Am 1. Januar dieses Jahres bebte die Erde in Japan. Die Stärke des Bebens lag bei 7,6. Aktuell beläuft sich die Opferzahl auf 81 Menschen. Vor rund einem Jahr erschütterten zwei Beben der Stärke 7,5 und 7,8 die Türkei und Syrien. Fast gleich stark waren sie wie jenes Erdbeben kürzlich in Japan. Doch in der Türkei und in Syrien starben über 50'000 Menschen.
Weshalb können gleich starke Beben dermassen verschiedene Auswirkungen haben? Florian Haslinger ist stellvertretender Direktor des Schweizerischen Erdbebendiensts und ordnet ein.
Das aktuellste Erdbeben in Japan forderte vergleichsweise wenige Opfer. Experten sagen, die Zahl der Toten konnte durch gute Vorbereitung eingedämmt werden. Welche Massnahmen sind im Ernstfall essenziell?
Das Schadenbild hängt von sehr vielen Faktoren ab. Die erdbebensichere Bauweise ist wichtig und es spielt auch eine Rolle, wie die Infrastruktur in den Ländern ist. Wenn es zu einem Beben kommt, ist es auch wichtig, wie schnell die Rettungskräfte mobilisierbar sind. Aber wenn gewisse Strassen zerstört werden, erschwert dies die Arbeit natürlich. Und: Die Bevölkerung muss auch gut trainiert sein.
Wie verhält sich denn eine «gut trainierte Bevölkerung» bei einem so starken Erdbeben?
Wenn die Erschütterung beginnt und man in einem Haus ist, welches nicht direkt einstürzt, dann sollte man Schutz suchen unter einem Tisch. So wird man nicht getroffen, wenn beispielsweise die Lampe oder Ähnliches von der Decke fällt.
Die Erdbeben in der Türkei und Syrien am 6. Februar 2023 hatten eine Stärke von 7,8 und 7,5. Jenes in Japan 7,6. In der Türkei sind mehr als 50’000 Menschen gestorben. In Japan liegt die Zahl aktuell bei 81 Toten. Weshalb gibt es eine solche Differenz?
Auch in Japan ist es zu Bränden gekommen und Häuser sind eingestürzt. Das zeigt: Auch bei guter Vorbereitung kann es zu Schäden kommen. Die im Vergleich niedrige Anzahl Tote ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die Bevölkerungsdichte in dem betroffenen Gebiet tiefer war. Die Erdbebenstörungszone geht in Japan nicht durch dicht besiedeltes Gebiet. In der Türkei war das Gebiet viel stärker besiedelt.
Die Infrastruktur macht doch sicher auch viel aus, oder?
Ja, die Häuser in Japan waren höchstwahrscheinlich zu einem grossen Teil erdbebensicherer gebaut als jene in der Türkei. Das heisst, auch wenn einige Häuser eingestürzt sind, sind es nicht so viele wie in der Türkei.
Welche andere Erdbebengebiete sind ähnlich gut vorbereitet wie Japan?
Das ist sehr unterschiedlich. Die wirtschaftliche Stärke eines Landes und das soziale Gefüge sind dafür massgebend. In vielen Länder ist die Vorbereitung auf grosse Erdbeben nicht sehr gut. Allein schon wegen der Bausubstanz. Die Beben in Haiti 2010 waren weniger intensiv, mit einer Stärke von 7, als jenes in Japan, aber sie riefen eine verheerende Katastrophe hervor, weil Haiti und andere Länder letztendlich zu arm sind, um sich gut vorbereiten zu können. Andere Regionen sind wiederum auf einem guten Weg: Andere Länder im Pazifischen Feuerring, beispielsweise Chile oder die USA, können bereits gut mit Erdbeben umgehen.
Wie oft kommt es in diesen Regionen zu Erdbeben der Stärke 5, also der mittleren Stufe?
Erdbeben der Stufe 5 kommen täglich irgendwo vor, aber treffen die Regionen, in denen es mehr Erdbeben gibt, prinzipiell häufiger. Erdbeben der Stärke 5 richten eigentlich selten Schäden an. Doch es gibt Ausnahmen, beispielsweise in Afghanistan oder Pakistan können Erdbeben zwischen der Stufe 5 und 6 schon Schäden anrichten, denn in diesen Gebieten gibt es viele Häuser aus Lehm, die nicht so stabil sind und zerstört werden.
In Istanbul soll es in den nächsten 10 Jahren auch zu einem Erdbeben kommen. Weshalb kann man den Zeitpunkt des Bebens und das Ausmass nicht genau voraussagen?
Wir wissen noch nicht gut genug, wie sich die Erdbeben vorbereiten. Ein Erdbeben entsteht dadurch, dass sich innerhalb der Erdkruste Spannungen aufbauen. Diese entladen sich irgendwann, meistens an schon bestehenden Störungszonen. So rutschen die Erdplatten aneinander vorbei und ein Erdbeben wird ausgelöst. Wann aber genau diese Spannungen so gross werden, dass es zu diesem Vorbeirutschen kommt, also der Auslösung, das ist im Detail nicht bekannt. Wir haben bisher auch noch keine Methode gefunden, das detailliert zu messen oder daraus genaue Vorhersagen abzuleiten, wann genau ein spezifisches Erdbeben auftritt. (jub)
Darf man von einem kulturellen Problem sprechen?
Da brauchen die Japaner noch nicht so hohe Geburtenzahlen. Sie bauen einfach nach Vorgaben.