzuhalten und umzukehren. Die Astrophysiker nennen dieses Szenario in Analogie zum «Big Bang» (Urknall) «Big Crunch» (etwa «grosses Zusammenkrachen»).
Die Kontraktion lässt das Universum wieder schrumpfen, zunächst langsam, dann immer schneller. Es wird dichter und heisser, bis die gesamte Materie wie in einer kosmischen Schrottpresse auf engstem Raum zusammengedrückt wird. Der Druck sprengt die Atome und danach sogar die Atomkerne in subatomare Teilchen. Es entstehen Schwarze Löcher, die zu einem einzigen Schwarzen Loch verschmelzen.
Beim finalen Kollaps, der in rund 100 Milliarden Jahren eintritt, stürzen schliesslich Materie, Zeit und Raum in einem unendlich kleinen Punkt zusammen – eine Art umgekehrter Urknall. Wie bei diesem handelt es sich beim Big Crunch um eine sogenannte Singularität – eine Situation, in der Dichte und Raumkrümmung unendlich gross sind und die daher mathematisch-physikalisch nicht beschreibbar ist. Das Szenario des Big Crunch gilt derzeit als eher unwahrscheinlich.
Die Symmetrie des Big-Crunch-Szenarios verleitet zum Gedankenspiel, dass auf die Kontraktion eine erneute Expansion folgen könnte – auf jeden Big Crunch also ein neuer Big Bang. Damit entwirft dieses Szenario namens «Big Bounce» («grosser Rückprall») ein zyklisches oder oszillierendes Universum. Dabei ergibt sich jedoch das Problem der Singularität, die ausserhalb der Raumzeit steht und dadurch verhindert, dass überhaupt ein «Davor» denkbar ist.
Einige Vertreter der Big-Bounce-Theorie umgehen dieses Problem dadurch, dass sie annehmen, Masse, Zeit und Raum würden beim Kollaps des Vorgängeruniversums auf einen winzigen Punkt zusammengedrängt, der aber nicht ausdehnungslos ist. Bevor die Singularität eintritt, sorgen Quanteneffekte dafür, dass die Gravitation sich von einer anziehenden in eine abstossende Kraft wandelt – die Kontraktion schlägt in Expansion um.
Andere Astrophysiker, die ebenfalls das Big-Bounce-Szenario favorisieren, lösen das Singularitätsproblem jedoch anders: Sie betrachten unser vierdimensionales Weltall als Teil eines höherdimensionalen Meta-Universums. Wenn es sich extrem ausgedehnt hat, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass es mit einem anderen vierdimensionalen All zusammenstösst. Beide verschmelzen und werden durch die enormen Gravitationskräfte immer kleiner, bis es zu einem Rückprall kommt und das neue Universum sich wieder ausdehnt. Nach Trillionen von Jahren ist es wieder so gross, dass ein erneuter Zusammenstoss wahrscheinlich wird.
Wie das Big-Crunch-Szenario ist der Big Bounce unter den Astrophysikern derzeit wenig populär, weil es als unwahrscheinlich gilt, dass die Expansion des Alls reversibel ist.
Das Szenario des «Big Freeze» («grosses Einfrieren»), auch unter den Bezeichnungen «Big Chill» («grosse Kühle») oder «Big Whimper» («grosses Wimmern») bekannt, gilt als wahrscheinlichstes Schicksal des Universums. Es ist bedeutend weniger spektakulär als der Big Crunch und basiert darauf, dass sich das All immer weiter ausdehnt und nicht mehr zusammenzieht.
Dies geschieht in zwei Fällen: Ein offenes, negativ gekrümmtes Universum würde auch ohne Dunkle Energie expandieren, nur geringfügig gebremst durch die Gravitation. Kommt Dunkle Energie hinzu, beschleunigt sich die Expansion. Ein offenes, flaches Universum dehnt sich ohne Dunkle Materie ebenfalls für immer aus, allerdings verlangsamt sich die Expansion dabei kontinuierlich und strebt gegen null. Mit Dunkler Materie hingegen schwächt sich die Ausdehnung zuerst ab, beschleunigt sich dann aber wieder.
Die Folge der steten Expansion sind unerfreulich: Der Abstand zwischen den Sternen und Galaxien wird immer grösser und das Universum kühlt sich ab. Nach Billionen von Jahren ist nicht mehr genug Gas vorhanden, aus dem neue Sterne entstehen können; den bestehenden Sternen geht der Brennstoff aus und sie verlöschen. Von der Erde aus gesehen, würde ein Stern nach dem anderen vom Nachthimmel verschwinden. Nach etwa hundert Billionen Jahren gibt es nur noch ausgebrannte Sonnen, kalte, leblose Planeten und Schwarze Löcher.
Möglicherweise werden danach auch die Protonen zerfallen und damit wird alle Materie in Strahlung umgesetzt; einzig die Schwarzen Löcher könnten noch eine Weile – stets weiter voneinander entfernt im immer noch expandierenden All – bestehen bleiben. Schliesslich werden auch sie durch den Effekt der Hawking-Strahlung verdampfen. In 10200 Jahren bleibt nur noch ein trostloses, leeres Universum mit einer geringfügigen Strahlung übrig, dessen Temperatur nur äusserst knapp über dem absoluten Nullpunkt liegt.
Wenn die Dunkle Energie die bizarre Form der Phantom-Energie annimmt, wird sie so stark, dass die Beschleunigung der Expansion grenzenlos zunimmt. Sie überwältigt dann den Einfluss der vier Grundkräfte der Physik – Gravitation, Elektromagnetismus, schwache sowie starke Wechselwirkung – komplett, und es kommt zum «Big Rip» («grosses Zerreissen»).
Beginnend bei den grössten Strukturen, den Galaxienhaufen, zerreisst die Dunkle Energie das Universum, bis schliesslich nach den Sternen und Planeten selbst die Atome und Elementarteilchen auseinandergerissen werden. Da die Katastrophe also gewissermassen von aussen nach innen verläuft, könnte ein hypothetischer Beobachter dem Vernichtungswerk bei stetig schrumpfendem Beobachtungshorizont zusehen, bis er selber an der Reihe wäre.
Dieser Vorgang, der dem Weltall in der kosmologisch relativ kurzen Zeit von 35 bis 50 Milliarden Jahren den Garaus macht, endet in einer Singularität, die in Analogie zum Urknall mitunter auch «Endknall» genannt wird. Ob es dazu kommen wird, ist noch unklar, da die Beobachtungsdaten Messfehler enthalten.
* In einer früheren Version des Artikels waren die Angaben zum Verhältnis von mittlerer Dichte zur kritischen Dichte bei der positiven und negativen Krümmung irrtümlich vertauscht.