«Wir sind euch etwas schuldig»: So lautet der Titel der zehnten und letzten Folge der YouTube-Serie «Survival Squad».
In den vorangegangenen Folgen hat ein Millionenpublikum verfolgt, wie sich die Influencer Otto Karasch und Fabio Schäfer gemeinsam durch die kanadische Wildnis schlagen. Und nun soll es also ein grosses Finale geben. Doch leider bleiben die Serien-Macher dem Publikum vieles schuldig.
Das am 6. Dezember veröffentlichte Video legt nicht nur die Schwächen der Teilnehmer, sondern des ganzen Projekts an sich schonungslos offen. Tatsächlich könnte die letzte Folge als abschreckendes Schulungsvideo für angehende YouTuber verwendet werden. Sie zeigt eindrücklich, welche Fehler bei einer solchen Produktion zu vermeiden sind.
Obacht: Dieser Beitrag enthält Spoiler!
Ein Kommentator brachte es bei Reddit auf den Punkt: Die YouTube-Serie «Survival Squad» und vergleichbare Formate lebten im Gegensatz zu Fernsehen und Kino «von authentischen, nahbaren Protagonisten». Dem Publikum werde ein Gefühl von Nähe vermittelt, weil man viel über die Akteure und ihr Leben wisse, ihre Erfolge feiere, Einblicke in ihre Gedankenwelt erhalte und somit Sympathien hege und sich gut in die Personen hineinversetzen könne.
Authentizität lebe aber auch davon, mit schwierigen Situationen transparent umzugehen. Und genau das sei zu einem Problem geworden, das bei vielen Fans und Zuschauern mindestens einen faden Beigeschmack hinterlasse.
Für die Macher solcher YouTube-Formate, die vom Engagement eines überwiegend jungen Publikums leben, ist es eine Gratwanderung. Es gilt die Vorfreude zu schüren und dann die interessierten User bei der Stange zu halten.
Die «Survival Squad»-Verantwortlichen haben mit Ankündigungen und YouTube-Titeln grosse Erwartungen geweckt – und schliesslich alle gesteckten Ziele verfehlt.
Otto und Fabio wollten laut Intro in 30 Tagen 300 Kilometer zu Fuss absolvieren und schafften 70 km, bevor sie aufgaben. Wobei ihnen auch diese verkürzte Strecke nur dank der mitgenommenen Packrafts (Gummiboote) gelang.
Ein angeblicher «Bärenangriff» mit Schussabgabe entpuppte sich als überdramatisierter Zwischenfall, der bis heute nicht aufgelöst wurde, weil die Serien-Macher offenbar entschieden haben, nicht alles Videomaterial zu veröffentlichen.
Der Umgang mit diesem Vorfall illustriert, dass die beiden «Helden» nicht erkannt haben, dass eine absolut transparente Kommunikation entscheidend ist. Ob sie sich bewusst dagegen entschieden haben oder aus einem unbewussten Gefühl heraus zu brenzligen Situationen schwiegen, weil sie dachten, sie dürften keine Schwäche zeigen, ist offen.
Und damit sind wir beim grundlegenden Problem von «Survival Squad». Der kritische Reddit-User gibt zu bedenken:
Und zum Schluss kam es ganz dick ...
Niemand macht Otto und Fabio einen Vorwurf, weil sie nach 14 Tagen Strapazen mit wenig Nahrung vorzeitig aufgaben und sich per Helikopter evakuieren liessen. Ihre Outdoor-Erlebnisse vor bzw. in der wunderschönen Kulisse Kanadas waren längst zu «Hunger Games» mutiert. Und so kam das jähe Ende auch für die Zuschauerinnen und Zuschauer auf dem warmen Sofa einer Erlösung gleich.
Es soll hier nicht auf jedes Detail eingegangen werden. Dies hat etwa der erfahrene deutsche Outdoor-Influencer und «7 vs. Wild»-Initiator Fritz Meinecke getan (siehe unten).
Die wichtigsten Kritikpunkte im Überblick:
watson hat bereits kritisch über die Survival-Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten der beiden Teilnehmer berichtet. Leider geht es in der letzten Folge im gleichen Stil weiter.
Zu erwähnen ist etwa der höchst fahrlässige Umgang mit der Axt. Es besteht grosse Verletzungsgefahr durch eine falsche Positionierung. Ganz grundsätzlich wird so ziemlich alles falsch gemacht beim übereilten Hüttenbau.
Und bitte, liebe Outdoor- und Survival-Serien-Teilnehmer: Lernt richtig zu fischen! Ohne dieses tierische Protein ist es fast unmöglich, mehrere Wochen zu bestehen. Und wenn wir schon beim Thema sind: Den gefangenen Fisch gilt es sofort (durch einen massiven Schlag auf den Kopf) zu betäuben und anschliessend mittels «Kiemenschnitt» zu töten.
Ebenfalls in der letzte Folge erfährt das Publikum auch noch, warum die beiden Teilnehmer, die beide eine Jagdausbildung und die nötige Lizenz besassen, sich bewusst dagegen entschieden hätten, ein Karibu (Rentier) zu schiessen. «Das wäre zu einfach gewesen», sagt Otto – offenbar eine weitere Fehleinschätzung bzw. Selbstüberschätzung.
Tatsächlich wäre es extrem schwierig gewesen, ein solches Tier, das – je nach Grösse – deutlich mehr als 100 Kilogramm wiegen kann, zeitnah zu verwerten. In der hochalpinen Landschaft während der ersten Tage des Abenteuers fanden sich keinerlei Bäume. Die beiden Jäger hätten ihre Beute also zerlegen und dann während Tagen mitführen müssen, bis sie tieferliegendes Gelände mit Bewaldung erreichten.
Das ist den meisten Leuten ein Rätsel.
Es gebe nur eine logische Erklärung, spottete der erfahrene Outdoor-Influencer Fritz Meinecke: Es müsse sich um Langzeitfolgen des Pilzkonsums der beiden handeln.
Zwar haben Otto und Fabio relativ schnell nach der Veröffentlichung der letzten Folge weitere Videos hochgeladen, in denen sie ihre Sicht der Ereignisse schildern. Doch erneut mangelte es an Selbstreflexion und ehrlichen Worten.
Sicher ist: Die beiden outdoor-erfahrenen Männer haben ihre eigentliche Mission aus den Augen verloren und sich verfranzt. Oder dann haben sie schlecht geplant und die entsprechenden Versäumnisse unter dem Deckel gehalten.
Trotz der vielen Schwächen ist zu hoffen, dass es eine Fortsetzung (Staffel zwei) von «Survival Squad» geben wird. Die beiden vor Männlichkeit strotzenden Helden hätten dann die Chance, den schlechten letzten Eindruck zu korrigieren. Und das Publikum zu Hause bekäme mehr geniale Naturaufnahmen und neuen Diskussionsstoff fürs Sofa-Survival.
Fassungslose pure Überraschung! 😱
Die beiden sind Meister der Selbstüberschätzung und auch noch gleich Meister in schädlicher Uneinsicht.
Auf dem Papier sieht das schon machbar aus, 10km pro Tag mit fitten Kerlen sollte schon drinn liegen. Hätten sie lieber mal ein Wild geschossen und sich gestärkt.
Aber wenn das Ego zu gross ist, ist halt vieles zum Scheitern verurteilt.