Heizen mit Erdwärme, die Kaffeemaschine mit Solarenergie betreiben oder auf Reisen aufs Flugzeug verzichten: Das ist praktisch ohne Zweifel möglich. Doch es gibt Bereiche, wo die Dekarbonisierung eine echte Knacknuss ist: Die klimaneutrale Herstellung von Beton ist eine davon. Der Transport von Gütern abseits von Bahnverbindungen ist eine andere. Nun kommen Forschende der ETH Zürich zum Schluss, dass der Grossteil der schweren LKW auch 2035 noch mit Diesel oder Flüssigerdgas fahren wird.
Denn die beiden Alternativen haben es bei den grossen Brummern schwer: der Batterie- wie auch der Wasserstoffantrieb. «Ohne politische Massnahmen zur Dekarbonisierung des Schwerverkehrs sind grüne Technologien chancenlos», erklärt Tobias Schmidt, Professor für Energie- und Technologiepolitik an der ETH Zürich und Mitautor der Studie, die soeben im Fachmagazin PNAS erschienen ist.
Dabei, so schreibt die ETH in einer Mitteilung, hänge es auch davon ab, ob wir das Pariser Klimaziel von Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis 2050 erreichen, ob es gelinge, den Schwerverkehr auf der Strasse zu dekarbonisieren. Doch die Herausforderung ist gross: Im Schnitt legen Kleintransporter (3.5-Tonner) ohne Laden oder Tanken pro Tag 75 Kilometer zurück, mittelschwere Laster (7.5-Tonner) 200 Kilometer und schwere LKW (32-Tonner) 600 Kilometer.
«Berücksichtigt man alle Kosten über die gesamte Lebensdauer, sind in vielen europäischen Ländern batteriebetriebene Kleintransporter und mittelschwere Lastwagen bereits heute günstiger als Diesel-LKW», sagt Bessie Noll, Postdoktorandin in Schmidts Forschungsgruppe und Erstautorin der Studie. Geringere Betriebskosten über die Lebensdauer seien dabei entscheidend.
Doch bei den schweren LKW sieht die Sache anders aus: Diesel und Flüssigerdgas sind laut den Berechnungen weiterhin die günstigsten Treibstoffe, grüner Wasserstoff die teuerste Option.
Die Schweiz ist hier vorbildlich: Nur hier sind schwere Lastfahrzeuge, die mit Batterien oder grünem Wasserstoff angetrieben werden, schon jetzt günstiger. «Der Grund dafür sind die hohen Mautkosten, die aufgrund der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) für Diesel-Laster anfallen», so die ETH in der Mitteilung. Emissionsfreie Fahrzeuge über 3.5 Tonnen sind von dieser Abgabe befreit.
Global zeigen die Modellrechnungen der Forschenden jedoch, dass die Elektrifizierung des Lastwagenverkehrs bis 2035 nur bei leichten und mittelschweren Fahrzeugen vorankommt. Zu diesem Zeitpunkt schätzen sie den Anteil in diesen beiden Kategorien auf 50 Prozent. In Europa und China werden 70 Prozent elektrifizierte Klein- und Mittellaster erwartet. Doch bei den 35-Tonnern wird der Anteil bis 2035 unter 10 Prozent bleiben.
Jedenfalls, solange keine wirksamen politischen Massnahmen die Energiewende in diesem Bereich ankurbeln. Dabei seien die in der Schweiz praktizierten reduzierten Mautkosten für emissionsfreie Lastwagen das wirksamste politische Instrument, um grünen Technologien im Schwerverkehr zum Durchbruch zu verhelfen, so die ETH.
Doch warum schneidet der Wasserstoffantrieb so schlecht ab? Wasserstoff-LKW benötigen etwa dreimal so viel erneuerbaren Strom wie batteriebetriebene LKW. Die Betriebskosten sind deutlich höher, weil bei der Herstellung, Verteilung und Umwandlung von grünem Wasserstoff in Strom laut Schmidt viel Energie verloren gehe. (kus/aargauerzeitung.ch)