Der Pöstler, der private Paketlieferdienst oder die Müllabfuhr sind immer öfter elektrisch unterwegs. Nach dem Personenwagen nimmt somit auch bei Liefer- und Lastwagen der elektrische Antrieb Fahrt auf, allerdings noch auf geringem Niveau. Dies legen die vom Verband Swiss eMobility ausgewerteten Zulassungszahlen für das Jahr 2022 nahe. Demnach legten batterieelektrische Liefer- und Lastwagen sprunghaft zu, allerdings blieben Dieselfahrzeuge «vorerst tonangebend», wie der Verband schreibt.
2022 waren in der Schweiz über 5000 elektrische Lieferwagen registriert. Ein Jahr zuvor waren es erst gut 3000 und 2010 gerade mal 22.
Bereits Ende des letzten Jahrzehnts konnten E-Lieferwagen steigende Zulassungen verzeichnen. «2022 wurden nun mit 2375 Verkäufen rund drei Mal mehr eLastwagen immatrikuliert als 2020», schreibt Swiss eMobility. Der Unterschied zum Diesel bleibe nach wie vor beträchtlich. «Aber zum ersten Mal überhaupt wurden knapp mehr Stromer als Benziner in Betrieb genommen», wie aus der folgenden Grafik ersichtlich wird.
Jeder zehnte im vergangenen Jahr angeschaffte Lieferwagen fuhr rein elektrisch. Gleichzeitig kamen 20'134 neue Lieferwagen mit Dieselmotor auf die Strassen, was einem Marktanteil von 81 Prozent entspricht. Zum Vergleich: Bei den Personenwagen haben E-Autos mit einem Marktanteil von knapp 18 Prozent Diesel-Autos bereits hinter sich gelassen. Diese kamen 2022 nur noch auf einen Anteil von 12 Prozent an den Gesamtverkäufen.
Das Wachstum bei den alternativen Antrieben bei Nutzfahrzeugen lasse sich mittlerweile «gänzlich auf die elektrischen Fahrzeuge zurückführen», schreibt Swiss eMobility. Denn die Anzahl hybrider und mit Erdgas betriebener Lieferwagen bleibe verschwindend klein. So wurden nur elf ausschliesslich mit Erdgas betriebene Lieferwagen neu zugelassen. Lieferwagen mit Wasserstoff wurden laut dem Verband keine verkauft.
Bei den E-Lieferwagen ist Renault in der Schweiz vor Peugeot und Toyota klarer Marktführer.
Die sich abzeichnende Epoche elektrischer Nutzfahrzeuge werde nicht zuletzt durch das grössere und vielfältigere Angebot ermöglicht, heisst es bei Swiss eMobility. Marktführer bleibe der Renault-Konzern, der bei E-Lieferwagen «fast doppelt so viele elektrische Fahrzeuge verkauft wie Peugeot».
Dass meist auf kürzere Strecken ausgelegte Lieferwagen vermehrt elektrisch fahren, liegt auf der Hand. Wie aber sieht es bei grossen Lastwagen aus, die teils sehr lange Strecken zurücklegen müssen?
«Je schwerer die Fahrzeuge, desto schwieriger der Markteintritt für alternative Antriebe», schreibt der Elektromobilitätsverband. Nun würden sich die Hinweise aber verdichten, «dass es auch in dieser Kategorie der batterieelektrische Antrieb sein wird», der das Rennen macht.
Tatsächlich stieg 2022 der Bestand elektrischer Lastwagen erneut sprunghaft an, wenngleich noch auf sehr tiefem Niveau.
«Sinkende Batteriekosten, grössere Reichweiten bei oftmals bekannten Streckenprofilen und ein grösseres Angebot machen die Stromer konkurrenzfähig», schreibt der Verband.
Nutzfahrzeuge mit Dieselmotoren dominieren aber nach wie vor: Bei den Lieferwagen sind es 8 von 10, bei den Lastwagen mehr als 9 von 10 Neuzulassungen. Der Weg zu einer klimafreundlichen Nutzfahrzeugflotte ist folglich noch sehr lang, wie die nächste Grafik zeigt.
Zumindest im Wettstreit der alternativen Antriebe scheint sich der E-Antrieb durchzusetzen: 6 Prozent der 2022 neu zugelassenen Lastwagen fuhren elektrisch, 1 Prozent mit Erdgas und nur 0,1 Prozent mit Wasserstoff.
