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Nach TV-Duell: Wird Joe Biden jetzt doch zurücktreten?

President Joe Biden walks off stage during the break of a presidential debate with Republican presidential candidate former President Donald Trump hosted by CNN, Thursday, June 27, 2024, in Atlanta. ( ...
Joe Biden hat keinen guten Eindruck hinterlassen.Bild: keystone
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Wird Joe Biden jetzt doch noch zurücktreten?

Die Debatte mit Donald Trump war keine gute Nacht für den Präsidenten.
28.06.2024, 06:5128.06.2024, 12:52
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Eine der ersten Lektionen, die angehenden Wirtschaftsjournalisten eingetrichtert werden, lautet: möglichst wenige Zahlen. Sie sind «optischer Lärm» und gehören in eine Box. Diese simple Lektion ist bei Joe Biden offenbar nicht angekommen. Er begann seine Eröffnungsrede mit einem Schwall von Zahlen, von denen keine einzige beim Zuschauer hängen blieb, und dass er dies auch noch mit heiserer Stimme und vielen Hängern tat, machte das Ganze nicht wirklich besser.

Nein, es war nicht der Biden der «State of the Union»-Rede, den sich seine Anhänger erhofft und die meisten Politgurus erwartet hatten. Es war der Biden, der zum Albtraum der Demokraten geworden ist: Er wirkte unsicher und alt. Der einzige Beweis, den der Präsident überzeugend abgeliefert hat: Er war mit Sicherheit nicht «jacked up» (gedopt), wie das seine Gegner im Vorfeld der Debatte insinuiert hatten.

President Joe Biden, right, and Republican presidential candidate former President Donald Trump, left, stand during break in a presidential debate hosted by CNN, Thursday, June 27, 2024, in Atlanta. ( ...
Die hohen Erwartungen nicht erfüllt: Donald Trump und Joe Biden während der Debatte.Bild: keystone

Biden startete auf dem falschen Fuss und konnte den Fehlstart während 90 langen, oft qualvollen Minuten nie korrigieren. Nur selten gelang es ihm, Trump wirkungsvoll entgegenzutreten, etwa, als er darauf hinwies, dass der Ex-Präsident nicht nur ein rechtmässig verurteilter Verbrecher ist, sondern dass er auch Hunderte Millionen Dollar an Strafgeldern bezahlen muss.

Hier die Zusammenfassung im Video:

Video: watson/lucas zollinger

Auch visuell war Biden schwach. Sprach sein Opponent, blickte er meist regungslos auf den Boden oder irgendwie in den Raum. Nicht einmal gelang es ihm, Trump aus der Fassung zu bringen. Dieser hingegen hatte erstaunlicherweise seine Hausaufgaben gemacht. Er rastete nicht aus und tat, was er am besten kann: Er log, dass sich die Balken bogen.

So erklärte Trump beispielsweise, dass alle Amerikanerinnen und Amerikaner die Aufhebung von «Roe v. Wade» gewollt hätten. Dieses Urteil legalisierte die Abtreibung vor mehr als 50 Jahren auf nationaler Ebene, und eine legale Abtreibung wird nach wie vor von der überwiegenden Mehrheit begrüsst.

Ohne Widerspruch konnte Trump auch behaupten, Nancy Pelosi sei für den Sturm auf das Kapitol verantwortlich. Die damalige Mehrheitsführerin der Demokraten im Abgeordnetenhaus habe am 6. Januar 2021 das Angebot des Präsidenten, 10’000 Soldaten der Nationalgarde nach Washington zu beordern, ausgeschlagen. Diese Lüge ist nicht nur schon x-mal widerlegt worden, sie ist auch faktisch Unsinn. Pelosi hatte die Kompetenz dazu gar nicht.

Trump-Lügen im Minutentakt

Weitere Trump-Lügen folgten im Minutentakt: Er übertrieb das Ausmass der Teuerung für Nahrungsmittel, so schmerzhaft sie für den Mittelstand ist, auf absurde Weise. Er behauptete, Biden wolle die Steuern vervierfachen, und stritt auch ab, Sex mit dem Pornostar Stormy Daniels gehabt zu haben. Hingegen wich er der Frage, ob er das Resultat der Wahlen akzeptieren werde, einmal mehr aus, ohne dass deswegen die beiden Moderatoren nachhakten. Dafür führte Trump bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit die chaotische Situation an der Grenze an und machte den Präsidenten dafür verantwortlich.

Dabei hätte Biden inhaltlich so viel zu bieten gehabt, sein Leistungsausweis ist beeindruckend. Von allen Volkswirtschaften hat die amerikanische die Covid-Krise am besten gemeistert. In der Wirtschaft sind Millionen von gut bezahlten Jobs entstanden. Geopolitisch hat Biden die NATO wieder geeint und Wladimir Putin in die Schranken gewiesen; und mit dem Green New Deal hat er griffige Massnahmen gegen die Klimaerwärmung durchgesetzt.

Im Zahlengewitter von Joe Biden ist davon jedoch beim nicht informierten Zuschauer wenig bis nichts hängen geblieben. Wollen die Demokraten im November Trump besiegen, kommt es jedoch genau auf diese Wählerinnen und Wähler an. Der schwache Auftritt des Präsidenten von gestern Nacht war diesbezüglich alles andere als zielführend. Gut möglich, dass jetzt die Diskussionen wieder aufflammen, Biden kurz vor der Ziellinie aus dem Rennen zu nehmen und durch eine andere Kandidatin oder Kandidaten zu ersetzen.

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Donald Trump vor Gericht in New York
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quelle: keystone / john minchillo
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Video: watson
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288 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Pointless Piraña
28.06.2024 07:03registriert Dezember 2019
Ich werde nie verstehen, warum die Demokraten die vier Jahre nicht genutzt haben, im ein paar valable Kandidaten aufzubauen.
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Tante Karla
28.06.2024 07:01registriert März 2024
Die Demokraten hätten viel früher ein, zwei Nachfolger aufbauen müssen. Einen Achtzigjährigen in ein solches Rennen zu schicken ist unfair.
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Dummbatz Immerklug
28.06.2024 06:54registriert Februar 2016
Es tut im Herzen weh. Ich hoffe auf eine Wende zum Guten. Lügen-Donnie ist unser Untergang.
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