Wissen
Schweiz

Prognose für den Winter 2024/25: Viel oder wenig Schnee für die Schweiz?

Polarwirbel und erste Langzeitprognosen: So könnte der Winter werden

Ein Blick auf die aktuelle Verfassung des berüchtigten Polarwirbels sowie auf die neuesten Langfristprognosen.
14.11.2024, 09:5514.11.2024, 12:19
Lara Knuchel
Mehr «Wissen»

Alle Jahre wieder ... kommen vor der kalten Jahreszeit nicht nur bald der Samichlaus und der Feiertagsstress, sondern auch die Spekulationen darüber, wie der Winter wohl sein wird. Die Winterliebenden in der Schweiz hoffen meist auf schön kühle und schneereiche Monate – und meistens werden sie enttäuscht.

So fiel der Winter 2022/23 extrem schneearm aus, der darauffolgende hingegen war äusserst nass – dafür aber, zumindest nördlich der Alpen, um fast vier Grad wärmer als der Durchschnitt der Jahre 1961 bis 1990. Damit war der letztjährige Winter teilweise sogar der wärmste seit Beginn der systematischen Aufzeichnungen.

Two persons on snow shoes enjoy the wonderful winter weather during their tour, on the Alp Sut, above Bonaduz, with a view on the city of Chur, Switzerland, Tuesday, January 10, 2012. (KEYSTONE/Arno B ...
Wiedermal ein anhaltend kühler Winter mit richtig viel Schnee – das wär's doch?!Bild: KEYSTONE

Ob Schnee- und Winterfans abermals enttäuscht werden, ist schwer bis kaum vorherzusagen. Aber wir können zumindest einmal einen vorsichtigen Blick auf den Zustand des Polarwirbels sowie auf die neusten Langfristprognosen der grossen Wetterdienste werfen.

Die aktuelle Situation

Diese Woche haben uns erstmals richtig tiefe Temperaturen erreicht. Trotzdem lässt der erste Frost im Flachland noch auf sich warten. «In den kommenden Tagen wird es zwar knapp, vielerorts dürfte sich der erste Frost aber weiterhin nicht einstellen», schreibt der Schweizer Wetterdienst MeteoNews dazu. Das ist eher spät: Im langjährigen Mittel wird es demnach im Norden der Schweiz erstmals zwischen Ende Oktober und Mitte November frostig. Wahrscheinlich wird es aber in der zweiten Hälfte der nächsten Woche so weit sein. «Dies wäre aber dann deutlich später als üblich», so MeteoNews.

Grundsätzlich gilt: Ob und wann es so richtig kalt wird, hängt im Winter vom sogenannten Polarwirbel ab.

Der Polarwirbel

In den Wintermonaten entsteht jedes Jahr über den Polen abwechslungsweise ein sogenanntes Höhentief. Das bedeutet, es kommt in grossen Höhen zu extrem kalter Luft. Dem liegt zugrunde, dass in den Wintermonaten an den Polen das Sonnenlicht die hohen Breiten nicht mehr erreicht. Der Austausch der Luftmassen findet dadurch nur noch begrenzt statt.

Ein Vergleich zwischen einem stabilen und einem gestörten Polarwirbel.
Das Bild zeigt den Vergleich zwischen einem stabilen (links) und einem «gestörten», oder welligen, Polarwirbel.Bild: NOAA

In der Folge kann sich ein mächtiger, im Normalfall abgeschlossener Kaltluftkörper bilden. Abgeschlossen wird die Luft nämlich durch einen starken Jetstream, den Polarjetstream. Wie sich nun das Wetter in den verschiedenen Breitengraden gestaltet, hängt massgeblich von der Stärke und der Richtung dieses Starkwindbands ab: Ist die Lage wie im Bild links, dann besteht eine starke Westwindströmung bei uns. Das bringt keine extrem tiefen Temperaturen zu uns, dafür gelegentlich Sturmtiefs, die sich im Atlantik aufgebaut haben. Mit anderen Worten: Eine solche Lage mit starkem Jetstream und «eingeklemmter» Kaltluft über dem Nordpol äussert sich bei uns in Form eines eher milden, dafür niederschlagsreichen Winters.

Beginnt umgekehrt der Polarjetstream instabil zu werden, können Teile des Kaltluftkörpers abgedrängt werden. Dabei gelangt besonders kalte Luft aus dem Norden bis weit in den Süden hinein.

