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Porsche-Erbe will Privattunnel durch Salzburg graben

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Ein Protestbanner am Kapuzinerberg in der Stadt Salzburg, April 2025.Bild: APA/PRIVATTUNNELSTOPPEN

Sternstunde von Salzburg: Wenn ein Milliardär einen Privattunnel graben will

Um im Winter gefahrenfrei zu seinem Schlössl zu kommen, will Wolfgang Porsche einen Privattunnel durch den Kapuzinerberg bauen. Das Projekt stösst nicht auf viel Gegenliebe.
22.06.2025, 12:2922.06.2025, 12:29
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Im Kern ist es die Geschichte eines Tunnels, den sich ein sehr reicher Mann ganz für sich allein bauen lassen will. Die Frage danach, was sich ein Milliardär für Privilegien leisten kann. Die Frage nach Grenzen, nach Gemeinsinn und Gerechtigkeit. Es ist aber auch die Geschichte eines Schlosses, das im Abstand von 86 Jahren zwei sehr unterschiedliche Besitzer kannte. Und dazwischen? Dazwischen hat der Nationalsozialismus den Untergang des einen vorangetrieben und den Aufstieg des anderen ermöglicht.

«[ ...] Auch in der Historie geschieht unermesslich viel Gleichgültiges und Alltägliches. Auch hier sind wie überall in der Kunst und im Leben die sublimen, die unvergesslichen Momente selten. Meist reiht sie als Chronistin nur gleichgültig und beharrlich Masche an Masche in jener riesigen Kette, die durch die Jahrtausende reicht, Faktum an Faktum, denn alle Spannung braucht Zeit der Vorbereitung, jedes wirkliche Ereignis Entwicklung. Immer sind Millionen Menschen innerhalb eines Volkes nötig, damit ein Genius entsteht, immer müssen Millionen müssige Weltstunden verrinnen, ehe eine wahrhaft historische, eine Sternstunde der Menschheit in Erscheinung tritt.»
Stefan Zweig, «Sternstunden der Menschheit», 1927

AUSTRIA - CIRCA 1935: Stefan Zweig in front of his house at the Kapuzinerberg. Salzburg. Photograph around 1935. (Photo by Imagno/Getty Images)
Stefan Zweig vor seinem Paschinger Schlössl, 1930er.Bild: Hulton Archive

Das denkmalgeschützte Paschinger Schlössl, das oben auf dem Kapuzinerberg in Salzburg thront, war einst das Zuhause von Stefan Zweig und seiner Familie. Rund 200'000 Manuskriptseiten hat der in Wien geborene, jüdische Schriftsteller hier während der Jahre 1917–1934 verfasst. Auf dem Schreibtisch, der einst Mozart gehörte, schrieb er seine «Sternstunden der Menschheit». Er ahnte bereits, was kommen würde, als die austrofaschistische Polizei sein Anwesen durchsuchte. Die nationalsozialistische Bedrohung lag in Sichtweite; Hitler hatte den Berghof auf dem Obersalzberg 1933 erworben und würde ihn bald zu einer wichtigen Machtzentrale des NS-Staates umbauen.

GIs in silhouette can be seen standing in the ruins of Hitler's mountain retreat, the Berghof, Obersalzberg, Germany, World War II, June 1945. (Photo by Tony Vaccaro/Getty Images)
US-Soldaten stehen in den Ruinen von Hitlers Berghof in Obersalzberg, Deutschland, Juni 1945.Bild: Archive Photos

Zweig flüchtete 1934 nach London. Und nahm sich am 22. Februar 1942 gemeinsam mit seiner zweiten Frau Lotte in Petrópolis, Brasilien, das Leben. «Aus freiem Willen und mit klaren Sinnen», wie er in seinem Abschiedsbrief schrieb. Er habe durch die Selbstvernichtung Europas seine «geistige Heimat» verloren. Nach «langen Jahren heimatlosen Wanderns» seien seine Kräfte versiegt.

