Experten der Vereinten Nationen haben in einem neuen Bericht das erschreckende Ausmass an Folter, Ausbeutung und Gewalt in Libyen untersucht.
Die Verantwortlichen hätten in dem Bürgerkriegsland vermutlich auch Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, etwa in Gefängnissen sowie gegen Migranten, heisst es in dem am Montag veröffentlichten Bericht. Für den etwa 30-seitigen Bericht an den UN-Menschenrechtsrat in Genf werteten die Experten Hunderte Dokumente aus, führten 150 Interviews und suchten nach Hinweisen in Libyen, Tunesien und Italien.
Alle Konfliktparteien, darunter auch ausländische Staaten sowie ausländische Kämpfer und Söldner, hätten gegen humanitäres Völkerrecht verstossen, teilten die Autoren mit. Sie hätten libysche und ausländische «Einzelpersonen und Gruppen» identifiziert, die für die Verstösse, Missbrauch und Gewalt seit 2016 verantwortlich sein könnten. Diese vertrauliche Namensliste werde aber unter Verschluss gehalten, «bis ihre Veröffentlichung oder die Weitergabe notwendig wird», etwa bei weiteren Untersuchungen.
Das ölreiche Mittelmeerland war nach dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 in einem Bürgerkrieg versunken. Dabei rangen zahlreiche Milizen um Macht und Einfluss. Seit fast einem Jahr gilt eine Waffenruhe. Die Zustände unter anderem in Gefängnissen und Internierungslagern für Migranten, von wo immer wieder Berichte über Folter und Gewalt auftauchten, sind weiterhin aber extrem schlecht.
Der UN-Bericht erwähnt beschädigte Krankenhäuser und Schulen und mögliche Kriegsverbrechen bei verschiedenen Angriffen auf Zivilisten. Die Rede ist auch von Entführungen, Inhaftierungen ohne Anklage in geheimen Gefängnissen, sexueller Gewalt und aussergerichtlichen Tötungen, um Gegner zu bestrafen oder zum Schweigen zu bringen. «Folter ist eine etabliertes Merkmal im Strafvollzugssystem», heisst es. Es mangele dort an Hygiene, Essen und medizinischer Versorgung. Insgesamt handle es sich vermutlich um einen «systematischen und verbreiteten Angriff gegen die Zivilbevölkerung». (sda/dpa)