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In den USA kann man bald Laborfleisch kaufen – und in der Schweiz?

Mosa Meat Kultiviertes Fleisch Burger aus dem Labor
Kultiviertes Fleisch aus dem Labor der Firma Mosa Meat.Bild: Mosa Meat

In den USA kann man bald Laborfleisch essen – wie sieht es in der Schweiz aus?

Was in Singapur schon länger erlaubt ist, wird jetzt auch in den USA Realität: die Genehmigung zum Verkauf von gezüchtetem Laborfleisch. Was das bedeutet und wann das in der Schweiz möglich sein könnte.
22.06.2023, 19:3823.06.2023, 13:43
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Verkauf von Laborfleisch in den USA erlaubt

In den USA darf zum ersten Mal im Labor gezüchtetes Fleisch verkauft werden. Das US-Landwirtschaftsministerium habe den beiden kalifornischen Firmen Upside Foods und Good Meat die endgültige Genehmigung für den Verkauf von aus tierischen Zellen gezüchtetem Hähnchenfleisch erteilt, teilten die Unternehmen am Mittwoch (Ortszeit) mit.

«Diese Ankündigung, dass wir nun in der Lage sind, in den Vereinigten Staaten kultiviertes Fleisch zu produzieren und zu verkaufen, ist ein wichtiger Moment für unser Unternehmen, die Branche und das Lebensmittelsystem», sagte Josh Tetrick, Mitbegründer und CEO von Good Meat. Bisher sei Laborfleisch nur in Singapur zugelassen worden. «Jetzt ist es für den Verkauf an Verbraucher in der grössten Volkswirtschaft der Welt zugelassen», sagte Tetrick weiter.

Es sei der Beginn einer neuen Ära, hiess es in einer Mitteilung von Upside Foods. Diese Zulassung werde die Art und Weise, wie Fleisch auf unseren Tisch komme, grundlegend verändern, teilte Unternehmenschef Uma Valeti auf Twitter mit.

Noch kann man das Fleisch aber nicht im gewöhnlichen Supermarkt kaufen. Das Labor-Hähnchenfleisch werde zunächst nur in Restaurants erhältlich sein, so die Hersteller.

Wie sieht es in der Schweiz aus?

In der Schweiz ist Laborfleisch noch nicht zugelassen. Es wird allerdings intensiv daran geforscht. So auch vom Schweizer Start-up Mirai Foods, welches 2019 in Wädenswil im Kanton Zürich gegründet wurde. Am 14. Februar berichtete es von einem technologischen Durchbruch in der Züchtung von dicken, zarten Steaks.

ein tenderloin steak von mirai foods.
So sehen die Tenderloin Steaks von Mirai Foods aus. Bild: mirai foods

Während andere Fleischsorten bereits in Labors hergestellt werden können, so Christoph Mayr, CEO und Mitbegründer von Mirai Foods, stelle ein Filetsteak die ultimative Herausforderung dar:

«Ein Filetsteak ist die ultimative Herausforderung: Es besteht aus verschiedenen Zelltypen, die – wenn sie richtig kombiniert werden – eine komplexe Fleischstruktur ergeben. Dieser Strukturierungsprozess ist technologisch anspruchsvoll und macht die Herstellung von Steaks extrem schwierig.»

Für die dafür entwickelte sogenannte Fibrationstechnologie hat Mirai Foods drei Patente angemeldet. Bei dem Verfahren werden in dem eigens gebauten Bioreaktor «The Rocket» lange, ausgereifte Muskelfasern gezüchtet, die dann durch Enzyme verbunden und mit gezüchtetem Fettgewebe ergänzt werden, heisst auf der Webseite weiter. Für das Kultivieren der Zellen verwendet Mirai Foods ausschliesslich natürliche Zellen, ohne diese genetisch zu manipulieren. Fünf Tage dauert der Prozess, dann ist das Filetstück fertig und kann zu Steaks geschnitten werden.

Auch die Coop-Tochter Bell Food Group investiert seit 2018 in kultiviertes Rindfleisch. Mit rund 2,3 Millionen Franken beteiligt sich der Schweizer Fleischproduzent am niederländischen Start-up Mosa Meat, das bereits seit Jahren am Fleisch tüftelt.

