Tucker Carlson ist in Moskau. Mit einem Ziel: «Wir sind hier, um den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu interviewen.» Das sagte der ehemalige Fox-News-Moderator am Montag in einem Video, das er auf seiner eigenen Plattform TCN und auf X postete.
Kremlsprecher Dmitri Peskow hat am Mittwoch bestätigt, dass ein Gespräch zwischen Putin und Carlson stattgefunden hat. Es dürfte das problematischste Interview des Jahres werden. Denn folgende vier Punkte sind die Zutaten für einen toxischen Cocktail aus Propaganda und Verschwörungstheorien.
Tucker Carlson war lange ein einflussreicher Moderator auf Fox News. Dort verbreitete er Verschwörungstheorien und Falschmeldungen. Schon damals sprach er sich für Putin und gegen die Unterstützung der USA an die Ukraine aus.
2023 entliess Fox News ihren Star-Moderator unerwartet und ohne öffentliche Begründung. Seither betreibt Carlson seine eigene Plattform: TCN, Tucker Carlson Network. Deren erklärtes Ziel: Gegen die «Propagandaspirale» der westlichen Medien, in der wir heute leben würden, anzukämpfen.
TCN versteht sich nicht nur als Nachrichtenplattform, sondern auch als «Bewegung», welche die «Wahrheit über Dinge» sagt. Dieser «Bewegung» kann man ganz einfach für 9 Dollar im Monat beitreten und erhält so exklusiven Zugang zu Carlsons Beiträgen.
Das Interview mit Putin will Carlson allerdings nicht hinter einer Paywall verbergen. Denn alle müssten Zugang zu diesen wichtigen Informationen haben. Zur «Wahrheit».
Mit dieser Wahrheit nimmt er es aber bereits in seinem Ankündigungsvideo nicht so genau. Als Begründung für das Interview mit Putin gibt er an, dem Präsidenten «des anderen Landes, das in diesen Konflikt involviert ist» endlich die Möglichkeit geben zu wollen, seine Sicht auf die Dinge zu geben. Denn die «korrupten Medien» seien voll von Interviews mit Wolodimir Selenski und hätten sich nie darum bemüht, ein Interview mit Putin zu führen.
Why I'm interviewing Vladimir Putin. pic.twitter.com/hqvXUZqvHX
— Tucker Carlson (@TuckerCarlson) February 6, 2024
Es stimmt zwar, dass kein westliches Medium ein Interview mit Putin durchgeführt hat, seit der Ukrainekrieg begonnen hat. Allerdings nicht, weil sich keine Journalistinnen und Journalisten darum bemüht hätten, sondern weil der Kreml solche Interviews partout ablehnt. Die britisch-iranische CNN-Journalistin Christiane Amanpour kommentiert Carlsons Vorwurf mit: «Es ist absurd – wir werden weiterhin versuchen um ein Interview zu bitten, genauso wie wir es seit Jahren tun.»
Die Ankündigung für ein baldiges Putin-Interview kommt zu einem interessanten Zeitpunkt. Vom 15. bis 17. März finden in Russland die Präsidentschaftswahlen statt. Putin will sich dann zum fünften Mal zum Präsidenten wählen lassen. Damit das möglich ist, hat er 2020 eigens die russische Verfassung umschreiben lassen. Mit dieser Änderung kann er sogar noch bis 2036 Präsident bleiben.
Sein einziger wirklicher Herausforderer ist Boris Nadeschdin von der Partei «Bürgerinitiative», der sich offen gegen Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ausspricht. Für diese Kritik erntete Nadeschdin unerwartet grossen Zuspruch in der Bevölkerung. Um als Präsidentschaftskandidat registriert zu werden, musste er bis zum 31. Januar 100'000 Unterschriften zusammenbringen. Das soll er gemäss eigenen Aussagen auch geschafft haben.
Dass Nadeschdin wirklich zur Wahl antreten kann, ist jedoch unwahrscheinlich. Die Wahlkommission soll «fehlerhafte» Unterstützungsunterschriften bei Nadeschdin gefunden haben, wie die Tagesschau berichtet. Solche «Fehler» könnten das Aus seiner Kandidatur bedeuten.
Putins Wiederwahl gilt darum auch jetzt als gesichert.
Indes finden in diesem Jahr auch die US-Präsidentschaftswahlen statt. Republikanische Politiker sprechen sich zunehmend gegen die US-amerikanische Unterstützung der Ukraine aus. Allen voran Donald Trump. In einem Radiointerview mit Fox News im März 2023 sprach er sich dafür aus, dass die Ukraine Land an Russland abtritt. Für den Frieden.
