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Du willst nur das Beste? Voilà:
In zwei Wochen
findet die Gesamterneuerungswahl des Bundesrats statt. Für Aufregung
sorgt nur eine Personalie: Wer wird Nachfolger von Eveline
Widmer-Schlumpf (BDP)? Mit grösster Wahrscheinlichkeit wird ein
SVP-Bewerber (Frauen stehen nicht zur Debatte) ihren Sitz übernehmen.
Die Partei hat ein Dreierticket mit den Nationalräten Thomas Aeschi
(Zug), Guy Parmelin (Waadt) und dem Tessiner Regierungsrat Norman
Gobbi nominiert.
Die Begeisterung
hält sich in Grenzen. Viele sehen darin eine verkappte
Einerkandidatur des treuen Blocher-Gefolgsmannes Aeschi. Für Unmut
sorgen auch die Manöver, mit denen die SVP die Wahl eines nicht
offiziellen Kandidaten unter allen Umständen verhindern will. So
mussten alle elf Bewerber, die sich bei der internen
Findungskommission gemeldet hatten, gemäss der NZZ schriftlich
versichern, dass sie eine Wahl gegen den Willen der Partei ablehnen
werden.
Als zusätzliche
Sicherung hat die SVP nach der Abwahl von Christoph Blocher 2007 eine
Klausel in ihre Statuten aufgenommen, wonach ein nicht nominierter
Kandidat bei Annahme der Wahl automatisch aus der Partei
ausgeschlossen wird. Der St.Galler Staatsrechtler Philippe
Mastronardi bezeichnete diese Ausschlussklausel in der NZZ als
verfassungswidrig, weil sie die Wahlfreiheit der Bundesversammlung in
unzulässiger Weise einschränke.
Die SVP weist diese
Interpretation zurück. Das Parlament könne einen «wilden» Kandidaten wählen und dieser die Wahl auch annehmen, nur werde er
dann aus der Partei ausgeschlossen. Ausserdem hat sie eine «Hintertür» eingebaut: Bundeshausfraktion und Zentralvorstand
können jeweils mit Zweidrittelmehrheit beschliessen, den Ausschluss
rückgängig zu machen. Und je nach Verlauf der Wahl könnte die SVP
wohl auch im Eilverfahren einen Kandidaten nachnominieren.
Trotzdem betrachten
Politiker aus anderen Parteien die Ausschlussklausel als Zwängerei.
Der Baselbieter SP-Nationalrat Eric Nussbaumer bezeichnete sie
gegenüber dem Tages-Anzeiger als «Hinderungsgrund für einen
zweiten SVP-Sitz». Die Bundesversammlung stehe vor einem
Grundsatzentscheid: «Es geht darum, wie wir mit einer Partei
umgehen, welche die Wahlfreiheit des Parlaments nicht respektiert und
mit ihren Initiativen rechtsstaatliche Prinzipien verletzt.»
Den zweiten Punkt
kann man der SVP ankreiden. Was jedoch den fehlenden Respekt vor der
Wahlfreiheit des Parlaments angeht, sollte Nussbaumer einen Blick in
die Annalen seiner eigenen Partei werfen. Ausgerechnet die SP ist
verantwortlich für den bislang einzigen Fall in der Geschichte des
Bundesstaats, in dem ein von der Bundesversammlung bereits gewählter
Kandidat von seiner Partei zum Verzicht auf das Bundesratsamt
genötigt wurde.
Nach dem Rücktritt
des Neuenburgers René Felber wollte die SP 1993 endlich eine Frau in
den Bundesrat bringen. Zehn Jahre zuvor war sie mit Lilian Uchtenhagen gescheitert. Nach einer wüsten Schlammschlacht
wählte das Parlament den Solothurner Otto Stich. Nun wiederholte
sich das hässliche Spektakel. Die SP nominierte als einzige Kandidatin die
Genfer Nationalrätin Christiane Brunner, die den Bürgerlichen
suspekt war. Ihre Patchworkfamilie wurde ihr ebenso angekreidet wie
ihr Aussehen. So wurde sie despektierlich als «Serviertochter» bezeichnet.
Prompt wählte die
bürgerliche Mehrheit am 3. März 1993 den Neuenburger National- und
Staatsrat Francis Matthey im zweiten Wahlgang in den Bundesrat. Die
Empörung war riesig, erneut hatten die Bürgerlichen die Wahl einer
Frau verhindert. Matthey bat nach Rücksprache mit der SP-Fraktion um
eine Woche Bedenkzeit. Der Druck, der auf ihm lastete, war gewaltig.
Parteipräsident Peter Bodenmann und Generalsekretär André Daguet
nahmen Matthey in seinem Haus so lange in den Schwitzkasten, bis er
sich zum Verzicht auf die Wahl bereit erklärte.
Am 10. März trat Francis Matthey mit versteinerter Miene ans Mikrophon und gab seinen Entschluss bekannt: «Ich muss meine Wahl in den Bundesrat ablehnen.» Wirklich verwunden hat er diese Demütigung nie. Doch auch die SP musste nachgeben, sie nominierte neben Brunner die kaum bekannte Gewerkschafterin Ruth Dreifuss. Sie wurde im zweiten Wahlgang mit 144 Stimmen in die Landesregierung gewählt. Es war das Ende der peinlichsten Bundesratswahl in der Geschichte der Schweiz.
Man kann das
Verhalten der SP mit dem Grundsatz «Der Zweck heiligt die Mittel» rechtfertigen. Dreifuss war nach Elisabeth Kopp erst die zweite Frau
im Bundesrat. Weniger erfreulich ist die Tatsache, dass sie im Umgang mit der SVP wiederholt die gleichen Spielchen praktizierte wie einst die
Bürgerlichen mit ihr. «Wenn es darum geht, unliebsame
Kandidaten der politischen Gegner zu verhindern, gelten andere
Massstäbe», urteilte die NZZ.
Bei der Wahl von
Samuel Schmid als «wilder» Kandidat im Jahr 2000 war dies
ebenso der Fall wie bei der ominösen Abwahl von Christoph Blocher
2007 und ein Jahr später beim knapp gescheiterten Versuch, Hansjörg
Walter anstelle von Ueli Maurer in den Bundesrat zu befördern. Man
darf das rigide Verfahren der SVP kritisieren, mit dem sie die Wahl
eines nicht genehmen Kandidaten verhindern will. Angesichts dieser
Beispiele aber ist es nicht unverständlich.