In den USA darf zum ersten Mal im Labor gezüchtetes Fleisch verkauft werden. Das US-Landwirtschaftsministerium habe den beiden kalifornischen Firmen Upside Foods und Good Meat die endgültige Genehmigung für den Verkauf von aus tierischen Zellen gezüchtetem Hähnchenfleisch erteilt, teilten die Unternehmen am Mittwoch (Ortszeit) mit.
«Diese Ankündigung, dass wir nun in der Lage sind, in den Vereinigten Staaten kultiviertes Fleisch zu produzieren und zu verkaufen, ist ein wichtiger Moment für unser Unternehmen, die Branche und das Lebensmittelsystem», sagte Josh Tetrick, Mitbegründer und CEO von Good Meat. Bisher sei Laborfleisch nur in Singapur zugelassen worden. «Jetzt ist es für den Verkauf an Verbraucher in der grössten Volkswirtschaft der Welt zugelassen», sagte Tetrick weiter.
Es sei der Beginn einer neuen Ära, hiess es in einer Mitteilung von Upside Foods. Diese Zulassung werde die Art und Weise, wie Fleisch auf unseren Tisch komme, grundlegend verändern, teilte Unternehmenschef Uma Valeti auf Twitter mit.
Just reflecting on the news from today where both the @US_FDA and @USDA cleared the way for meat without slaughter. A new chapter for humanity begins led by the United States. Thanks to everyone who gave this idea a chance. 🙏
— Uma Valeti, MD (@UmaValeti) June 22, 2023
Details 👉 https://t.co/Yj5fEXHzwD#cultivatedmeat pic.twitter.com/DtcjCwCIAO
Noch kann man das Fleisch aber nicht im gewöhnlichen Supermarkt kaufen. Das Labor-Hähnchenfleisch werde zunächst nur in Restaurants erhältlich sein, so die Hersteller.
In der Schweiz ist Laborfleisch noch nicht zugelassen. Es wird allerdings intensiv daran geforscht. So auch vom Schweizer Start-up Mirai Foods, welches 2019 in Wädenswil im Kanton Zürich gegründet wurde. Am 14. Februar berichtete es von einem technologischen Durchbruch in der Züchtung von dicken, zarten Steaks.
Während andere Fleischsorten bereits in Labors hergestellt werden können, so Christoph Mayr, CEO und Mitbegründer von Mirai Foods, stelle ein Filetsteak die ultimative Herausforderung dar:
Für die dafür entwickelte sogenannte Fibrationstechnologie hat Mirai Foods drei Patente angemeldet. Bei dem Verfahren werden in dem eigens gebauten Bioreaktor «The Rocket» lange, ausgereifte Muskelfasern gezüchtet, die dann durch Enzyme verbunden und mit gezüchtetem Fettgewebe ergänzt werden, heisst auf der Webseite weiter. Für das Kultivieren der Zellen verwendet Mirai Foods ausschliesslich natürliche Zellen, ohne diese genetisch zu manipulieren. Fünf Tage dauert der Prozess, dann ist das Filetstück fertig und kann zu Steaks geschnitten werden.
Auch die Coop-Tochter Bell Food Group investiert seit 2018 in kultiviertes Rindfleisch. Mit rund 2,3 Millionen Franken beteiligt sich der Schweizer Fleischproduzent am niederländischen Start-up Mosa Meat, das bereits seit Jahren am Fleisch tüftelt.
2020 wagte auch die Migros den Schritt und investierte in die israelische Biotech-Firma Aleph Farms. Auch dort werden Fleischzellen zum Steak herangezüchtet. Zudem war die Migros an der Gründung des Cultured Food Innovation Hub beteiligt, welcher die Entwicklung von Produkten auf pflanzlicher Basis und die zelluläre Landwirtschaft vorantreiben will.
Die drei Unternehmen #Givaudan aus Vernier, #Migros aus Zürich und #Bühler aus Uzwil haben in Kemptthal den «Cultured Food Innovation Hub» gegründet, um die Entwicklung und den Marktanteil von Produkten aus kultivierter Landwirtschaft voranzutreiben.https://t.co/gfXhZyLUTX
— Der LEADER - das Unternehmermagazin (@LEADER_Magazin) September 15, 2021
Die Befürworter von «Clean Meat» glauben, dass Laborfleisch der einzige umweltverträgliche Weg ist, um den wachsenden Fleischbedarf zu decken, den die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen bis zum Jahr 2050 erwartet.
Bis Laborfleisch in der Schweiz in die Regale kommt, dürfte es noch ein wenig dauern. Gemäss dem Swiss Food & Nutrition Valley muss man sich wohl noch bis mindestens ins Jahr 2025 gedulden. Auch das Innovationszentrum Cultured Food Innovation Hub rechnet noch mit zwei bis drei Jahren.
So verheissungsvoll das Laborfleisch auch klingt, so viele Tücken gilt es noch zu beseitigen. Die Produktion ist energieaufwendig und teuer: Der erste von Mosa Meat hergestellte Burger kostete 2013 noch saftige 250'000 Euro. Das Unternehmen schätzt aber, dass die Produkte einst für 9 Euro verkauft werden können.
Ein weiterer Knackpunkt: Die Basis für Laborfleisch bildet nach wie vor tierisches Muskelgewebe. Dafür wird einem Tier Muskelgewebe entnommen, aus diesem wiederum werden Stammzellen gewonnen. Für die Vermehrung dieser Zellen werden diese in ein sogenanntes Nährmedium gelegt, welches für optimale Bedingungen sorgt. Als bestes Medium gilt nach wie vor fötales Rinderserum, welches allerdings nicht ohne Tierleid gewonnen werden kann. Dafür muss zunächst eine schwangere Kuh geschlachtet und der Fötus aus dem Bauch geschnitten werden. Dann wird dem noch lebenden Kalb eine dicke Nadel bis ins Herz gestossen, um das Blut daraus abzupumpen. Das Kalb stirbt bei der Entnahme.
In den vergangenen Jahren forschten Zellfleisch-Start-ups allerdings intensiv an Alternativen für das fötale Rinderserum. So verkündete etwa Mosa Meat 2019, dass es vollständig auf fötales Rinderserum verzichte. Wie es das geschafft hat, erklärt es in einem Artikel im wissenschaftlichen Magazin Nature Food.
Für den hohen Energieverbrauch ist der Bioreaktor verantwortlich, in dem die Muskelzellen heranreifen. Damit sich die Stammzellen vermehren können, muss dieser eine konstante Temperatur von 37 Grad aufrechterhalten. Gegenüber Swissinfo räumte Mirai-Foods-Gründer Mayr ein, dass es noch eine grosse Herausforderung sei, das Verfahren kostengünstig und in grossem Massstab reproduzierbar zu machen.
(saw mit Material der Nachrichtenagenturen sda und dpa)