Liebe Melina
Was Sie mir da schildern, hat mit Ihnen beiden nichts zu tun. Also natürlich schon, weil es Sie betrifft. Aber nicht, weil Sie beide etwas falsch gemacht hätten oder so.
Im Gegenteil.
Es ist absolut das Normalste der Welt. Weil es von der Natur her genau so vorgegeben ist. Vermutlich liegen Sie mit Ihren Erfahrungen sogar genau im Zeitplan des übergeordneten Sinns des Lebens. Dieser schert sich nämlich null und nix um die körperliche Anziehungskraft zwischen zwei Menschen. Der sieht nur die Fortpflanzung als oberstes Ziel. Und hat es darum so eingerichtet, dass man sich die ersten Monate nach dem Kennenlernen am liebsten nur fickend in die Augen schauen würde. Die Hormone, die während dieser Zeit aktiv und dominant sind, schreien nur so nach Sex. Aber nicht etwa der Leidenschaft wegen, sondern damit möglichst subito ein Kind gezeugt wird.
Sie werden jetzt vielleicht einwenden, dass viele Frauen, die ein Kind möchten, viel länger als 3 Monate damit herumdoktern und es nicht klappen will. Aber der Plan stammt aus einer anderen Zeit; als der Mensch sich Ende der Teeniezeit fortpflanzte und der grosse Vorhang mit Anfang 40 fiel. Heute aber fangt die Familienplanung so etwa mit 30 an, eine Verschiebung, mit welcher der grosse Planer nicht gerechnet hat.
Die ersten 3 Monate sind also der Kopulation gewidmet. Danach stellt die Hormonausschüttung gnadenlos auf «Bindung» um. Während zuvor die Triebhaftigkeit im Vordergrund stand, steht nun nach dem Plan der Natur der Nestbau an. Das ist von der Wissenschaft nachgewiesen und findet so nach 3-6 Monaten statt. Während dieser Zeit werden Beziehungen zwar enger, aber auch weniger leidenschaftlich. Plötzlich reicht es vollkommen aus, wenn man «nur noch» einmal pro Woche miteinander schläft. Und es muss dann auch nicht immer ein grosses übereinander Herfallen sein. Diese Hormone haben zum Zweck, dass der Mann der Frau bei der Aufzucht hilft und nicht einfach zur nächsten rennt.
Und genau das ist der springende Punkt. Viele Menschen rennen dann trotzdem zur Nächsten oder zum Nächsten über. Weil sie realisieren, dass die grosse Leidenschaft abgekühlt ist und der Drang nacheinander etwas abflacht. Dass dieses Game der Hormone bei jedem Partner aber wieder von vorne losgeht, realisieren sie dabei aber leider nicht.
Auch Sie, Melina, sind jetzt genau an diesem Punkt angekommen, wo Sie entscheiden müssen, ob Sie diese Phase mit dem Mann, mit dem Sie zusammen sind, oder lieber mit einem anderen durchlaufen. Die Frage ist nämlich nicht, ob man sie durchlaufen muss, sondern nur MIT WEM. Die grosse Kunst von glücklichen Liebesbeziehungen ist es, unabhängig vom Tanz der Hormone Freude aneinander zu haben. Und das wird nach einem Jahr mit jedem Partner anspruchsvoller als es in den Monaten zuvor war.
Vielleicht werden Sie mit diesem Wissen mit anderen Erwartungen an Ihre Beziehung herangehen können und versuchen, diese weiter zu entwickeln. Ich weiss natürlich auch, dass diese von Lust taumelnde erste Phase einer Liebe einer der grossartigsten überhaupt ist. Und aus diesem Grund habe ich auch viele Jahre nur Beziehungen geführt, die maximal 3 Monate gedauert haben. Aber irgendwann hat man einfach das Bedürfnis nach mehr Nähe, Vertrauen und Verbindlichkeit. Und diese Qualitäten kommen nach dieser "Ein-Jahres-Marke" zum Tragen. Finden Sie für sich heraus, was Sie genau haben wollen. Kann gut sein, dass Sie für die Friede-Freude-Eierkuchen-Nummer noch nicht bereit sind. Dann ist es auch vollkommen ok, wenn Sie sich noch etwas die 3-Monats-Phasen geben. Sie müssen sich einfach immer bewusst sein, dass es nichts mit der Konstellation zu tun hat, sondern in der Natur der Sache liegt, wenn's danach weniger feucht zur Sache geht.
Mit herzlichem Gruss. Ihre Kafi.