«Es isch eifach wieder mal zum Chotzä z'Züri!» Mit diesem Satz sorgte ein Swiss-Pilot für viel Aufregung. Er ärgerte sich darüber, dass seine Starterlaubnis immer wieder verschoben wurde, wodurch er nicht abheben konnte. So unangebracht der Ausraster des Swiss-Piloten ist, er ist ein Symptom für das chronische Problem am Zürcher Landesflughafen. Immer mehr Flugzeuge starten und landen in Kloten, die Kapazitäten werden immer kleiner, das System stösst an seine Grenzen. Die Leidtragenden sind unter anderem die Piloten.
watson hat mit Tobias Mattle, Pilot und Vizepräsident des Berufsverbands Aeropers, gesprochen und ihn gefragt, ob Piloten heutzutage mehr unter Stress stehen als noch vor zehn Jahren. Und ob der Job Pilot in seinen Augen immer noch ein Traumberuf ist.
Herr Mattle, können Sie den Ausraster des Swiss-Piloten nachvollziehen?
Tobias Mattle: Die Reaktion war sicher nicht professionell, aber nachvollziehbar und menschlich. Die ständigen Verspätungssituationen sind sehr belastend für Crew und Passagiere.
Das klingt, als wären auch Sie der Verspätungen müde ...
Die Kapazitäten am Flughafen Zürich sind wegen des politischen Korsetts und der steigenden Anzahl Flugbewegungen tatsächlich sehr ausgelastet. Kommen noch erschwerende Wettersituationen, wie beispielsweise starker Wind hinzu, können nicht mehr alle Pisten ideal genutzt werden. Das führt zu weiteren Verzögerungen. Gerade dieser Sommer war sehr anstrengend.
Für Passagiere bedeutet eine verspätete Maschine womöglich das Verpassen des Anschlussfluges. Was bedeuten Flugverspätungen für Piloten?
Als Pilot will man den Flugplan einhalten, schliesslich will man die Passagiere pünktlich an ihren Zielort bringen. Das ist oft sehr belastend und stressig. Natürlich bedeuten Verspätungen aber auch längere Arbeitszeiten für Piloten und Kabinenbesatzung.
Sie sitzen seit zehn Jahren im Cockpit. Was hat sich seither verändert?
Die Arbeitstage sind länger geworden. Auf den Piloten lastet sicher ein grösserer Druck als früher. Was aber momentan auch sehr schwierig ist, ist die Nachwuchsrekrutierung. Wegen des grossen Wachstums in der Branche, braucht es immer mehr Piloten, denn die Bestände sind momentan sehr knapp. Doch mir scheint, dass der Beruf vor allem bei der jüngeren Generation einiges an Attraktivität eingebüsst hat.
Woran liegt das? Ist Pilot zu sein kein Traumjob mehr?
Ich bin überzeugt, dass es immer noch ein Traumjob ist. Viele Berufseinsteiger werden aber abgeschreckt von der Fremdbestimmung im Job. Sie wünschen sich mehr Freiheiten und wollen flexibler sein. Als Pilot kann man nie mehr als einen Monat vorausplanen, weil die Arbeitspläne monatlich bekannt werden. Das und unregelmässige Arbeitszeiten machen es schwieriger, das Sozialleben darum herum zu organisieren.
Wie kann man den Job wieder attraktiver machen und die Piloten entlasten?
Die Airlines und Pilotenverbände sind gefordert, Arbeitsmodelle zu entwickeln, die den Anforderungen junger Menschen genügen und die Planbarkeit des Soziallebens ermöglichen. Zudem ist der Gesetzgeber gefordert. Er muss dafür sorgen, dass ein fairer Wettbewerb stattfindet und regulative Schlupflöcher schliessen. Gewisse Airlines nutzen jedes gesetzliche Schlupfloch und zahlen Piloten beispielsweise keinen Lohn, wenn sie krank sind. Solche Airlines üben Druck auf die ganze Branche aus und das schadet dem Beruf insgesamt.