60 Tote bei Niederschlagung von Protesten im Sudan

60 Tote bei Niederschlagung von Protesten im Sudan

05.06.2019, 15:2005.06.2019, 15:20

Nach dem gewaltsamen Vorgehen der Armee gegen die Protestbewegung im Sudan ist die Zahl der Toten auf 60 gestiegen. Hunderte Verletzte des «Massakers» in der Hauptstadt Khartum würden noch behandelt, teilte das Zentralkomitee sudanesischer Ärzte am Mittwoch mit.

Die Armee hatte am Montag in Khartum gewaltsam Blockaden von tausenden Demonstranten geräumt, die seit rund zwei Monaten eine zivile Regierung für das nordostafrikanische Land fordern.

Das Ärztekomitee, das der Protestbewegung nahesteht, machte «Milizen» des herrschenden Militärrats für das «Massaker» verantwortlich. Demnach gingen Sicherheitskräfte zwei Tage lang massiv gegen Demonstranten vor.

Auch Angriffe auf Spitäler

Die Zahl der Opfer könnte womöglich noch weiter steigen. Unter den Verletzten gebe es immer noch viele, deren Zustand ernst sei, sagte ein Arzt der Nachrichtenagentur AFP. Die meisten Spitäler hätten mehr Opfer aufgenommen, als ihre Kapazitäten zuliessen, Personal und Blutkonserven seien knapp. Zudem seien Operationen «schwierig», da einige Eingriffe nur in bestimmten Kliniken vorgenommen werden könnten.

Die sudanesische Ärztegewerkschaft warf den Sicherheitskräften Angriffe auf Spitäler und Mitarbeiter im ganzen Land vor. In der Hauptstadt seien mehrere Frauen vergewaltigt worden, erklärte die Gewerkschaft, ohne eine Quelle für ihre Angaben zu nennen.

Die Lage in Khartum blieb weiterhin überaus angespannt. Im Norden der Hauptstadt errichteten hunderte Bewohner aus Steinen Strassenbarrikaden, wie ein Augenzeuge AFP berichtete. Entfernt waren Schüsse zu hören. Einem AFP-Reporter zufolge gab es am frühen Mittwochmorgen auch in einem Stadtteil Schüsse, in dem verschiedene Botschaften angesiedelt sind.

«Schief gelaufene Aufräumarbeiten»

Der Militärrat erklärte, er «bedauert» die Vorfälle und bezeichnete sie als «schief gelaufene Aufräumarbeiten». Darüber hinaus signalisierte der Vorsitzende, General Abdel Fattah al-Burhan, Verhandlungsbereitschaft. Der Militärrat sei «ohne Einschränkung» offen für Gespräche, um eine Regierung zu bilden, die «die Erwartungen der sudanesischen Revolution in jeder Hinsicht widerspiegelt».

Einen Tag zuvor hatte er die Vereinbarungen mit der Protestbewegung für eine Übergangsregierung unter Beteiligung von Zivilisten aufgekündigt und Neuwahlen binnen neun Monaten angekündigt. Die Protestbewegung wies dieses Vorgehen zurück und forderte ihre Anhänger zu einem «totalen zivilen Ungehorsam» auf, um die Militärführung zu stürzen.

Der Militärrat hatte nach dem Sturz des langjährigen Staatschefs Omar al-Baschir infolge von monatelangen Massenprotesten im April die Führung übernommen. Mit diesem einigte sich die Protestbewegung Mitte Mai grundsätzlich darauf, dass ein gemeinsamer Übergangsrat die Geschicke des Landes in den kommenden drei Jahren lenken soll. Seither herrschte aber Streit darüber, welche Seite dieses Gremium führen soll.

Vetomächte blockieren Erklärung

Die Eskalation des Konflikts rief international Besorgnis hervor. Nach Angaben von Diplomaten blockierten allerdings die Vetomächte China und Russland im Uno-Sicherheitsrat am Dienstag eine Erklärung, mit der unter anderem das gewaltsame Vorgehen der Streitkräfte verurteilt werden sollte.

Deshalb veröffentlichten acht EU-Staaten eine gemeinsame Erklärung. Darin verurteilten Deutschland, Belgien, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Polen, Schweden und die Niederlande «gewalttätige Angriffe» auf Zivilisten. (sda/afp)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
0 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!