Die Schweiz hat in den 1970er-Jahren mit der Quarztechnologie einen wesentlichen Entwicklungsschritt verpasst. Auch heute scheint kein Schweizer Uhrenunternehmen auf Smartwatches zu setzen. Droht der Uhrenindustrie eine neue Krise?
Jean-Claude Biver: Nein, das glaube ich nicht. Die Schweizer Uhrenindustrie hat verschiedene Krisen durchgemacht. Dadurch sind wir krisenresistent geworden. Ich selber habe zwei Krisen erlebt. Wenn eine Industrie eine Krise durchlebt hat, wird sie solide. Man darf nicht vergessen, dass die Schweizer Uhrenindustrie heute eine sehr starke und gesunde Struktur besitzt und ausserdem eine grosse finanzielle Unabhängigkeit geniesst. Ich kann jedenfalls nicht sagen, dass wir etwas verpasst hätten.
Die Schweizer Uhrenindustrie ist aber bei den Smartwatches nicht dabei.
Die Schweiz hat eine Uhrenindustrie, es fehlt hierzulande aber eine IT-Industrie wie in den USA oder Asien. Was man bisher vielleicht verpasst hat? Aber das kann man noch nicht sagen und vielleicht wird man auf der Basler Uhrenmesse bald einige Uhren, die mit Partnern entwickelt wurden, entdecken.
Was, Sie verhandeln mit Google über eine mögliche Kooperation?
Natürlich führen Hublot oder TAG Heuer Gespräche über Partnerschaften im Technologiebereich.
Mit Google?
Das kann ich nicht sagen. Partnerschaften sind immer auch gefährlich. Nehmen wir eine hypothetische Partnerschaft mit Apple: Glauben Sie, dass Apple Ihnen seine Technologie zur Verfügung stellt, bevor das Unternehmen nicht selber eine Uhr mit seiner Technologie auf den Markt gebracht hat? Nein: Apple nimmt die Technologie eines Allianzpartners, sei es ein Schweizer Uhrenunternehmen, und macht dann zuerst das eigene Produkt. Wenn wir Allianzen machen, müssen wir sicher sein, dass wir auch etwas in Priorität und sogar in Exklusivität bekommen.
Woran wären Sie denn interessiert?
In der Luft liegt derzeit das Thema flexible Bildschirme. Man könnte diese zum Beispiel an Uhrenbändern anbringen. Im frühen Entwicklungsstadium sind solche Technologien sehr teuer. Apple oder Samsung könnten das nie als Produkt für 800 Dollar auf den Markt bringen. Aber mit einem Luxusprodukt wie TAG Heuer oder Hublot, für das man über 1000 Franken zu zahlen bereit ist, wäre es möglich.
Dann arbeitet Hublot an einer Luxusuhr mit flexiblem Bildschirm?
Wir haben noch nichts Definitives, alles ist in der Luft. Aber wir suchen. Andere sicher auch. Die Schweizer sind unterwegs. Man soll nicht glauben, die Schweizer hätten etwas verpasst. Wir sind am Ball, aber Telekom ist nicht unser Metier. Wir können, ausser vielleicht Swatch Group, nur mit Partnern arbeiten. Eines Tages kommt ein innovatives Schweizer Produkt mit neuer Technologie raus. Dann wird applaudiert und man wird sagen: Die Schweizer sind wieder dabei.
Werden Sie eine Apple-Uhr kaufen?
Bestimmt, ich bin ein Technologie-Freak.
Was erhoffen Sie sich davon?
Nun, es wird ein Informationssystem sein, das man Uhr nennen kann, weil man das Gerät am Handgelenk trägt. Ich denke aber, dass die Apple Watch schnell obsolet wird, vielleicht in zwei Jahren, weil sich die Technologie so schnell entwickelt. Die Schweizer Uhrenindustrie wird davon profitieren.
Wieso?
Weil die schnelle technologische Entwicklung den Menschen klarmacht, dass eine Schweizer Uhr ein Stück Ewigkeit ist. Eine Schweizer Uhr ist mechanisch gebaut und kann auch in 1000 Jahren noch repariert werden. Die Apple Watch können sie in zwei bis drei Jahren wegwerfen. Sie kann ein ewiges Produkt nicht ersetzen. Ganz im Gegenteil: Smartwatches sind eine gute Promotion für Schweizer Uhren.
Promotion?
Die Apple Watch wird uns eine neue Käuferschicht erschliessen. Die Jungen tragen heute keine Uhren mehr. Die Apple-Uhr wird die junge Generation ans Tragen eines Informationsgeräts am Handgelenk gewöhnen.