Wer will, kann selbst Grenzwächter spielen. Und zwar beim eigenen Pass. Das ist ganz einfach:
Man lädt die App ReadID herunter und liest die Daten aus, die auf dem Chip des maschinenlesbaren biometrischen Passes gespeichert sind:
Nach genau diesem Prinzip funktionieren auch staatliche Lösungen für eine elektronische Identität (E-ID) über die Identitätskarte. Estland, Belgien und Deutschland nutzen dieses Modell.
Man hält dafür die ID hinter das Handy, gibt eine PIN ein, die Ausweis-App liest die Daten des Chips aus – und drin ist man etwa bei seinen Steuerdaten.
Auch die Schweiz hatte 2013 dieses rein staatliche Modell erwogen. Sie entschied dann aber, dass private Provider die E-ID herausgeben sollen. Der Staat liefert nur die Daten und kontrolliert die Provider. Darüber stimmen wir am 7. März ab.
2013 wollte das Bundesamt für Polizei (Fedpol) von der Berner Fachhochschule eine technische Machbarkeitsstudie für einen digitalen Identitätsnachweis mit der ICAO-ePass-Funktion. Diese Machbarkeitsstudie und weitere Dokumente hat Erik Schönenberger gestützt auf das Öffentlichkeitsprinzip erhalten. Er ist Geschäftsleiter der Digitalen Gesellschaft und Co-Kampagnenleiter des Referendums gegen die E-ID.
«Wir konnten belegen, dass man eine E-ID-Lösung basierend auf einem maschinenlesbaren Pass bauen kann», sagt Professorin Annett Laube von der Berner Fachhochschule heute. Dafür habe es zwei Schritte gebraucht: die Registrierung und die Authentifizierung. «Das war mit einer Smartphone-Anwendung möglich, die Passdaten auslesen konnte.»
Die Forschenden bauten eigens einen technischen Prototypen, präsentierten ihre Lösung am 12. Dezember 2013 dem Fedpol und lieferten danach ihre Machbarkeitsstudie ab. Die fünf Autoren mussten dafür eine dreijährige Geheimhaltungsklausel unterschreiben.
Danach verschwand die Studie allerdings in der Schublade. Das Fedpol unterbreitete dem Bundesrat die Variante einer privaten E-ID mit staatlicher Identifikation und Regulierung.
«Es ist sehr schade, dass man das Projekt nicht weiter verfolgte», sagt Informatik-Professor Gerhard Hassenstein, der daran beteiligt war. Hätte weiterführende Forschung die Machbarkeit bewiesen, «wäre nach kurzer Zeit eine funktionierende E-ID zur Verfügung gestanden», glaubt er.
Das habe auch mit der politischen Grosswetterlage zu tun gehabt, heisst es beim Bundesamt für Justiz. 2009 nahm die Bevölkerung den biometrischen Pass nur mit einer hauchdünnen Mehrheit von 50.1 Prozent an. 5500 Stimmen machten den Unterschied.
Dieser Widerstand gegen den Chip mit den biometrischen Daten steckte den Behörden 2013 noch in den Knochen. Er liess es politisch als unrealistisch erscheinen, nach dem Pass auch noch die Identitätskarte mit einem Chip auszustatten. Das wäre aber nötig gewesen für eine praktikable E-ID-Lösung.
Die Bedenken hingen mit Artikel 2 des Ausweisgesetzes von 2001 zusammen. «Der Bundesrat stellt sicher, dass auch eine Identitätskarte ohne Chip beantragt werden kann», heisst es dort. «Neu alle Identitätskarten mit einem Chip zu versehen, erschien für eine E-ID als wenig zukunftsträchtige Lösung und hätte auch keine Akzeptanz gefunden», sagt Urs Paul Holenstein heute, Leiter Rechtsinformatik des Bundesamts für Justiz.
Der Abbruch der Übung hatte aber vor allem technische Gründe. «Es gab damals noch grosse Probleme mit den Software-Treibern der Kartenleser, die den Chip auslesen sollten», sagt Holenstein. Eine solche E-ID-Lösung hätte aber auch gegen 25 Prozent der Bevölkerung ausgeschlossen: all jene, die nur einen Ausländerausweis haben – damals noch ohne Chip.
In den letzten sieben Jahren haben sich die Voraussetzungen für eine E-ID-Lösung mit einer Identitätskarte aber grundlegend verändert. Die technologische Entwicklung macht sie realistischer. Das bestätigt Holenstein. «Aus technischer Sicht ist vieles möglich, auch eine Chip-Lösung», sagt er. «Deshalb ist das E-ID-Gesetz auch technologieneutral formuliert. Inzwischen gibt es Apps, die Chips kontaktlos auslesen können.»
Als Fachexperte des Bundes plädiert Holenstein natürlich nach wie vor klar und deutlich für die E-ID-Lösung, über die am 7. März abgestimmt wird. Sollte die Bevölkerung sie ablehnen, könnte die staatliche Lösung via Identitätskarte aber zur valablen Alternative werden.
Das hängt auch mit neuen Plänen zur Identitätskarte im Fedpol zusammen. Eine ID mit Chip und biometrischen Daten könnte schon in den nächsten zwei Jahren Realität werden.
«Das Projekt zur Erneuerung der ID wurde gestartet», sagt Catherine Maret, Medienchefin des Fedpol. Wann es abgeschlossen werde, sei «noch nicht definiert». Es sehe «im Moment» keinen Chip vor.
«Der Chip wird in den umliegenden Ländern eingeführt», sagt Maret. «Denkbar wäre deshalb, dass es in Zukunft eine ID ohne Chip gibt und eine mit Chip.» Eine solche Doppelstrategie wäre gesetzeskonform. Maret: «Das Gesetz verlangt, dass immer auch eine ID ohne Chip erhältlich sein muss.»
Noch etwas änderte sich gegenüber 2013: Die Ausländerausweise sind inzwischen mit einem Chip und biometrischen Daten versehen. Eine staatliche E-ID mit der Identitätskarte würde die 25 Prozent Ausländer nicht mehr ausschliessen.
Diese Entwicklungen spielen den Gegnern der privaten E-ID in die Hände. «Die neue Identitätskarte, die in den nächsten zwei Jahren kommen soll», sagt Daniel Graf, Co-Kampagnenleiter der Gegner, «bietet im Falle eines Neins am 7. März die Möglichkeit, schnell, sicher und kostengünstig eine staatliche E-ID einzuführen.» Dann bräuchte es «keinen Provider wie die Swiss Sign Group».
Sollte die Bevölkerung das #eID-Gesetzt am 7. März ablehnen, könnte die staatliche Lösung via neuer Identitätskarte zur valablen Alternative werden, bestätigt Urs Paul Holenstein, Leiter Rechtsinformatik des Bundesamts für Justiz, der @AargauerZeitung. https://t.co/lcWQjzd9Lb
— E-ID Referendum (@e_id_referendum) February 8, 2021
(aargauerzeitung.ch)
Da kann man nur vermuten, in wessen Hinterzimmer (beim Glücksspielgesetz war’s ja noch klar) die jetzige Vorlage gezimmert wurde.
Für mich ist klar: Ich will die eID, aber nicht so! Und bin soeben weiter bestärkt worden.