Seit 2020 gehört das Schlössl nun dem 82-jährigen Wolfgang Porsche. Der Enkel des Begründers der gleichnamigen Firma. Der Enkel des Mannes, der 1934 für Hitler den VW Käfer entwickelte: Ein volkstümlicher und erschwinglicher Kleinwagen für den deutschen Mann, auf dass die «Volksmotorisierung» vorangetrieben werde. Wenn auch erst im Zeichen des Krieges – als geländegängiger Kübel- und Schwimmwagen an der Front.

GERMANY - JANUARY 01: Foundation stone for the Volkswagen factory in Fallersleben, near Wolfsburg, Germany, on the occasion of Aldolf Hitler?s 50th birthday. Photography. 1938. (Photo by Imagno/Getty  ...
Adolf Hitler an der Grundsteinlegung zum grossen Volkswagen-Werk in Wolfsburg, 1938.Bild: Hulton Archive

Wolfgang Porsche sitzt dem Aufsichtsrat der Porsche AG und der Porsche Automobil Holding SE vor, zudem ist er Aufsichtsratsmitglied der Volkswagen AG und der Audi AG. Ihm gehört auch ein alpenländischer Bio-Bauernhof, das 600 Jahre alte Schüttgut in Zell am See mit 200 Rindern, das mit EU-Agrarsubventionen unterstützt wird. 2016 waren das fast 82'000 Euro.

BERLIN, GERMANY - NOVEMBER 7: Wolfgang Porsche attends the "Das Goldene Lenkrad" Award 2023 at Axel Springer Haus on November 7, 2023 in Berlin, Germany. (Photo by Gerald Matzka/Getty Images ...
Wolfgang Porsche 2023 mit dem Goldenen Lenkrad, einer deutschen Auszeichnung für neue Automodelle, die von der «BILD am Sonntag» verliehen wird.Bild: Getty Images Europe

Und nun also will der Milliardär einen Tunnel für 10 Millionen Euro bauen, der 500 Meter durch den Kapuzinerberg führen und ihn sicher durch das winterliche Salzburg zum Schössl bringen soll. Denn die Zufahrtsstrasse ist steil, so steil offenbar, dass selbst ein Porsche bei eisigen Verhältnissen damit Mühe zu haben scheint.

40'000 Euro für 1500 Quadratkilometer städtische Fläche, das war die Summe, die der Salzburger Stadtsenat – im Frühling 2024 noch unter dem konservativen Bürgermeister Preuner (ÖVP) – für das private Nutzungsrecht von Porsche verlangte.

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Hier soll der geplante Porsche-Tunnel von der Einfahrt der öffentlichen Parkgarage abzweigen und bis zur Villa führen, April 2025.Bild: APA/APA

Ein für viele Salzburger:innen lachhafter Betrag: «In Relation ist das für ihn in etwa so viel Geld wie 17 Cent für eine Person mit einem österreichischen Durchschnittsvermögen von 95'000 Euro», schreibt Gisela Zeindlinger in ihrer Petition gegen den Porsche-Tunnel, die mittlerweile von 17'760 Menschen unterzeichnet wurde.

Ein Jahr später wurde jene Summe auf 48'000 Euro angehoben, dieses Mal unter dem derzeitigen sozialdemokratischen Bürgermeister Bernhard Auinger (SPÖ).

Im Zuge der Detailplanungen hatte sich herausgestellt, dass der Tunnel doppelt so viel städtischen Grund berührt wie gedacht. Er würde breiter werden, durch Lüftungsschächte, Ausweichen, Felsanker und die 10 bis 15 angedachten Parkplätze im Berginnern.

Doch auch 8'000 Euro mehr scheinen wenig für ein Projekt, das einzig einem Menschen dient.

