Die Marke Tesla hat ein Chef-Problem. Elon Musks Eskapaden auf X häufen sich, das geht von Hitlervergleichen bis zur plötzlichen Hinwendung Richtung Putin, nachdem er zu Kriegsbeginn die Ukraine noch mit seinen Internet-Satelliten Starlink unterstützt hatte.
Bankexperten von der Bank of America betrachten Musks regelmässige Medien-Updates auf X als schlecht für die Tesla-Aktie. Die ist weit von ihrem Höhepunkt entfernt – vor zwei Jahren war sie noch 380 Dollar wert, jetzt rund 170.
Hochtrabend sind Musks Pläne aber immer noch. Vor kurzem hat er auf seiner Plattform X die Produktion des schnellsten Elektroautos der Welt gezwitschert. Der angekündigte Tesla Roadster beschleunigt in 2,1 Sekunden auf 100, ist über 400 km/h schnell und soll eine Reichweite von 1000 Kilometern haben. Für 50'000 Schweizer Franken kann man den schönen Tesla Roadster bereits heute vorbestellen.
Allerdings halten Musks Ankündigungen nicht immer, was sie versprechen. Das Elektro-Superauto hat er bereits 2017 angekündigt und auf 2020 angesagt. Nun soll es im nächsten Jahr in Serie produziert werden.
Verzögerungen gibt es auch beim Super-SUV Cybertruck. Somit ist trotz neuerlicher Ankündigung von Elon Musk nicht klar, wann der pfeilschnelle Roadster wirklich zum ersten Mal auf der Strasse zu sehen sein wird.
Zudem stellt sich die Frage, ob Musk mit seinen Eskapaden die Kundschaft nicht verscheucht.
Medien-Pionier Roger Schawinski (78) war einer der ersten Zwanzig in der Schweiz, der Musks Erfolgsmodell S gekauft hat. «Musk war für mich ein absoluter Hero, ein Pionier», sagt Schawinski. Nun verhalte sich der Tesla- und Space X-Chef unmöglich, politisch wie sozial.
Musk sei mit seiner Machtfülle und seiner labilen Art ein Klumpenrisiko für Tesla. Unter dem Titel Meinungsfreiheit habe er Twitter gekauft und zu X gemacht. Nun sei X eine Plattform für rassistische Propaganda.
«Ich würde wegen Musk keinen Tesla mehr kaufen», sagt Schawinski. Der Sympathiebonus sei wohl bei vielen weg. Vor allem auch in den fortschrittlichen technologieaffinen Kreisen, die in den Anfängen, als Musk mit seinem Tesla einen grossen Vorsprung gegenüber allen anderen Elektroautos hatte, die kalifornischen Fahrzeuge gekauft hätten.
Musks Imageverlust scheint sich allmählich auf den Schweizer Strassen zu zeigen. Die letzten beiden Jahre war das Tesla Model Y hierzulande das beliebteste Auto. Diesen Februar wurde es gemäss Zahlen von Auto Schweiz knapp vom Skoda Octavia überholt.
Eine Trendwende? «Heute gelieferte Fahrzeuge sind meist schon vor Monaten bestellt worden», erklärt Christoph Wolnik, stellvertretender Direktor von Auto Schweiz. Nachfrage Rückgänge wegen Musks Gebaren zeichnen sich also nur verzögernd ab.
Andreas Herrmann, Direktor des Instituts für Mobilität an der Universität St.Gallen, sagt dazu: «Von Elon Musk erwarten wir stets kuriose Aktivitäten und Äusserungen.» Bislang habe das ihm und der Marke Tesla nicht geschadet. «Ganz im Gegenteil: Seine Kuriosität hat die Marke stets interessant gehalten.»
Das liege auch daran, dass sich viele Tesla-Kunden selbst als Nichtmainstream verstünden. Hermann sagt:
Trotzdem teilt Herrmann die Ansicht von Schawinski, dass Tesla seinen Vorsprung eventuell nicht mehr halten könne. «Die Gefahr für Tesla kommt weniger aus den Äusserungen von Musk, sondern von chinesischen E-Fahrzeugen.»
Die Chinesen bieten inzwischen eine verbesserte Qualität zu günstigeren Preisen an, womit sie im mittleren und unteren Fahrzeugsegment Tesla das Leben schwer machen werden. Insbesondere die chinesische Marke BYD und einige andere kommen mit Vehemenz auf den Markt.
Zudem reden auch die europäischen Autohersteller inzwischen nach verzögertem Start ein Wörtchen mit auf dem Elektromarkt. «Man darf nicht vergessen, dass Tesla letztes Jahr mit knapp 17 Prozent E-Marktanteil zwar gut unterwegs war – aber über 80 Prozent der neuen Elektroautos 2023 sind eben nicht von Tesla», sagt Wolnik von Autoschweiz.
Marktführer bei E-Autos in der Schweiz ist bezüglich der Importe nicht Tesla, sondern die AMAG, welche die Marken des Volkswagen-Konzerns verkauft, also VW, Audi, Skoda und Seat. Und BMW konkurrenziert Tesla mit dem neuen i5-eDrive und rund 500 Kilometern Reichweite.
«Die deutschen Hersteller sind eher auf das Premiumsegment konzentriert – bis auf VW», sagt Herrmann. Das neue Flaggschiff ID.7 von VW ist bereits ab 66'500 Franken zu haben, der für 2027 geplante ID.1 soll nur 20'000 Euro kosten.
Der Mobilitätsprofessor denkt, dass die chinesischen Anbieter vor allem das untere und mittlere Segment sehr bald dominieren werden. Allerdings wegen ihrer günstigen Produkte und weniger wegen der Irrungen und Wirrungen von Elon Musk.
Zurzeit erlebt der Elektroauto-Markt nach einem rasanten Aufschwung vor allem in Deutschland gerade eine Delle. Die deutsche Kundschaft wendet sich wieder vermehrt den günstigeren Verbrennern zu, auch weil Elektroautos nicht mehr gleich subventioniert werden wie zuvor. Eine Delle gibt es auch in der Schweiz. «Nach rund 21 Prozent Marktanteil 2023 bei den Neuzulassungen liegen wir per Ende Februar nur bei knapp 17 Prozent», sagt Wolnik von Auto Schweiz.
Der Einbruch sei damit nicht ganz so stark wie in Deutschland mit einem Rückgang von 18 auf 11, aber doch spürbar. Gründe dafür seien in der Schweiz die neuerlich eingeführte Automobilsteuer auf Elektrofahrzeuge und durchschnittlich um 18 Prozent höhere Strompreise als im Vorjahr im staatlich dominierten Energiemarkt. «Zudem ein nach wie vor umständlicher Zugang zu Ladeinfrastruktur, vor allem für Mietende und Stockwerkeigentümer», sagt Wolnik.
(aargauerzeitung.ch)