Der Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses und führende Republikaner in der Parlamentskammer, Paul Ryan, wird bei den Kongresswahlen im Herbst nicht mehr zur Wiederwahl antreten. Das gab Ryan am Mittwoch in Washington bekannt.
Ryan ist seit Oktober 2015 «Speaker» des Repräsentantenhauses. Damit ist er protokollarisch nach Präsident und Vizepräsident die Nummer drei im Staat. Als Hüter der Gesetzgebungsagenda in der Kongresskammer kann er Debatten ansetzen und Gesetze zur Abstimmung freigeben.
Ryan hatte lange gezögert, den Posten zu übernehmen, nachdem sein Vorgänger John Boehner zermürbt von jahrelangen Kämpfen mit erzkonservativen Abgeordneten zurückgetreten war. Er sagte erst zu, als er sich die Rückendeckung aller wichtigen Parteiflügel gesichert hatte.
Als dreifacher Vater hatte er seine Kandidatur für den «Speaker»-Posten zudem davon abhängig gemacht, dass sein Familienleben nicht unter dem Amt leiden dürfe.
Genau dieses gab Ryan nun als Grund für seinen Rückzug an. Er werde die bis Januar 2019 dauernde Wahlperiode voll erfüllen, sagte der 48-Jährige. Danach wolle er sich mehr seiner Familie widmen. «Wenn ich weitermachen würde, würden mich meine Kinder nur als Wochenend-Vater kennen», sagte er.
Spekulationen um Nachfolge
In Washington schiessen bereits seit Tagen Spekulationen ins Kraut, wer Ryan als Vorsitzender des Repräsentantenhauses beerben könnte. Bei den Republikanern hatten sich Fraktionschef Kevin McCarthy und Steve Scalise ins Gespräch gebracht. McCarthy soll erst vor wenigen Tagen mit Präsident Donald Trump zu Abend gegessen haben, berichteten US-Medien.
Allerdings ist nicht sicher, dass die Republikaner bei den Parlamentswahlen im November erneut eine Mehrheit gewinnen und damit das Recht haben, erneut den Parlamentsvorsitzenden zu stellen. Umfragen sehen die oppositionellen Demokraten vorn.
Der Berufspolitiker aus Wisconsin war 1998 mit nur 28 Jahren erstmals in das Parlament in Washington gewählt worden. Bei der Präsidentschaftswahl 2012 machte ihn der republikanische Kandidat Mitt Romney zu seinem Vize, das Duo verlor die Wahl jedoch gegen den Demokraten Barack Obama.
Konflikte mit Trump
Ryan hatte zeitweise ein sehr konfliktreiches Verhältnis zu US-Präsident Donald Trump. Zuletzt hatte er etwa die von Trump verhängten Strafzölle auf Stahl und Aluminium kritisiert und vor den Folgen eines Handelskriegs gewarnt. Im März appellierte er vergeblich an den Präsidenten, einen «schlaueren» Plan zum Schutz der heimischen Stahl- und Aluminiumindustrie vorzulegen.
Im August hatte Ryan Trumps Umgang mit rechtsextremer Gewalt in der Stadt Charlottesville kritisiert. Mitglieder rechter Gruppen hatten dort gegen die geplante Entfernung des Denkmals eines Generals der Konföderierten-Armee demonstriert, die im Bürgerkrieg für die Beibehaltung der Sklaverei gekämpft hatte.
Eine 32-jährige Frau wurde getötet, als ein mutmasslicher Neonazi sein Auto in die Gegendemonstranten steuerte. Trump beschuldigte jedoch beide Seiten der Gewalt. Ryan verlangte daraufhin eine eindeutige Verurteilung des «abstossenden» Rassismus. (sda/afp/reu/dpa)