Das revidierte Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) hat die Abstimmungshürde genommen, wenn auch nur sehr knapp. 3696 Stimmen gaben den Ausschlag für das Ja. Ein derart knapper Vorsprung könnte Anlass bieten für eine Nachzählung.
Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler, der die Nein-Kampagne angeführt hatte, liess verschiedentlich verlauten, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass eine Nachzählung verlangt werden könnte. Allerdings werde er das nicht selber machen, sondern die Forderung müsste vom Gewerbeverband kommen. «Wir werden das Resultat im Gewerbeverband eingehend analysieren und dann weiterschauen», sagte Bigler im Interview mit dem «Tages-Anzeiger».
Selbst wenn der Gewerbeverband sich dazu entschliessen sollte, auf eine Nachzählung zu drängen, wäre es erstens unwahrscheinlich, dass eine solche durchgeführt würde und zweitens fraglich, ob die Nachzählung das gewünschte Ergebnis brächte.
Letztmals fand eine solche Ende 2002 statt, als die SVP-Asylinitiative mit einer Differenz von 3422 Stimmen verworfen wurde. Die Bundeskanzlei ersuchte damals die Kantone um eine Neuauszählung der Stimmen. Anordnen konnte sie dies nicht, denn die Auszählung fällt in die Kompetenz der Kantone und kann nur von diesen veranlasst werden, wie die damalige Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz erklärte. Am Ende stieg der Nein-Anteil sogar auf 4208 Stimmen.
Cool, #RTVG ist angenommen. Was für ein Fotofinish. Wollen die Gegner nun eine Nachzählung? #Abst15
— Adrian Mangold (@adrian_mangold) June 14, 2015
Eine Nachzählung könnte auch mit einer Beschwerde am Bundesgericht verlangt werden. Eine solche hatten die Gegner des Biometrischen Passes nach dem sehr knappen Ja zu dessen Einführung im Mai 2009 eingereicht. Die Lausanner Richter kamen jedoch zum Schluss, dass die Differenz mit 5504 Stimmen nicht knapp genug ausgefallen war, sie lehnten die Beschwerde ab.
Allerdings entschied das Bundesgericht damals auch, dass die Ergebnisse eidgenössischer Volksabstimmungen und Wahlen bei sehr knappem Ausgang grundsätzlich nachgezählt werden müssten. Das Parlament reagierte auf dieses Verdikt, indem es im revidierten Gesetz über die politischen Rechte festhielt, dass ein sehr knappes Abstimmungsergebnis nur dann eine Nachzählung erfordert, «wenn Unregelmässigkeiten glaubhaft gemacht worden sind, die nach Art und Umfang geeignet waren, das Bundesergebnis wesentlich zu beeinflussen».
@RolfASchweizer @NZZSchweiz @Zielina nein, brandneues BG polit Rechte verlangt keine obligator. nachzählung mehr https://t.co/mIcqpsyFna
— Andreas Hugi (@ahugi) June 14, 2015
Das neue Gesetz tritt am 1. November 2015 in Kraft, doch das Bundesgericht kann den Beschluss des Parlaments in seinen Erwägungen berücksichtigen. Anhaltspunkte für Unregelmässigkeiten gibt es beim RTVG bislang nicht. Entscheidend dürfte ohnehin das Verhalten der Gegner sein: Akzeptieren sie das Ergebnis ohne Vorbehalt, dann dürfte eine Nachzählung vom Tisch sein.
Neben Bigler und seinem Gewerbeverband kämen auch Privatpersonen, die dem knappen Ergebnis nicht trauen oder die IG Medienfreiheit um SVP-Nationalrat Gregor Rutz und SVP-Nationalrätin Nathalie Rickli in Frage, um eine Nachzählung zu fordern. Letztere gab im Abstimmungsstudio allerdings an, in dieser Frage dem Gewerbeverband den Vortritt zu lassen. (pbl)