Wie sieht das derzeit aus? «Aktuell ist der stratosphärische Polarwirbel gut ausgebildet und aus dieser Sicht gesund», schreibt MeteoNews im aktuellen Meteoblog.

Und ein Blick in die Trends für den Polarwirbel zeigt: Das dürfte auch noch eine Weile so bleiben.

«Der stratosphärische Kaltluftkörper bleibt [...] geschlossen und die ihn umgebende Westwindzirkulation erhalten. Bis weit in den Dezember hinein wird sich daran wohl nur wenig ändern.»
MeteoNews

Das zeigt sich auch an den Prognosen für die Windverhältnisse: Auch der europäische Wetterdienst zeigt in fast allen Modellen weiter anhaltende Westwinde. Ein wirklich durchgreifende Durchmischung der oberen Kaltluft mit der unteren Luftschicht wird damit wohl nicht eintreffen, und extreme Kaltluftausbrüche bis weit nach Süden werden unwahrscheinlicher, so MeteoNews.

Die Modelle und deren Limitierungen

Und wie sieht es darüber hinaus aus? Um diese Frage zu beantworten, kann man sich die aktuellen Saisonprognosen der grossen Wetterdienste anschauen. Wichtig ist:

«Dabei handelt es sich um keine konkrete Wetterprognose, sondern um ein grossräumiges und langfristiges Abschätzen von Strömungs- und Druckmustern. [...] Es ist nur ein grober Trend!»
MeteoNews

Der Unsicherheitsfaktor ist also gross, wirklich genau sind Wetterprognosen immer nur für die unmittelbar kommenden Tage. Langfristige Wetterprognosen werden gleichzeitig aber immer besser, so haben sie beispielsweise den Hitzesommer im Jahr 2022 ziemlich präzise vorausgesagt.

Die Wetter-Institute

Institute und Behörden wie die National Centers for Environmental Prediction (NCEP) oder das die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA; Nationale Ozean- und Atmosphärenbehörde) aus den USA erstellen mittel- bis langfristige Prognosen für den Niederschlag, die Druckverteilung und die Temperaturen. In Europa gilt das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) als die beste Anlaufstelle für Prognosen, die etwas ferner in der Zukunft liegen. Aber auch der deutsche Wetterdienst oder das französische Pendant, Méteo France, ermitteln längerfristige Trends.

Die Modelle

Als Grundlage langfristiger Prognosen dienen den Modellen zahlreiche Variablen innerhalb eines extrem komplexen Systems, darunter die Position und Bewegung des Jetstreams sowie verschiedene Luftdrucksysteme. Ausserdem entscheidend ist – zwar kaum für die Schweiz und Europa – die sogenannte ENSO, die El Niño-Southern Oscillation. Sie beschreibt das komplexe System im südlichen Pazifik, das sich in unregelmässigen Ausprägungen der Ozeantemperaturen und der Windsysteme äussert.

Die Prognosen: «Seasonal Forecasts»

Luftdruck

Sowohl das europäische als auch das US-amerikanische Wetter-Institut gehen davon aus, dass die kommenden Wintermonate von überdurchschnittlich hohem Luftdruck über dem Atlantik (auch als Azorenhoch bezeichnet) geprägt sein werden.

Abweichung des Luftdrucks gegenüber dem langjährigen Mittel in Europa für die Monate Dezember, Januar und Februar (ECMWF) 2024/25
Abweichung des Luftdrucks gegenüber dem langjährigen Mittel (1993-2016) in Europa für die Monate Dezember, Januar und Februar.Bild: ecmwf

Die neusten Prognosen der NOAA prognostizieren dabei auch besonders für den Mittelmeerraum überaus hohen Luftdruck. Dasselbe gilt in abgeschwächter Form auch für einen Grossteil des europäischen Kontinents. Gleichzeitig scheint über Nord-Skandinavien eher ungewöhnlich tiefer Luftdruck zu herrschen.

Das könnte für das Wetter bedeuten: «Die Zugbahn der Tiefs scheint nach diesen Daten also in vielen Fällen eher weiter nördlich zu verlaufen», so MeteoNews. Mit anderen Worten: Grössere Wetter-Störungen in Form von Tiefdruckgebieten mit Niederschlägen, die aus der «Wetter-Küche», dem Atlantik, stammen, ziehen in diesen Wintermonaten eher nördlich der Schweiz durch.