Der vor einigen Jahren hoch gehandelte Wasserstoff-Lkw bleibt somit vorerst eine Randerscheinung, wie die nächste Grafik verdeutlicht. Sie zeigt die Neuzulassungen, wenn ausschliesslich alternative Antriebe betrachtet werden.
Gemäss dem Wirtschaftsmagazin «Forbes» setzen von 25 Anbietern von «Zero Emission Trucks» 20 primär auf die Batterie als Energiespeicher und fünf auf Wasserstoff. Die Zulassungszahlen verdeutlichen diesen Trend: «Nebst den 159 E-Lastwagen wurden lediglich 27 mit Erdgas (CNG) und drei mit Wasserstoff zugelassen», rechnet Swiss eMobility vor.
Bei den Anbietern elektrischer Lkw hat Volvo, inklusive der vom Schweizer Designwerk mitentwickelten Fahrzeuge, die Nase vorn.
«Das Sparpotential bei den Treibhausgasen und der benötigten Energie in der Logistik ist gewaltig. Die derzeitigen Entwicklungen bei den eNutzfahrzeugen ist positiv und dringend nötig», sagt Swiss-eMobility-Präsident Jürg Grossen. Dass dabei Schweizer Unternehmen wie E-Force One, Designwerk oder Flux eine wichtige Rolle spielen, sei umso erfreulicher.
Ein Grund für die aus Klimasicht positive Entwicklung: Grosse Nutzfahrzeuge mit alternativem Antrieb dürfen seit letztem Jahr schwerer sein. Der Bundesrat will so klimafreundlichere Lastwagen fördern. Da mit dem höheren zulässigen Gewicht trotz der schweren Akkus mehr Waren transportiert werden können, wird der Umstieg wirtschaftlich attraktiver.
Der Trend scheint klar: Um ihre CO₂-Reduktionsziele zu erreichen, weil es die Kunden wünschen und nicht zuletzt aus Kostengründen (geringe Wartungskosten), werden immer mehr Unternehmen ihre von Verbrennungsmotoren angetriebenen Nutzfahrzeuge durch elektrische Fahrzeuge ersetzen. Laut einer Studie von AddSecure wollen 83 Prozent der Transportunternehmen in Europa ihren Fuhrpark auf Elektrofahrzeuge oder alternative Kraftstoffe umstellen. Dies wird aber ein langer Prozess. Die Studie nennt als wichtigste Hürden Reichweitenangst, fehlende Ladestationen für Lastwagen, das Gewicht der Batterien und hohe Anschaffungskosten für E-Fahrzeuge.
Dass es auf der Langstrecke noch etliche Hürden gibt, zeigte kürzlich eine Testfahrt der Schweizer Logistik-Firma Krummen Kerzers, die ihre Diesel-Lkw mit E-Brummis ersetzen will. Einer ihrer E-Lastwagen fuhr nach Spanien, um 20 Tonnen Orangen in die Schweiz zu transportieren. Das Fazit: Es geht, aber die Tour erforderte weit mehr Planung und sie dauerte fünf statt der üblichen vier Tage mit einem Diesel-Lkw.
Obwohl der eingesetzte E-Lastwagen von Volvo eine Reichweite von 300 Kilometern hat, musste der Fahrer auf der 3000 Kilometer langen Hin- und Rückfahrt 15 Mal laden. «Viele Ladestationen lieferten weniger Strom als angepriesen, insbesondere wenn andere Autos oder Lastwagen gleichzeitig geladen wurden», beschreibt ein «NZZ am Sonntag»-Journalist eine der Tücken auf Twitter. Zu weiteren Verzögerungen kam es, weil an den meisten Ladestationen der Anhänger abgekuppelt werden musste, da oft keine Zufahrt für den kompletten Lkw vorhanden war.
Diese Testfahrt zeigt exemplarisch: Als Bremsklotz erweist sich derzeit weniger die Reichweite des E-Lkw, sondern die ungenügende Ladeinfrastruktur für den Schwerverkehr. Das Schweizer Logistik-Unternehmen zeigte sich dennoch überzeugt, dass der alltägliche Fernverkehr mit E-Lastwagen möglich wird, «sobald die Infrastruktur passt».