Noch nie seit dem Ende des Kalten Krieges gab es ein derart umfangreiches NATO-Manöver: Das westliche Verteidigungsbündnis will mit der auf vier Monate angelegten Grossübung mit rund 90'000 beteiligten Soldaten zeigen, dass es schnell und schlagkräftig auf eine Bedrohung der NATO-Ostflanke reagieren kann. Die Planungen für «Steadfast Defender» (etwa: «Standhafter Verteidiger») laufen seit mehr als einem Jahr, nun treten die Vorbereitungen in ihre heisse Phase. Der eigentliche Start des Manövers erfolgt dann im Februar.
Was die NATO mit ihrem Grossmanöver bezweckt, wer daran teilnimmt und wie es abläuft, erfährst du in diesen 6 Punkten:
Der niederländische Admiral Rob Bauer, Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, hat bei der Ankündigung des Manövers im Brüsseler NATO-Hauptquartier kein Blatt vor den Mund genommen. Er sagte:
Sollte ein Angriff erfolgen, müsse man bereit sein, so Bauer. Das erklärte Ziel des Grossmanövers ist damit benannt: Obwohl Russland in den offiziellen Dokumenten nicht explizit benannt wird, geht es um dessen Abschreckung. Spätestens seit seinem Angriffskrieg in der Ukraine gilt Russland als grösste Bedrohung für die Sicherheit der NATO-Länder, namentlich jenen an der Ostflanke des Bündnisses.
Der russische Einmarsch in der Ukraine hat zu einer strategischen Neuausrichtung der NATO geführt: Zuvor sollten kleine, in den Bündnisstaaten an der Ostflanke stationierte NATO-Einheiten eine russische Aggression verhindern. Das Kalkül dabei war, dass Moskau vor einem Angriff zurückschrecken dürfte, der den Bündnisfall gemäss NATO-Artikel 5 auslösen würde. Dieser sieht vor, dass ein bewaffneter Angriff gegen einen oder mehrere Bündnispartner in Europa oder Nordamerika als Angriff gegen sie alle betrachtet wird.
Mittlerweile will die westliche Allianz der russischen Führung jeden Zweifel nehmen, dass ein Angriff unweigerlich zu einer kollektiven Reaktion führen würde und jeder Quadratmeter des NATO-Territoriums verteidigt würde. Im Zuge dieser Neuausrichtung hat die NATO neue Gefechtsverbände aufgestellt und die Zahl der an der Ostflanke stationierten Truppen verdoppelt. Diese Vorposten sollen die Basis für eine Verstärkung im Ernstfall bilden. Steadfast Defender soll nun der russischen Führung zeigen, dass die NATO in der Lage – und auch gewillt – ist, ihre Ostflanke durch die rasche und massive Verlegung von Truppen zu verstärken.
Ein offizielles Szenario des Grossmanövers ist nicht öffentlich zugänglich, es ist lediglich die Rede von einem «simulierten beginnenden Konflikt mit einem fast gleichrangigen Gegner». Wie es zu einer solchen Eskalation kommen könnte, skizziert aber etwa das Übungsszenario der deutschen Bundeswehr «Kollektive Verteidigung 2025», das kürzlich von der «Bild»-Zeitung veröffentlicht wurde.
Demnach würde es Russland nach der Mobilisierung weiterer Truppen gelingen, die ukrainische Armee zurückzudrängen. Darauf würde Moskau mit Cyber-Angriffen Aggressionen gegen die ethnische russische Minderheit in den baltischen Staaten provozieren, was wiederum als Vorwand für die Verlegung von russischen Truppen an die belarussische Grenze zu Polen und in die Kaliningrader Exklave dienen würde. Diese Truppen würden dann die sogenannte Suwalki-Lücke – die schmale Landverbindung zwischen den NATO-Staaten Polen und Litauen – bedrohen und dort einen künstlichen Grenzkonflikt schaffen.
