Vor rund 100 Jahren verschwand das Kurzschnäuzige Seepferdchen («Hippocampus hippocampus») aus dem deutschen Wattenmeer. Eine Pilzinfektion vernichtete in den 1930er-Jahren fast sämtliche Seegraswiesen, womit der Lebensraum der putzigen Wassertiere quasi von heute auf morgen zerstört war.
Doch nun scheinen die Seepferdchen in die Nordsee zurückgekehrt zu sein: Allein in den vergangenen beiden Jahren wurden 70 Strandfunde von angespülten Seepferdchen in der Datenbank des Portals «Beach Explorer» verzeichnet. Zum Vergleich: Von 1949 bis 2019 waren es lediglich 12 Meldungen.
Noch geben die Funde der seltenen Tiere Forschern Rätsel auf. Es ist bislang nicht eindeutig geklärt, woher die Tiere stammen oder ob es möglicherweise feste Populationen in der deutschen Nordsee gibt. «Die Funde zeigen, dass Seepferdchen in den Spülsäumen im Wattenmeer häufiger werden», sagte Hans-Ulrich Rösner, Leiter des WWF-Wattenmeerbüros. «Auch wenn die Tiere immer noch selten sind, so ist das doch ein Anlass zur Freude.»
Ob bereits wieder eine feste Population in der Nordsee lebt, ist allerdings noch unklar: «Wir wissen aber bisher nicht, ob sich die Seepferdchen schon bei uns im Wattenmeer angesiedelt haben oder ob sie durch Stürme von anderen Küsten angetrieben werden», erklärt Rösner.
Die Forscher hoffen deshalb auf weitere Seepferdchen-Funde, damit sie die vage Datenlage verbessern und umfassende Aussagen zum Vorkommen der Wassertiere machen können. Der Lebensraum der Seepferdchen sind eigentlich Tang-, Algen- oder Seegraswiesen, die ständig mit Wasser überflutet sind. Im deutschen Wattenmeer sind solche Habitate derzeit aber nicht bekannt – jedoch vor der niederländischen Küste und im Ärmelkanal.
Deshalb ist eine These der Forscher, dass die Tiere von dort verdriftet und an der deutschen Küste angespült werden. Dafür spreche auch, dass bislang nur junge männliche Tiere gefunden werden, sagte Wiggering. Gäbe es eine feste Population, müssten auch ältere oder weibliche Tiere mit der Zeit entdeckt werden.
Eine andere These ist, dass es neben Seegraswiesen auch andere, neue Lebensräume für die Tiere gibt. An den Fundamenten von Offshore-Windkraftanlagen etwa siedele sich Blasentang an, in dem auch Seepferdchen leben könnten. Auch inwieweit die Erwärmung der Nordsee einen Einfluss auf das Vorkommen haben könnte, wollen die Forscher beobachten. «Wir haben die Hypothese, dass der Klimawandel das Vorkommen der Seepferdchen positiv bedingen kann», erklärte Benedikt Wiggering, Experte für Biodiversität bei der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer in Wilhelmshaven. (pre)