Die Vereinten Nationen verhängen angesichts der Wucht des Klimawandels innerhalb einer einzigen Generation erneut die höchste Alarmstufe. Dies teilte die Weltwetterorganisation (WMO) bei der Vorstellung ihres Berichts über den Zustand des Weltklimas 2024 mit.
Die globale Durchschnittstemperatur habe von Januar bis September dieses Jahres bei der Rekordmarke von 1,54 Grad über dem vorindustriellen Niveau (1850–1900) gelegen, berichtet die WMO auf der Weltklimakonferenz in Baku in Aserbaidschan. Klimaforscher rechnen kaum damit, dass sich daran bis Jahresende noch viel ändert.
Dass 2024 das wärmste Jahr seit gewesen sein dürfte, hatte schon der EU-Klimawandeldienst Copernicus berichtet. Die WMO wertet für ihre Prognosen dessen Daten und die von fünf weiteren Instituten aus.
Bislang war 2023 das wärmste Jahr seit der Industrialisierung (1850–1900), mit einer globalen Durchschnittstemperatur von plus 1,48 Grad. Weil die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre weiter steigt, dürfte der Klimawandel sich mit höheren Temperaturen, steigendem Meeresspiegel, mehr Dürren und Waldbränden und Extremwetter weiter beschleunigen, so die WMO.
Das weltweite Ziel, die Erwärmung möglichst unter 1,5 Grad zu halten, um die schlimmsten Klimawandelfolgen abzuhalten, ist mit einem Jahr mit über 1,5 Grad Erwärmung noch nicht verfehlt. Dafür gibt zu viele kurzfristige natürliche Einflüsse auf das Klima, so die WMO.
Dazu gehört etwa das alle paar Jahre spürbare Phänomen El Niño, das 2023 und Anfang 2024 noch einen wärmenden Effekt hatte.
Für das Ziel wird ein Durchschnittswert über mindestens zwei Jahrzehnte angesetzt. Im langjährigen Mittel liege die Erwärmung nach Beurteilung von WMO-Experten zurzeit bei etwa 1,3 Grad über vorindustriellem Niveau.
«Die rekordverdächtigen Regenfälle und Überschwemmungen, die Wirbelstürme, die plötzlich rapide gefährlicher werden, die tödliche Hitze, die unerbittliche Dürre und die schlimmen Waldbrände, die wir in diesem Jahr in verschiedenen Teilen der Welt erlebt haben, sind leider ein Vorgeschmack auf unsere Zukunft», sagte WMO-Generalsekretärin Celeste Saulo.
Die Zehn-Jahres-Periode 2015 bis 2024 sei die wärmste Dekade seit Beginn der Beobachtungen vor 175 Jahren gewesen, so die WMO.
Ozeane seien im vergangenen Jahr im Durchschnitt so warm gewesen wie nie seit Beginn der Aufzeichnungen. Vorläufige Daten deuteten darauf hin, dass die Temperaturen in diesem Jahr ähnlich hoch lagen. 90 Prozent der Energie der Erde würden in den Ozeanen gespeichert. Die Erwärmung sei eine Veränderung, die auf hunderte bis tausende Jahre unumkehrbar sei.
Der Meeresspiegel sei wegen der Ausdehnung des wärmeren Wassers und der Eisschmelze von 2014 bis 2023 um 4,77 Millimeter pro Jahr gestiegen, mehr als doppelt so schnell wie 1993 bis 2002. Im vergangenen Jahr hätten die Gletscher weltweit mehr Eis verloren als in jedem anderen Jahr seit Beginn der Messungen 1953.
Die Erwärmung der Ozeane die Gletscherschmelze und der Anstieg des Meeresspiegels beschleunigten sich und Extremwetter richteten verheerende Schäden an.
In Aserbaidschan hat die Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen begonnen. UN-Klimachef Simon Stiell warnte zur Eröffnung: «Wir können Baku nicht ohne ein vernünftiges Ergebnis verlassen.»
Im Fokus der zweiwöchigen Konferenz in der autoritär regierten Ex-Sowjetrepublik stehen neue Finanzzusagen an arme Länder.
Entwicklungsstaaten und Umweltorganisationen erwarten, dass die Industriestaaten jährlich mindestens eine Billion US-Dollar mobilisieren – zehnmal mehr als die aktuell zugesagten 100 Milliarden pro Jahr.
«Wir sollten uns von der Vorstellung verabschieden, dass Klimafinanzierung Almosen sind», sagte Stiell. «Ein ehrgeiziges neues Klimafinanzierungsziel liegt ganz im Eigeninteresse jeder Nation, auch der grössten und reichsten.»
Knapp 200 Staaten beraten in Aserbaidschan über die Eindämmung der Erderhitzung und die Abfederung ihrer fatalen Folgen. Die Verhandlungen der Konferenz könnten sich manchmal weit weg anfühlen von konkreten Opfern der Klimakrise, sagte Stiell.
«Aber wir wissen, dieser Prozess funktioniert. Ohne ihn würde die Menschheit auf fünf Grad Erderwärmung zusteuern.»
Nach Berechnungen der Vereinten Nationen steuert die Welt derzeit stattdessen auf 2,6 bis 3,1 Grad Erwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu – was erhebliche Teile der Erde unbewohnbar machen würde. Vereinbartes Ziel ist es, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.
In diesem Jahr hat sich der Planet erstmals um mehr als 1,5 Grad aufgeheizt. Das 1,5-Grad-Ziel gilt aber noch nicht als verfehlt, denn dafür sind längerfristige Durchschnittswerte massgeblich.
Zum Konferenzpräsidenten wurde der aserbaidschanische Umweltminister Mukhtar Babayev per Akklamation des Plenums gewählt. Die Personalie hatte für Irritationen gesorgt, weil er zuvor mehr als 20 Jahre für den staatlichen Ölkonzern Socar tätig war.
Er versprach dem Plenum, ehrgeizige Beschlüsse anzustreben. Die jetzige Klimapolitik führe die Menschheit «in den Ruin». «Schon jetzt leiden Menschen im Schatten, und sie sterben im Dunkeln.» (rbu/dab/sda/dpa)