Zu diesem Zeitpunkt, so das deutsche Übungsszenario, würde die NATO 300'000 Soldaten an die Ostflanke verlegen, um Russland daran zu hindern, die Suwalki-Lücke von Belarus und Kaliningrad aus anzugreifen. Die weitere Entwicklung wird nicht mehr skizziert. In der Tat passt die Übungsanlage von Steadfast Defender zu diesem Szenario; sie besteht in einer schnellen Verlegung umfangreicher Kampfeinheiten quer durch Mitteleuropa, Nordeuropa und Südeuropa an die NATO-Ostflanke.
Zweck der Grossübung ist auch, die Leistungsfähigkeit der Infrastruktur zu prüfen, besonders in Deutschland. Es bestehen begründete Zweifel, ob die deutschen Strassen- und Schienenwege massive Verschiebungen von Truppen und Material bewältigen können, wie es noch zur Zeit des Kalten Kriegs möglich war. Steadfast Defender dient auch dazu, solche Schwachstellen offenzulegen.
An Steadfast Defender nehmen Einheiten aus sämtlichen 31 NATO-Mitgliedstaaten sowie dem Beitrittskandidaten Schweden teil.
Der Übungsraum von Steadfast Defender erstreckt sich von Norwegen bis nach Rumänien. Dazu gibt es einen maritimen Übungsanteil, in dem es um die Verlegung von Kräften aus Nordamerika nach Europa geht.
Im Zentrum des Grossmanövers stehen die beiden Staaten Deutschland und Polen. Der Fokus liegt vor allem auf Polen, da es an das mit Russland verbündete Belarus und an die russische Exklave Kaliningrad grenzt. Der Frontstaat Polen stellt zudem das geografische Bindeglied zu den baltischen Staaten dar, zu denen er als einziges NATO-Land eine Landverbindung hat. Deutschland wiederum ist aufgrund seiner zentralen Lage die logistische Drehscheibe für seine Bündnispartner. Deren Truppen werden auf dem Land-, Luft- oder Seeweg in Deutschland ankommen und anschliessend weiter verlegt.
Das Teilmanöver von Steadfast Defender in Polen, «Dragon-24», beginnt am 25. Februar und dauert bis zum 14. März. Beteiligt werden vornehmlich Bodentruppen mit schwerem Gerät sein, die das taktische Verlegen auf den Strassen und die Überquerung der Weichsel üben sollen. Neben den 15'000 polnischen Soldaten nehmen auch Truppen der schnellen Eingreiftruppe der NATO – die NATO Response Force (NRF) – sowie aus mehreren NATO-Ländern an Dragon-24 teil.
Der deutsche Beitrag zu Steadfast Defender umfasst vier Teilmanöver, die unter der Bezeichnung «Quadriga 2024» laufen – in Anspielung auf die Quadriga auf dem Brandenburger Tor, die für Freiheit, Einigkeit und Stärke steht. An den vier Teilmanövern sind jeweils unterschiedliche Verbände aus allen Bereichen der Bundeswehr beteiligt. Den Aufmarsch, zu dem auch der Schutz von Versorgungseinrichtungen und Marschwegen gehört, koordiniert das Territoriale Führungskommando.
Der Transport von schwerem Gerät, Munition, Treibstoff, Verpflegung usw. stellt eine logistische Herausforderung dar. Nach den Quadriga-Teilübungen schliessen ausserhalb Deutschlands weitere Manöver an: Auf North folgt «Nordic Response» (Lead Norwegen), auf Center «Saber Strike» (Lead USA) und auf South «Swift Response» (Lead USA). Sie sollen zeigen, wie effizient die verschiedenen nationalen Streitkräfte innerhalb des gemeinsamen Verteidigungskonzeptes kooperieren können.