Wie das Interview mit Putin laufen wird, kann man sich bereits ausmalen, wenn man schaut, wie Tucker Carlson im August 2023 den ungarischen Präsidenten Viktor Orban interviewte. Orban gilt als «kleiner Diktator». Mehrfach rügte die EU ihn schon dafür, dass er die Unabhängigkeit der ungarischen Medien und Justiz einschränkt. Auch scheiterten zahlreiche EU-Beschlüsse an Orbans Veto.
Im Interview mit Tucker Carlson wirkte Orban aber alles andere als diktatorisch oder umstritten. Eher sympathisch. Wenn Orban Sätze sagte wie: «Ich bin leider nicht der Lieblingspolitiker der Liberalen. Aber niemand ist vollkommen», lachte Carlson mit ihm zusammen über sein Witzchen.
Carlson nutzte das Interview aber auch zu seinen eigenen Zwecken: um indirekt Kritik an den USA zu üben. So fragte er Orban: «Sie haben gerade an Wahlen teilgenommen. Haben Sie jemals daran gedacht, gegen Ihren Herausforderer ein Verfahren zu eröffnen? Wäre das nicht leichter gewesen?» Eine Anspielung auf die zahlreichen Verfahren gegen Donald Trump. Orban antwortete: «Das, was jetzt in Ihrem Land passiert, nämlich dass die Justiz gegen die politischen Gegner eingesetz wird, ist in Ungarn, glaube ich, unvorstellbar. Das wurde von den Kommunisten gemacht.»
Die verdrehte Message: Die USA ist eigentlich eine Diktatur. Und Orban hat ganz zu Unrecht von den Medien den Stempel «kleiner Diktator» erhalten.
Kritische Fragen stellte Carlson indes kaum. Oft stellte er überhaupt keine Frage. Orban erhielt indes eine grosse Bühne, weit über Ungarn, weit über Europa hinaus, um «seine Sicht der Dinge» darzulegen.
Ein Blick in die Kommentare unter dem Interview auf Youtube zeigt: Diese Strategie geht auf. Zahlreiche User beklatschen Orban und danken ihm für seine «aufschlussreiche Perspektive» auf Russland und die Ukraine.
Es ist zu erwarten, dass auch Putin dank Carlson im Westen den Eindruck erwecken wird, ein nahbarer, sympathischer Staatsmann zu sein. Einer, mit dem man reden kann. Gleichzeitig wird es Carlson nur Recht sein, dass ob des Seltenheitswerts von Putin-Interviews viele Menschen seine direkte und indirekte Kritik gegen den Westen, gegen die Linken, gegen die Medien, mitverfolgen.
Ein US-amerikanischer «unabhängiger, kritischer Journalist», wie sich Carlson selbst nenn, kommt nach Moskau, um mit dem höchsten Mann des Landes zu sprechen. In einem «unzensierten Interview». Dass Carlson seine Unabhängigkeit so stark unterstreicht, kommt Putin gelegen. Wie könnten Russinnen und Russen seine Aussagen unter diesen Umständen als Propaganda abtun?
Dank dieses Interviews wird Putin seiner Bevölkerung nicht nur nochmals eintrichtern können, warum Russland die Ukraine «von den Nazis befreien muss», sondern wird auch symbolisieren können: «Seht her, auch ausländische Medien stehen auf meiner Seite.»
Denn breits jetzt ist auffällig, wie russische Staatsmedien über den Besuch von Carlson berichten, wie CNN unterstreicht. Jeden Schritt von Carlson können die Russinnen und Russen im Staatsfernsehen mitverfolgen: Carlson, wie er ein Theater besucht, Carlson, wie er Zmittag ist, Carlson, wie er die U-Bahn nimmt, Carlson, wie er sein Handy auflädt. Tucker Carlson der Staatspromi.
Unklar ist nur ob mit 102 oder mit 113 % der Stummen.
Tucker Carlson ist aber eigentlich nur was Roger Köppel hierzulande. 🤷♂️
Es gibt überall Leute, die gut finden was Putin tut, bis sie aus dem Fenster fallen, in den Pool stolpern , mit Nowitschok spielen oder sich sonst ungeschickt anstellen. 🤷♂️
Es soll in Sibirien, wo #Putain seinen Kritiker Navalny widerrechtlich eingesperrt hat, Internierungslager. Das wären doch tolle Ferien- und Auswanderungdziele für Carlson. Dann wäre er immer in der Nähe seines Idols #Putain.