Herr Liebi, heute wird der von Ihnen und Ihrer Zürcher Gemeinderatsfraktion innig gehasste Hafenkran aufgestellt. Wo sind Sie?
Im Büro. An gewöhnlichen Montagen arbeite ich normalerweise, wie Sie auch.
Sie wollen den Hafenkran gar nicht sehen?
Ich komme ja nicht darum herum, der Weg zum Lokal unserer Gemeinderatsfraktion führt am Hafenkran vorbei. Mittwochs muss ich da das erste Mal durch. Aber ich habe keine Angst davor. Ich will ja nicht verdrängen, dass da sauer verdiente Steuerfranken in ein nutzloses rostiges Ungetüm gesteckt werden.
So nutzlos sind die vielleicht gar nicht. Viele Touristen kommen hier ins Kaffee und bleiben lange sitzen, weil sie den Kran interessant finden.
Das sind vermutlich keine Touristen aus Hamburg oder Rostock. Die finden Hafenkräne überhaupt nicht interessant. Aber ernsthaft: Das lokale Gewerbe, insbesondere die Cafés, werden ihre Rechnung schon gemacht haben. Vielleicht rechnen Sie mit einem gesteigerten Passantendurchlauf wegen des Hafenkrans. Ich bin bloss nicht sicher, ob diese Rechnung aufgeht. Der Kran wird 40 Meter hoch und wird massiven Schattenwurf verursachen. Insbesondere am Abend. Und machen wir uns doch nichts vor: Das Café Rathaus und das Motta sind sowieso immer voll. Nicht zuletzt wegen des Blickes auf den Lindenhof, den der Hafenkran nun verstellt.
Sie haben in einer Eilaktion eine gültige Initiative eingereicht, die den Bau von Hafenkränen in der Stadt Zürich verbieten soll. Dazu ist es jetzt zu spät. Ist die Initiative trotzdem noch aktuell?
Das ist derzeit im Komitee in Diskussion. Wir müssen sie ja spätestens 23 Monate nach Einreichung vors Volk bringen. Das heisst diesen Herbst. Das ist nach den Verzögerungsaktionen des Stadtrates mit indirektem Gegenvorschlag und voller Ausnutzung aller Fristen immer noch denkbar knapp.
Man hört hier schon Leute von einer Initiative sprechen, die den ewigen Verbleib des Hafenkrans am Limmatquai ermöglichen soll.
Wenn das wirklich wahr ist, dann werden wir unsere Initiative garantiert bringen. Und dann ist der Fall für mich klar, wie die Abstimmung ausgehen wird. Wir werden gewinnen. Aber es ist natürlich damit zu rechnen, dass der abtretende Stadtrat Martin Waser und sein Künstler Jan Morgenthaler versuchen werden, den Abbau des Krans so lange wie möglich hinauszuzögern. Das würden Sie auch tun.
Warum?
Waser muss ja seine 80'000 mit irgendeinem Fotoband oder einem Büchlein oder etwas ähnlichem zum Hafenkran wieder hereinholen. Und solche Dinge verkaufen sich natürlich besser, wenn der Kran noch steht.
A propos Kosten: Der Stadtrat behauptet, mit der Beteiligung von 600'000 Franken sei die Sache für ihn erledigt, den Rest zahlen Waser und die Künstler mit Sponsoren privat. Sie sind Präsident der Rechnungsprüfungskommission im Gemeinderat. Entstehen den Steuerzahlern wirklich nicht mehr Kosten?
Ob die 600'000 wirklich reichen, wird sich zeigen. Ich bezweifle es stark, denn die Mannstunden der Stadt für die Planung und Durchführung von Auf- und Abbau sind meines Wissens nirgends budgetiert. Und wie die Verträge von Waser mit der Stadt wirklich aussehen, weiss niemand. Und selbst wenn ich es wüsste, dürfte ich nicht darüber sprechen, denn das Vertragswerk ist vom Stadtrat als geheim deklariert worden, ich würde mich also einer Amtsgeheimnisverletzung schuldig machen. Das ist stossend und wir werden sowohl im Gemeinderrat als auch in der Rechnungsprüfungskommission darauf hinarbeiten, dieses Vertragswerk öffentlich zu machen, denn die Öffentlichkeit hat ein Anrecht darauf.
Wissen Sie, wieviel die Künstler sich im Rahmen des Projekts als Lohn auszahlen?
Nicht im Detail, aber da bleibt sicher etwas hängen. Die in Rostock sind ja froh, dass sie den Kran los sind, der war sicher nicht sehr teuer und das Aufstellen kostet vermutlich auch keine 600'000 Franken. Aber darauf kommt's auch nicht an. Jeder Franken ist zu viel. Morgenthaler ist ein Profi, der verdient Geld mit seiner Kunst und zwar nicht wenig, sonst würde er es vermutlich nicht machen, der Morgenthaler ist ja nicht dumm. Er hat es geschafft, intelligenten Menschen das Aufstellen eines Haufen Rosts als Kunst zu verkaufen. Wobei ich manchmal an der Intelligenz dieser Menschen stark zweifle.
Interview mit Jan Morgenthaler von Zürich Transit Maritim
Die ersten Bilder des Zürcher Hafenkrans
Geschichtliche Betrachtungen zum Zürcher Hafenkran