2020 wagte auch die Migros den Schritt und investierte in die israelische Biotech-Firma Aleph Farms. Auch dort werden Fleischzellen zum Steak herangezüchtet. Zudem war die Migros an der Gründung des Cultured Food Innovation Hub beteiligt, welcher die Entwicklung von Produkten auf pflanzlicher Basis und die zelluläre Landwirtschaft vorantreiben will.

Die Befürworter von «Clean Meat» glauben, dass Laborfleisch der einzige umweltverträgliche Weg ist, um den wachsenden Fleischbedarf zu decken, den die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen bis zum Jahr 2050 erwartet.

Bis Laborfleisch in der Schweiz in die Regale kommt, dürfte es noch ein wenig dauern. Gemäss dem Swiss Food & Nutrition Valley muss man sich wohl noch bis mindestens ins Jahr 2025 gedulden. Auch das Innovationszentrum Cultured Food Innovation Hub rechnet noch mit zwei bis drei Jahren.

Wie wird Laborfleisch hergestellt?

So verheissungsvoll das Laborfleisch auch klingt, so viele Tücken gilt es noch zu beseitigen. Die Produktion ist energieaufwendig und teuer: Der erste von Mosa Meat hergestellte Burger kostete 2013 noch saftige 250'000 Euro. Das Unternehmen schätzt aber, dass die Produkte einst für 9 Euro verkauft werden können.

Ein weiterer Knackpunkt: Die Basis für Laborfleisch bildet nach wie vor tierisches Muskelgewebe. Dafür wird einem Tier Muskelgewebe entnommen, aus diesem wiederum werden Stammzellen gewonnen. Für die Vermehrung dieser Zellen werden diese in ein sogenanntes Nährmedium gelegt, welches für optimale Bedingungen sorgt. Als bestes Medium gilt nach wie vor fötales Rinderserum, welches allerdings nicht ohne Tierleid gewonnen werden kann. Dafür muss zunächst eine schwangere Kuh geschlachtet und der Fötus aus dem Bauch geschnitten werden. Dann wird dem noch lebenden Kalb eine dicke Nadel bis ins Herz gestossen, um das Blut daraus abzupumpen. Das Kalb stirbt bei der Entnahme.

In den vergangenen Jahren forschten Zellfleisch-Start-ups allerdings intensiv an Alternativen für das fötale Rinderserum. So verkündete etwa Mosa Meat 2019, dass es vollständig auf fötales Rinderserum verzichte. Wie es das geschafft hat, erklärt es in einem Artikel im wissenschaftlichen Magazin Nature Food.

Für den hohen Energieverbrauch ist der Bioreaktor verantwortlich, in dem die Muskelzellen heranreifen. Damit sich die Stammzellen vermehren können, muss dieser eine konstante Temperatur von 37 Grad aufrechterhalten. Gegenüber Swissinfo räumte Mirai-Foods-Gründer Mayr ein, dass es noch eine grosse Herausforderung sei, das Verfahren kostengünstig und in grossem Massstab reproduzierbar zu machen.

(saw mit Material der Nachrichtenagenturen sda und dpa)

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Fleisch wird jetzt im Labor gezüchtet
Video: srf
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50 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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x%8Tz*3GsUf3
22.06.2023 20:11registriert Dezember 2020
Bisschen ein Heuchler bin ich schon. Unter Kollegen posaunen wie "künstlich" und "daneben" Laborfleisch sein soll, aber insgeheime freu ich mich dann doch auf Burger mit hoffentlich irgendwann dem guten Gewissen, keine anderen Spezies dafür auszunutzen. Industrielle Schlachtung ist schon bitter. Ich mag Fleisch, aber auch da ein Heuchler: Wenn es nicht vom Metzger oder Supermarkt kommt, selber umbringen bin ich auch zu "zart" dafür. Die Tierli die ich esse tun mir eigentlich Leid 🤯😱 Auch wenn mich der Löwe auch frisst, wenn er mich erwischt. Aber *er* denkt nicht darüber nach, der Glückliche
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Adsubia
22.06.2023 20:00registriert Juni 2021
Das ist Innovation, damit haben wir in Zukunft Fleisch, welches nicht mit Viren, Bakterien und Antibiotika belastet ist und wir tun was für das Tierwohl, ausser für die, denen das Tierleben und die Natur am A... vorbei geht.
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