Zwei Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten, sollen Kamala Harris aus der Patsche helfen. Mit Auftritten in den populären Programmen des Radiomoderators Charlamagne tha God und des weltweit bekannten Podcasters Joe Rogan will die demokratische Präsidentschaftskandidatin eine Wählergruppe ansprechen, die mit einer gewissen Skepsis auf Harris reagiert hat: junge Männer mit dunkler Hautfarbe.
Charlamagne tha God, der mit bürgerlichen Namen Lenard McKelvey heisst, macht den Anfang. Der unverblümte Radiomoderator aus New York, dessen tägliche Sendung «The Breakfast Club» gerade unter Afroamerikanern Kultstatus geniesst, hatte mit Harris am Dienstag einen Auftritt im politisch umkämpften Bundesstaat Michigan im Programm.
Rogan, dessen Podcast in Amerika regelmässig an der Spitze der entsprechenden Charts steht, soll derweil in Verhandlungen mit dem Wahlkampfteam der Demokratin stehen. Geplant ist ein Auftritt in den nächsten Tagen. Das wäre ein Knüller, hören sich doch Millionen von Menschen – darunter überproportional viele jüngere Männer – seine Sendung «The Joe Rogan Experience» jeweils an.
Harris möchte diese Plattformen nutzen, um ein Publikum zu erreichen, das ihrer Kandidatur bisher kühl gegenübersteht – oder sich gemeinhin nicht allzu sehr für Wahlen interessiert oder von zu vielen unerfüllten Politiker-Versprechen enttäuscht wurde.
Dabei wäre es falsch zu sagen, dass die Demokratin bei jungen Wählerinnen und Wählern, egal welcher Hautfarbe, unbeliebt ist. In der Gruppe der 18 bis 34-Jährigen zum Beispiel weist Harris auf ihren Kontrahenten Donald Trump einen Vorsprung von rund 9 Prozentpunkten auf. Unter Afroamerikanern ist der Vorsprung noch grösser, unterstützen doch mehr als 80 Prozent der dunkelhäutigen Wählerinnen und Wähler die erste schwarze Präsidentschaftskandidatin.
Aber es gibt zumindest Hinweise darauf, dass die Koalition, die 2020 einen recht knappen Sieg des demokratischen Duos Joe Biden und Kamala Harris ermöglichte, an den Rändern bröckelt. So wurden die Demokraten vor vier Jahren noch von mehr als 90 Prozent der Afroamerikaner unterstützt. Und weil letztlich einige Zehntausend Stimmen den Ausschlag im Rennen zwischen Harris und Trump geben könnten, könnte bereits eine leichte Verschiebung einer Wählergruppe nach rechts grossen Einfluss haben.
Vor allem junge Männer unter 30 – Weisse, Latinos und Schwarze – scheinen empfänglich für die Botschaften von Trump zu sein. Sie machen dafür seine Persönlichkeit geltend, die Stärke, die der 78-Jährige in seinen Auftritten immer wieder projiziert, oder seine Leistungsbilanz als Präsident von 2017 bis 2021. Viele Amerikaner sind der Meinung, dass es ihnen unter Trump wirtschaftlich besser ging. (Dass die Arbeitslosenquote während der Covid-Pandemie im Frühjahr 2020 zwischenzeitlich auf 14,8 Prozent anstieg, daran wollen sich die meisten US-Bewohner nicht mehr erinnern.)
Harris versucht deshalb, diese skeptischen Bevölkerungsgruppen direkt anzusprechen. Diese Woche stellte die Demokratin eine Reihe von Wahlkampfversprechen vor, die explizit «schwarze Männer stärken» sollen – zum Beispiel mit Hilfe einer Anschubfinanzierung für afroamerikanische Unternehmer.
Gleichzeitig behauptet Harris aber auch, dass sie um die Stimmen aller Wählergruppen kämpft. Sie will damit verhindern, dass einzelne Bevölkerungssegmente plötzlich unfairerweise im Rampenlicht stehen – weil sie, aus welchem Grund auch immer, das Ticket der Demokraten weniger stark unterstützen als in den Wahlen zuvor. So sagte Harris kürzlich: «Schwarze Männer sind nicht anders als irgendjemand sonst.»
Barack Obama allerdings scheint dies anders zu sehen. Der ehemalige Präsident, im Amt von 2009 bis 2017, nutzte vorige Woche einen Wahlkampfauftritt in Pennsylvania, um Afroamerikanern ins Gewissen zu reden. Vor Aktivistinnen und Aktivisten sagte Obama: «Ich habe fast das Gefühl, dass sich einige mit der Idee, eine Frau als Präsidentin zu haben, einfach nicht anfreunden können.» Dies sei inakzeptabel, sagte der Demokrat in seiner Brandrede, in der er sich explizit an dunkelhäutige Männer richtete.
Diese Botschaft aber kam nicht bei allen Parteifreunden gut an. «Schwarze Männer müssen nicht belehrt werden», sagte Quentin James, der Gründer eines Wahlkampfvehikels, das sich zum Ziel gesetzt hat, schwarze Männer in politische Ämter zu hieven. Es wäre besser, wenn Obama diese Wählerschicht mit einer positiven Botschaft ansprechen würde, statt sie zu verunglimpfen, sagte James einer Nachrichtenagentur.
My parents met while protesting for civil rights. When I was a child, they would take me to marches in a stroller.
— Kamala Harris (@KamalaHarris) October 14, 2024
Those were my first memories of seeing people fighting for the freedoms and the promise of America that had long been kept from them.
As I have traveled across the… pic.twitter.com/kNKPss77fU
Trump führt derweil unbeirrt seinen unorthodoxen Wahlkampf fort. Auf seinem Internetdienst Truth Social behauptete er am Dienstag, dass der Gesundheitszustand seiner fast 20 Jahre jüngeren Gegnerin «sehr schlecht» sei – und sie deshalb am besten aus dem Rennen ums Weisse Haus aussteigen solle. Auch regte sich Trump bitterlich darüber auf, dass Fox News Channel, der Haussender Republikaner, den Demokraten drei Wochen vor der Wahl eine Plattform gebe. «Fox News ist vom Weg abgekommen», beklagte sich der republikanische Präsidentschaftskandidat. (aargauerzeitung.ch/lyn)
Wie viel die jeweiligen Präsidenten und Parteien den Wert dabei beeinflussen steht auf einem anderen Blatt.
Was ist also wahrscheinlicher?
a) In nur 4 Jahren fand bei diesem Wählersegment ganz im Geheimen und unbemerkt die grösste politische Verschiebung seit den 60ern statt.
b) Die Umfragen sind Schrott.