«Für was Milliardäre ihr Geld ausgeben, soll ihre Sache sein. Die einen schiessen sich ins Weltall, die anderen tauchen zum Meeresgrund, aber man muss als Stadt nicht bei jedem Blödsinn mitmachen.»
Der kommunistische Vizebürgermeister Kay-Michael Dankl zum KURIER

Ob dies der «Freunderlwirtschaft» geschuldet ist? Der österreichischen Version der «Vetterliwirtschaft». Das fragt man sich in der Mozart-Stadt. Denn Bernhard Auinger hatte als junger Mann seine Lehre bei Porsche gemacht. Er arbeitete als Programmierer im Unternehmen und wurde 2010 zum Betriebsratsvorsitzenden der Porsche-Holding in Salzburg gewählt.

Bernhard Auinger (* 4. März 1974 in Salzburg) ist ein österreichischer Politiker (SPÖ).
Bernhard Auinger, Salzburgs Bürgermeister (SPÖ).Bild: wikimedia

Der Bürgermeister selbst meinte in den «Salzburger Nachrichten»: «Ich bin kein Freund von Wolfgang Porsche.» Und verwies dabei auf das gute alte Argument des Neides, der die Debatte über den Tunnelbau bestimmen würde.

Die Debatte in einer Stadt, in der die Immobilienpreise aktuell höher sind als in Wien. In der 2024 rund 16'300 Wohnungen und Häuser, also insgesamt 1'204'000 Quadratmeter Wohnfläche, leer standen, während hunderte Haushalte auf ein bezahlbares Zuhause warteten – und es noch immer tun.

Und Wolfgang Porsche selbst? Er schweigt – und lässt seine Anwälte arbeiten.

Noch ist das Projekt aber nicht besiegelt. Es fehlt eine spezielle Einzelbewilligung, die nach dem österreichischen Raumordnungsgesetz nötig ist: Weil der Tunnel unter Grünland gebaut werden soll, gilt es zu prüfen, ob das Vorhaben mit den öffentlichen Interessen an Raumplanung, Naturschutz und Nutzung vereinbar ist.

Salzburg. Kapuzinerberg seen from Rudolfskai. 1912. Collotype. Photograph. Publishing by >Männer-Ortsgruppe Salzburg des Vereines Südmark<. (Photo by Austrian Archives/Imagno/Getty Images)
Der Kapuzinerberg vom Rudolfskai aus gesehen, mit dem Paschinger Schlössl, 1912.Bild: Hulton Archive

Fällt jener Amtsbericht negativ aus, wird sich wohl auch der Salzburger Stadtsenat gegen den Bau aussprechen: Denn immerhin sitzen im 12-köpfigen Gremium vier Sozialdemokraten, drei Kommunisten und eine Vertreterin der Grünen.

Und das wäre ja dann vielleicht keine Sternstunde der Menschheit, aber doch immerhin eine für Salzburg.

«Solche dramatisch geballten, solche schicksalsträchtigen Stunden, in denen eine zeitüberdauernde Entscheidung auf ein einziges Datum, eine einzige Stunde und oft nur eine Minute zusammengedrängt ist, sind selten im Leben eines Einzelnen und selten im Laufe der Geschichte.»
Stefan Zweig, «Sternstunden der Menschheit», 1927

Auch in Zweigs «Sternstunden der Menschheit» zu finden:

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Geri Gagarin
22.06.2025 13:42registriert Februar 2023
40‘000.- für 1500 quadrat kilometer? Wenig geld für viel Fläche, sind es nicht eher 1500 quadrat meter? 500 meter tunnel, 3 meter breit?

Aber auch so viel zu günstig
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domin272
22.06.2025 13:24registriert Juli 2016
Irgendwie ein verstörendes Sinnbild, dass gerade Porsche als einer der grössten Profiteure des NS-Regimes später das Schloss erwirbt, das früher Zweig, als vertriebenem, jüdischen Schriftsteller gehörte. Und jetzt kauft er sich auch noch gleich seinen Privattunnel um dem Pöbel nicht auf dem Heimweg begegnen zu müssen, wobei er dafür auch noch recht wenig für die Rechte hat zahlen müssen.
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Lefka Ori
22.06.2025 14:26registriert Dezember 2018
Diese Aktion von Porsche beweist, dass er seinen eigenen Fahrzeugen bezüglich wintertauglicher Fahrsicherheit nicht traut.
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