Frau Muedini, wie geht es Ihnen?
Edlira Muedini: Mir geht es glücklicherweise gut. Ich lebe in Tirana, wo die Auswirkungen des Bebens nicht ganz so stark waren wie in der Region Durres, wo das Epizentrum lag.
Wie haben Sie den Moment des ersten Bebens erlebt?
Ich lag in meinem Bett und schlief, als ich um etwa 4 Uhr morgens geweckt wurde. Die Erdstösse waren heftig und der Lärm, den die Möbel machten, welche gegen die Wände geschleudert wurden. Ich sprang sofort aus meinem Bett und begriff instinktiv, was los war. Danach suchte ich unter meinem Esstisch Schutz. In den frühen Morgenstunden kontaktierte ich dann Familie, Freunde und Arbeitskollegen, um herauszufinden, ob es allen gut geht.
Und sind alle wohlauf?
Ja, glücklicherweise. Wir haben bei Helvetas eine WhatsApp-Gruppe und Richtlinien, dass wir in solchen Fällen dort melden, dass es uns gut geht. Drei Mitarbeitende meldeten sich zunächst nicht. In einer solch unübersichtlichen und nervenaufreibenden Situation kann es natürlich mal passieren, dass man nicht als Erstes an die Verhaltensrichtlinien des Arbeitgebers denkt, sondern sich beispielsweise um seine Kinder kümmert. Später gelang es uns, sie zu kontaktieren. Das war eine grosse Erleichterung.
Wie ist die Stimmung am Tag nach dem grossen Beben?Natürlich ist weiterhin viel Anspannung vorhanden. Dazu haben auch die Nachbeben beigetragen. Viele Menschen haben den Tag draussen verbracht, beispielsweise in Parks. Die Leute verfolgen die Nachrichten vor dem Fernseher und an ihren Smartphones mit. Am meisten beschäftigt natürlich das Schicksal der Menschen, die weiterhin unter den Trümmern begraben sind. Wir hoffen, dass möglichst viele von ihnen lebend geborgen werden können, und sind in Gedanken bei ihren Angehörigen.
Was kann die Bevölkerung tun, ausser die Nachrichten verfolgen und an die Betroffenen denken?
Die Leute hier sind sehr solidarisch und versuchen, den Betroffenen zu helfen, wo sie nur können. Wir Albanerinnen und Albaner sind sehr solidarisch. Jeder, der etwas beitragen kann, trägt etwas bei. Und auch die Anteilnahme und die Anrufe aus der ganzen Welt helfen enorm. Die lokalen Behörden, aber auch NGOs und Privatpersonen sind bereits dabei, für die vom Erdbeben betroffenen Personen Obdach und finanzielle Überbrückungshilfen zur Verfügung zu stellen.
Welche Herausforderungen kommen nun in den nächsten Tagen und Wochen auf das Land zu?
Zunächst steht die Bergung der Verschütteten im Vordergrund, und die rasche Hilfe für jene, welche beim Erdbeben ihr Zuhause verloren haben oder deren Arbeitsstätte zerstört wurde. Dann wird es um den Wiederaufbau gehen. Um damit beginnen zu können, fehlt noch eine Bilanz zur Anzahl der zerstörten Gebäude. Der Wiederaufbau liegt in der Verantwortung der Regierung, mit der Unterstützung von NGOs und der internationalen Gemeinschaft.