Niederschlag

Diese Luftdruckverteilung dürfte Auswirkungen, besonders auf den Niederschlag, haben. Insbesondere das US-Modell, in Teilen aber auch das europäische, prognostizieren entsprechend relativ viel Niederschlag für den Norden Europas und relativ wenig für den Süden. Die Schweiz scheint sich gerade dazwischen zu befinden. Hier sieht es also in der Tendenz und Niederschlags-mässig nach einem durchschnittlichen Winter aus.

Abweichung der Niederschläge gegenüber dem langjährigen Mittel in Europa für die Monate Dezember, Januar und Februar (CFSv2, NOAA) 13. November 2024
Abweichung der Niederschläge gegenüber dem langjährigen Mittel in Europa für die Monate Dezember, Januar und Februar.Bild: NOAA/tropicaltitbits

Temperaturen

Es ist mittlerweile keine Überraschung mehr, viel eher ist es die neue Normalität: Die Winter sind alle überdurchschnittlich warm. Dasselbe gilt mit ziemlicher Sicherheit auch für die kommenden Monate.

Abweichung der Temperatur gegenüber dem langjährigen Mittel in Europa für die Monate Dezember, Januar und Februar (13. November 2024)
Abweichung der mittleren Temperatur gegenüber dem langjährigen Mittel in Europa für die Monate Dezember, Januar und Februar.Bild: ecmwf

Was sich allerdings von Winter zu Winter unterscheidet, sind die erwarteten Temperatur-Hotspots. Kommenden Winter sieht es danach aus, als dass die Ausschläge gegen oben besonders im Nord-Osten Europas stattfinden. Kältepole, schreibt MeteoNews, suche man hingegen vergeblich. Und:

«Dies bedeutet nicht, dass es bei uns nicht ab und zu auch kältere Phasen mit Schnee bis in tiefe Lagen gibt, wirklich nachhaltig dürfte das aber wie schon im letzten Winter nicht sein.»
MeteoNews

Was ist also das – vorsichtige und vorläufige – Fazit? Derzeit deuten die Wetter-Modelle (mal wieder) auf einen überdurchschnittlich warmen Winter hin. Sowohl der Zustand des Polarwirbels in naher Zukunft als auch die saisonalen Prognosen suggerieren zudem eine geringe Wahrscheinlichkeit für lange Kälteperioden, zumindest bis Ende Jahr. Überdurchschnittlich viel Niederschlag sowie grössere Wetter-Störungen dürften eher im Norden Europas vorkommen, im Süden hingegen sind unterdurchschnittliche Mengen wahrscheinlicher. Die Niederschläge in der Schweiz dürften durchschnittlich ausfallen – im Flachland aufgrund der (zu) hohen Temperaturen aber eher in Form von Regen als Schnee fallen.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
56 Gründe, weshalb es im (!) Nebel schöner ist als darüber
1 / 58
56 Gründe, weshalb es im (!) Nebel schöner ist als darüber
In dieser Slideshow gibt es grob gesehen zwei Grundfarbtöne: Durch die Sonne oder die Vegetation wird das Bild gelblich – wie hier in der Aufnahme von Michael Reubi – oder, was naheliegender ist, das Bild erhält durch den Nebel die unterschiedlichsten Grautöne.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Unwetterchaos An Spaniens Ostküste
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
101 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Posersalami
14.11.2024 10:14registriert September 2016
Im Westen nichts neues. Der Klimawandel schreitet voran und bringt exakt das mit, was bereits vor 40 Jahren vorhergesagt wurde. Ich denke, es ist keiner mehr überrascht, oder?
15642
Melden
Zum Kommentar
avatar
same shit different day
14.11.2024 13:48registriert Oktober 2022
wenn ich so schaue wie meine Katze das Futter verschlingt und jetzt schon gefühlt das dreifache an Kuschelmasse (inkl. Fell) zugelegt hat, wirds ein harter Winter😅
433
Melden
Zum Kommentar
avatar
Pummelfee
14.11.2024 12:04registriert Mai 2020
Diese Prognosen sind aber auch nicht verlässlicher als die der Muotataler Wetterschmöcker. Also bleibts dabei: es gibt Wetter…
5832
Melden
Zum Kommentar
101
Schweizer Hotellerie mit neuem Sommer-Rekord – diese Gäste haben dafür gesorgt

Die Schweizer Hotellerie hat im Oktober wieder mehr Logiernächte verzeichnet. Nach dem Rückgang im September sorgten zusätzliche Gäste aus dem Ausland für die Trendwende. Damit erreichte die Branche einen neuen Rekordwert für die Sommersaison und bleibt auch für das Gesamtjahr auf Rekordkurs.

Zur Story