Adressat des Grossmanövers ist Russland. Steadfast Defender soll dem Kreml deutlich machen, dass die westliche Allianz es mit ihrer Verteidigungsstrategie ernst meint und auch dazu in der Lage ist, sie umzusetzen. Das Manöver ist jedoch defensiver Natur; es ist darauf angelegt, die Reaktion auf einen russischen Angriff zu üben. Die auf den ersten Blick beeindruckende Zahl von 90'000 beteiligten Soldaten relativiert sich zudem, da diese teilweise zeitlich versetzt an verschiedenen Teilübungen teilnehmen. Es stehen daher zu keinem Zeitpunkt 90'000 Soldaten in Kampfmontur an der Grenze zu Russland.
Wie der Politikwissenschaftler Joachim Krause im Gespräch mit dem deutschen Magazin «Focus» anmerkt, bilden die an Steadfast Defender beteiligten Truppen «keine Speerspitze eines wie auch immer von den Russen befürchteten Angriffsdispositivs». Es handle sich nicht um eine operative Grossübung, die als Vorbereitung eines Grossangriffs gedeutet werden könnte, da der Schwerpunkt auf Logistik und taktischen Übungen liege.
Gleichwohl behauptet das russische Aussenministerium, die NATO-Manöver in der Nähe der russischen Grenzen würden zunehmend aggressiv und provokativ durchgeführt. Es handle sich um eine «Demonstration von Gewalt» vor der Haustür Russlands. Der stellvertretende russische Aussenminister Alexander Gruschko erklärte gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur RIA Novosti, diese Übungen seien ein weiteres Element des hybriden Krieges, den der Westen gegen Russland entfesselt habe.
Der Kreml und sein Chefdiplomat, Aussenminister Sergej Lawrow, haben dem «kollektiven Westen» in letzter Zeit immer öfter vorgeworfen, durch die finanzielle und militärische Hilfe an die Ukraine einen «hybriden Krieg» gegen Russland zu führen. Der russische Präsident Wladimir Putin bezeichnete den Westen verschiedentlich als Feind Russlands. Die russische Rhetorik zielt gemäss dem amerikanischen Think Tank Institute for the Study of War darauf ab, defensive NATO-Aktionen, die auf eine reale russische Aggression an der NATO-Ostflanke reagieren, als provokativ darzustellen.
Steadfast Defender wird vermutlich keinen Einfluss auf das Kriegsgeschehen in der Ukraine haben, wie Joachim Krause gegenüber dem «Focus» erklärt. Es sei «nicht zu erwarten, dass die Russen grössere Einheiten aus der Ukraine abziehen, um einem befürchteten NATO-Angriff entgegenzutreten.»
Nein. Steadfast Defender 2024 ist zwar deutlich grösser als die vor drei Jahren abgehaltene Grossübung «Steadfast Defender 2021», die aufgrund der Corona-Pandemie wesentlich kleiner als geplant ausfiel. Und sie ist auch umfangreicher als das bisher grösste Manöver seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991, die Grossübung «Trident Juncture» im Jahr 2018, an der etwa 51'000 Soldaten teilnahmen.
Doch einige der NATO-Manöver im Kalten Krieg boten deutlich mehr Personal auf – so etwa 1954 «Battle Royal» mit 137'000 Soldaten oder 1988 «Reforger 88 FTX – Certain Challenge» mit fast 125'000 Soldaten. Die Manöverserie «Reforger» («Return of Forces to Germany»), die von 1969 bis 1993 einmal oder mehrmals pro Jahr stattfand, diente der Abschreckung des potenziellen Gegners, des Warschauer Pakts.
Kurz und bündig mit den sinngemässen Worten von "Major General Spider Marks" was mit RuZzia passiert, sollten sie die Red Linie überqueren (e.g. taktische A-Waffen):
"US Streitkräfte und ihre Allierten würden die russischen Truppen in der Ukraine mittels konzertierter massiver Aktion mit konventionellen Mittel eliminieren, das würde schätzungweise 72h dauern" 🇷🇺💥💀 🔚
🇺🇦 Slawa Ukrajini !